Otto Tremetzberger

Geburtsjahr und Geburtsort?

Otto Tremetzberger: 1974 in Linz.

Du lebst in Linz?

Otto Tremetzberger: Seit 1997.

Welche kunst- und kulturbezogenen Funktionen übst du derzeit aus?

Otto Tremetzberger: Ich bin Geschäftsführer von dorf tv, bin Geschäftsführer des Freien Radio Freistadt, bin außerdem noch im Vorstand des Vereins Matrix und bin im Radio FRO Verwaltungsausschuss engagiert. Außerdem bin ich noch schriftstellerisch tätig.

Wie würdest du deine eigene Tätigkeit am ehesten bezeichnen? Also wenn in einem Bericht wo steht: Otto Tremetzberger, Geschäftsführer von dorf TV und von Radio Freistadt, würde das passen?

Otto Tremetzberger: Ich glaube, die beiden Bezeichnungen treffen es ganz gut.

Wann wurde dorf tv gegründet?

Otto Tremetzberger: Als eigenständige Organisation ist dorf tv im November 2009 gegründet worden, als dorf tv GmbH. Die Vorfeldaktivitäten sind im wesentlichen vom Verein Matrix betrieben worden, der 2005 gegründet wurde. Im Vorfeld von dorf tv hat es schon unterschiedliche Projekte in dem Kontext gegeben, deren Erfahrungen mehr oder weniger eingeflossen sind. Matrix ist der Hauptgesellschafter von dorf tv und hat ein eigenes Büro in der Gruberstraße, das auch von dorf tv genützt wird,. Matrix hat unter anderem als Aktivitäten den Abschluss einer Machbarkeitsstudie von dorf tv betrieben, die zwar noch nicht publiziert ist, aber eigentlich eins zu eins in die Umsetzung von dorf tv gegangen ist. Das ist ein konkretes Projekt, was Matrix macht, wo es jetzt darum geht, bis Mitte des Jahres die Ergebnisse zu publizieren. Darüber hinaus ist Matrix eine Kunst- und Kulturinitiative, die, wenn es Projekte gibt, diese auch umsetzen würde bzw. hat es auch in der Vergangenheit Aktivitäten von Matrix im Kunst- und Medienbereich gegeben.

Welche Zielgruppen werden durch die Arbeit von dorf tv besonders angesprochen?

Otto Tremetzberger: Im Grunde genommen würde ich sagen, von der grundsätzlichen Ausrichtung her, entsprechend dem Ansatz der freien Medien, insbesondere diejenigen, die medial unterversorgt werden bzw. sich sonst in Medien kaum artikulieren, wobei man möglicherweise bei dorf tv angesichts der nicht großen Vielfalt von TV-Medien in Oberösterreich sagen kann, dass im Wesentlichen jeder angesprochen und adressiert ist, sich an dorf tv zu beteiligen, weil es sozusagen ein einzigartiges Angebot ist und aktive Fernseharbeit mit einem eigenen TV-Kanal abgesehen von dorf tv gar nicht möglich ist in Oberösterreich. Man kann sich zwar beteiligen an diversen Projekten, aber in diesem Sinne ist dorf tv ein Angebot, das sich eigentlich an alle richtet. Aus der Erfahrung würde ich sagen, dass in dorf tv vom Inhaltlichen her, von den beteiligten Gruppen und auch von den Themen, die dorf tv aus sich heraus selbst aufgreift, zum Beispiel über unsere Sendungen am Mittwoch, unsere Live-Dorfgespräche, ganz besonders Organisationen, Bereiche, Themen, Interessen aus dem kulturellen, künstlerischen, zivilgesellschaftlichen Kontext abgebildet werden und auch diese Gruppierungen ganz besonders adressiert werden. Man könnte es überspitzt so formulieren, wie es im Neuen Volksblatt einmal gestanden ist, das ist KUPF-Fernsehen. Das trifft es nicht genau, aber es trifft möglicherweise vom Inhaltlichen einen Ansatz, wie es ja eigentlich auch bei den freien Radios der Fall ist, dass solche Medienangebote vor allen eine engagierte Öffentlichkeit für sich beansprucht, in unterschiedlichen Kontexten, Kunst, Kultur, Zivilgesellschaft, Politik. Leute, die sich engagieren, die aktiv sind, sind wahrscheinlich eher zu gewinnen, Medien auch entsprechend zu nutzen, weil sie eine Message haben. Da könnte man diesen doch breit angelegten Bereich unter Umständen als besondere Zielgruppe von dorf tv definieren, sowohl auf der Konsumenten- als auch auf der Produzentenseite, wobei grundsätzlich keine Zielgruppe in diesem Sinne ausgeschlossen wäre.

Der geografische Wirkungsbereich zielt in erster Linie worauf ab, würdest du sagen?

Otto Tremetzberger: Der geografische Wirkungsbereich wird zunächst einmal durch das potenzielle Versorgungsgebiet definiert, das wären weite Teile Oberösterreichs laut Bescheid, in der Praxis kann man sagen, dass das Städtedreieck Linz – Wels – Steyr der Kern des terrestrischen Versorgungsgebiets ist, wobei Versorgungsgebiet heißt, dass im Wesentlichen der Empfang über eine Hausantenne bzw. im Linzer Stadtbereich über eine Zimmerantenne oder USB-DVB-T-Stick möglich ist. Linz – Wels – Steyr wäre von der Gesellschaftsstruktur das Dreieck, in dem sich dorf tv bewegt, Initiativen aus Linz, Wels und Steyr sind beteiligt an dorf tv und haben dorf tv eigentlich aufgebaut oder mitentwickelt. Das wäre vom Aktionsradius her wahrscheinlich der Kern, wobei punktuell außerhalb von diesem Kerngebiet auch Aktivitäten gesetzt werden, einerseits durch Initiativen, die an dorf tv beteiligt sind – es gibt Gruppen aus Grein, aus Engerwitzdorf oder aus Freistadt, die bei dorf tv aktiv sind – andererseits setzen wir auch im Rahmen des Festivals der Regionen Schwerpunktaktivitäten im Sommer in Vöcklabruck, in Attnang-Puchheim, versuchen sozusagen, dieses Dreieck zu beleben, mit Regionalstudios, und darüber hinaus zum Beispiel in Vöcklabruck, in Freistadt, in Engerwitzdorf Nodes oder Knotenpunkte schön langsam zu entwickeln, wo produziert, diskutiert, reflektiert wird, wo Anlaufstellen existieren, um dorf tv aufzubauen. Wo Ansprechpersonen für dorf tv greifbar sind, wo eine gewisse Infrastruktur zur Verfügung steht, um zum Beispiel Beiträge ins Netz von dorf tv einzuspeisen, und wo dorf tv außerhalb Linz auch sichtbar gemacht werden kann.

In welchen künstlerischen Disziplinen oder kulturellen Arbeitsfeldern würdest du dorf tv hauptsächlich zuordnen? Freie Medien klar, aber sonst noch?

Otto Tremetzberger: Wenn man sagt, künstlerisch-kulturell, dann gibt es einerseits einmal diejenigen, die sich einfach in dem Bereich engagieren. Das reicht von der Friedenswerkstatt bis zum Radio FRO, die in gewisser Weise ein medien- und kulturpolitisches Engagement oder ein gesellschaftspolitisches Engagement pflegen. Und auf der anderen Seite gibt es einfach einen Film-Video-Kunst-Anspruch, der jetzt beispielsweise im Rahmen unserer Gesprächsreihen realisiert wird. Heute ist Dietmar Brehm zu Gast bei dorf tv und zeigt Videos, die eigentlich sonst im Regionalfernsehen völlig unmöglich zu zeigen werden, bestenfalls einmal auf 3sat oder Arte sichtbar werden, oder im ORF. Aber das ist schon ein künstlerischer Zweig von dorf tv, der auch zur Positionierung beitragen soll, als eine Plattform nicht nur für das zivilgesellschaftliche Engagement im weitesten Sinne, sondern auch als Plattform für das Video- und Filmschaffen in Oberösterreich, um das sichtbar zu machen, was da passiert an teilweise international herausragender Qualität.

Von der Infrastruktur her: das Büro, hast du gesagt, ist gemeinsam mit Matrix in der Gruberstraße, das Studio ist im Schirmmacher, im Brückenkopfgebäude. Gibt es in Bezug auf die vorhandene räumliche bzw. technische Infrastruktur aktuell einen Handlungsbedarf, also einen Wunsch nach quantitativer oder qualitativer Erweiterung?

Otto Tremetzberger: Dazu muss man sagen, dass die Ressourcen, auf die dorf tv zurückgreifen kann, einerseits das Büro von Matrix ist, eine Substandard-Wohnung in der Gruberstraße, die so billig ist, dass man es sich immer leisten kann. Sonst wäre es für so eine Organisation wie dorf tv in der Entwicklungsarbeit unmöglich gewesen, eigene Räumlichkeiten zu haben, weil man kann sich kein Büro unter den Bedingungen nicht leisten. Man muss halt entsprechend auf Komfort verzichten. Das ist eine glückliche Fügung gewesen. Und der zweite Aspekt ist, unser Studio Schirmmacher ist nur zustande gekommen durch unsere Kooperation mit der Kunstuniversität, weil auf dem Immobilienmarkt es für unleistbar wäre, den Schirmmacher anzumieten. Das ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit der ÖH und mit der Kunstuniversität. Die Universität stellt darüber hinaus auch Infrastruktur wie Internet, Server-Raum etc. für uns zur Verfügung. Ohne diese Sachleistungen gäbe es die Voraussetzungen gar nicht. Da sieht man einmal, wie wichtig das ist, wenn es Organisationen gibt, Partner gibt, auf deren bestehendes, institutionelles Kapital man zurückgreifen kann und die halt einfach über ganz andere Voraussetzungen verfügen, um nicht nur organisatorisch, sondern auch von den Ressourcen her und infrastrukturell ein gewisses Backup für eine Kultur- oder eine Medieninitiative bereitstellen. Das ist natürlich ein temporäres Projekt, der Schirmmacher, in Zukunft stellt sich für dorf tv die Frage: Wohin? Die Raumfrage wird sich sicher im Laufe dieses oder nächsten Jahres stellen und da ist aus meiner Sicht völlig klar, dass man genau für solche Initiativen zugängliche, sichtbare Orte schaffen oder anbieten muss, und es leistbare Orte braucht, jetzt nicht im hintersten Winkel, sondern möglichst präsent in dem Kontext, in dem man arbeitet, in der Stadt, damit dorf tv oder andere Initiativen ihre Arbeit leisten können.

Da schwingt zwischen den Zeilen die Tabakfabrik mit?

Otto Tremetzberger: Die Tabakfabrik wäre eine Option, wobei wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkreten Ziele oder konkrete Absichten geäußert haben. Ich gehe einmal davon aus, dass die Tabakwerke beispielsweise als Location für freie Medienarbeit, möglicherweise sogar für Radio FRO, mittelfristig sehr spannend sind. Im Fall von dorf tv stellt sich die Orts- die Raumfrage aber schon kurzfristig, eben nächstes Jahr bereits.

Was mich noch interessiert, das Potenzial an Arbeitskräften, das in verschiedenen Kunst- und Kulturbereichen generiert wird. Da würde mich interessieren, wie viele Personen mit Stand 1. Jänner diesen Jahres bei dorf tv beschäftigt waren, in irgendeiner Art und Weise Entgelt für ihre Arbeit erhalten haben?

Otto Tremetzberger: Angestellte hatten wir per 1. Jänner 2011 vier Personen. Zusätzlich gibt es einen Kreis von fünf bis zehn Honorarkräften bzw. Sub-Unternehmern wenn man so will, die operativ für dorf tv tätig sind, die beispielsweise Kamera, Schnitt, Postproduktion oder im Rahmen von Projekten mitarbeiten. Der Personalstand im Sinne von Vollzeitäquivalenten ist allerdings sehr gering und liegt irgendwo zwischen zwei und drei, also der Kern ist eigentlich sehr reduziert. Im Zuge der Programmarbeit, von Projekten und Kooperationen usw. ergibt sich aus der Arbeit von dorf tv immer der Bedarf nach weiteren Mitarbeitern, die halt aus organisatorischen und finanziellen Gründen derzeit als freie Mitarbeiter über Honorare oder Werkverträge abgewickelt werden.

Wenn du ein durchschnittliches Projekt oder ein Arbeitsmonat, je nachdem was praktikabler ist, ansiehst, wie viele Personen arbeiten im freiwilligen, ehrenamtlichen Bereich mit?

Otto Tremetzberger: Das ist schwer zu sagen. Also es gibt deutlich mehr als 100 registrierte Nutzer von dorf tv, die mindestens einmal, manche auch öfter und regelmäßig, Beiträge für dorf tv zur Verfügung stellen. Wenn man berücksichtigt, dass diese Beiträge immer weitestgehend ehrenamtlich produziert werden, und versucht das einmal zu überdenken, dann ist da natürlich eine enorme personelle Arbeit, Produktion dahinter, die schwer zu quantifizieren ist. Aber wenn man sagt, der Programm-Output von dorf tv liegt im Durchschnitt bei einer halben Stunde bis – mittelfristiges Ziel von 2011 wäre – eine Stunde Programm, neu produziertes Programm täglich, das ist in etwa auch das, was in LT1 oder der ORF Oberösterreich täglich sendet und wenn man sich vorstellt, was da an personellen Ressourcen zur Verfügung steht, um den Programm-Output abzuwickeln, dann kann man sich vielleicht vorstellen … der Output von einer halben Stunde pro Tag ist, wenn man es vergleicht mit anderen Medienunternehmen, die auch eine halbe Stunde am Tag produzieren, da steckt schon einiges an Leistung dahinter, die im Personalstand von dorf tv natürlich nicht oder nur zum Teil sichtbar wird.

Ok, einige Fragen zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Linz. Ich würde gerne mit einem kurzen Assoziationsspiel anfangen. Wenn wo „Kulturstadt Linz“ steht, was würdest du frei damit assoziieren?

Otto Tremetzberger: Da denke ich einmal vor allem an die großen Häuser oder an die großen Häuser und an die Organisationen, wo ich persönlich einen Bezug habe, an das, was entweder sichtbar ist im öffentlichen Raum oder wo ich persönlich Kontakte habe oder wo ich mitwirke. Im wesentlichen denkt man einmal, glaube ich, zunächst an die großen Institutionen, wenn man „Kulturstadt Linz“ hört. Auch deswegen wahrscheinlich, weil das ein Begriff ist, der jetzt weniger von der Freien Szene als wie von der offiziellen Politik kommt. Wahrscheinlich hat man deswegen tendenziell eine offizielle Assoziation.

Wenn wir einen Blick auf die letzten höchstens zehn Jahre werfen, also seit 2000 in etwa: Was würdest du meinen, ist besonders gut in der kulturellen Entwicklung dieser Stadt gelaufen?

Otto Tremetzberger: Gut gelaufen sind meiner Ansicht nach die Projekte, wo ich mitgearbeitet habe, und zwar deshalb, weil ich es einfach mitverfolgen habe können, wie diese Projekte sich entwickeln und größer werden. Das ist einfach das, was mir am Nächsten war, wie beispielsweise das Radio FRO, das von einem gefährdeten Projekt tatsächlich zu einem fix etablierten Angebot im Kultur- und Medienbereich geworden ist oder dorf tv, ein Projekt, das als eines der wenigen Projekte sich entwickeln hat können überhaupt. Und da gibt es noch ein paar andere Beispiele. Also es ist doch gelungen, abseits der Institutionen die eine oder andere Initiative zu setzen, wobei das vielleicht eher auf die Professionalität oder auf die Arbeit der Akteure zurückzuführen ist als auf ein hundertprozentig besonders günstiges kulturelles Klima, wobei natürlich das kulturelle Klima in Linz vermutlich – wenn ich Freunde und Kollegen aus anderen Bundesländern, Hauptstädten treffe – besser ist als anderswo. Das finde ich, ist eine positive Entwicklung, dass es doch möglich war, etwas zu tun, unter schwierigen Bedingungen natürlich, aber es war möglich, etwas aufzubauen, etwas zu entwickeln, etwas zu stabilisieren.

Und mit was bist du überhaupt nicht zufrieden in der kulturellen Entwicklung der letzten Jahre?

Otto Tremetzberger: Ich bin damit nicht so zufrieden, dass viele Chancen nicht genützt werden konnten. Es wäre sicher niemandem sonderlich schwer gefallen oder es hätte am Output der Kulturhauptstadt nicht sonderlich viel geändert, hätte man einfach ein bis zwei Millionen aus dem Gesamtbudget herausgenommen und die eine oder andere Initiative vor Ort einfach einmal erneuert, revitalisiert, vor allen Dingen infrastrukturell etwas getan, und jetzt nicht nur große … im architektonischen Bereich ist das ja total sichtbar, was da an großen oder auch kleinen Häusern geschaffen wurde, und bei der so genannten Freien Szene hat man den Eindruck, als würde man eher auf der Stelle treten, als dass sich da spürbar etwas ändern würde, was natürlich wiederum auf die Produktionsmöglichkeiten, auf den Output, auf die Atmosphäre, auf vieles andere auch zurückfällt. Wenn die Bedingungen, die Rahmenbedingungen zu arbeiten, schlecht sind, dann fällt es auch schwer, sich mit Produkten, Projekten, Positionen bemerkbar zu machen, aufzufallen. Und es hat sicher mit einer Not an Infrastruktur zu tun, meiner Ansicht nach. Da hätte es vielleicht schon gereicht, wenn man ein bis zwei Millionen Euro genommen hätte und die eine oder andere Initiative neu aufgestellt hätte. Was ich ebenfalls negativ finde, dass Initiativen der so genannten Freien Szene oder Projekte der Freien Szene gegenüber den großen Institutionen, den großen Einrichtungen eigentlich immer mehr an Sichtbarkeit, an Position verlieren. Im Sinne einer positiven kulturellen Entwicklung würde das damit zusammenhängen, dass natürlich die großen Einrichtungen ihr Themenspektrum stark erweitert haben in den letzten Jahren und dass man von einer großen Einrichtung nicht mehr nur das traditionalistische, konservative, öffentliche, repräsentative Kultur- und Kunstverständnis erwarten kann. Das ist sehr erfreulich, hat allerdings den personell und strukturell benachteiligten, kleineren Initiativen es schwer gemacht, sich zu positionieren. Es ist auch meiner Ansicht nach einiges an Potenzial nicht genutzt worden und es ist irgendwie sukzessive ein bisschen der Eindruck entstanden als – wenn ich schon sage „Kulturstadt Linz“ – würde man da auf etwas vergessen, was es auch noch gibt. Und je weniger man investiert und je weniger da in dieses Feld der Kultur- und Kunstarbeit hineingesteckt wird, umso schwieriger wird es auch sein, sich nachhaltig sichtbar bemerkbar zu machen. Da ist einfach ein enormer Verschleiß zu beobachten im Zuge von Linz09 oder im Zuge einer jahrelang oft prekärsten Arbeit in den einzelnen Initiativen. Ich würde einmal sagen, man merkt das am personellen, organisatorischen, räumlichen, baulichen, strukturellen Verschleiß in vielen Organisationen, wo in den letzten Jahren auch die einen oder anderen das Handtuch geschmissen haben, und die wenigsten die Möglichkeit gehabt haben, aus diesem Dilemma herauszukommen. Man hat schon den Eindruck, als würde sich das jetzt einmal analog zu einer allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung mit prekären Beschäftigungsverhältnissen nicht verbessern, sondern im Grunde genommen sukzessive verschlechtern. Die Rahmenbedingungen der Kunst- und Kulturarbeit für die Vielen, die produzierend tätig sind, werden sukzessive schlechter und die Potenziale und Optionen die man hat, werden immer weniger, weil die Aussicht auf Jobs – jetzt einmal abgesehen von Linz09 – in Linz auf jeden Fall katastrophal ist. Ich weiß gar nicht, was die ganzen Leute machen, die an der Kunstuniversität studieren, aber ich kenne es aus dem Medienbereich beispielsweise. Es gibt gar nicht die Aussicht, dass da möglichst großartig viele Jobs entstehen, außerhalb des prekären Feldes.

Linz09 hast du jetzt einige Male angesprochen, in Zusammenhang mit vertaner Chance, hinsichtlich einer infrastrukturellen Erneuerung der nicht-öffentlichen Kunst- und Kultureinrichtungen, der Initiativen. Mich würde ein kurzes Resümee von Linz09 aus deiner Perspektive interessieren, anhand von höchstens drei Punkten. Was war Linz09 noch für dich, neben einer vertanen Chance einer Entwicklung der Freien Szene?

Otto Tremetzberger: Linz09 war sicher ein höchst spannendes, konzentriertes, künstlerisch-kulturelles Angebot, allerdings schon mehr als wie nur ein Angebot, fast schon eine Überdosis an Angeboten. Wenn ich sage, der erste Punkt ist die vertane Chance, großzügig zu sein und ein bisschen etwas zu verteilen, dann wäre der zweite Punkt das Thema Erschöpfung, dass viele Organisationen, sofern sie überhaupt beteiligt waren, im Rahmen der Kulturhauptstadt vermutlich an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit oder teilweise darüber hinaus gegangen sind, und nach 2009 für mich da eine Situation oder der Eindruck entstanden ist, als wäre die Stadt ausgepowert, erschöpft und müde geworden. Entsprechend ist man dann zwangsläufig noch ein bisschen stärker in ein gewisses Loch gefallen. Das war für mich so eine Beobachtung vor allen im Anschluss an Linz09. Und ein dritter Punkt im Zusammenhang mit der Kulturhauptstadt war jetzt explizit – wenn ich einmal das Thema Freie Szene anspreche – die Wahrnehmung, dass der Rückhalt, der politische Rückhalt, der Rückhalt seitens Linz09 als Projekt, als Organisation gefehlt hat, dass der Eindruck entstanden ist, als würde das, was man an Freier Szene in den letzten 10 bis 15 Jahren aufgebaut und entwickelt hat, das Image, die Positionierung, die Potenziale nicht mehr oder nicht mehr entsprechend gewürdigt werden. Also eine gewisse strukturelle Geringschätzung gegenüber der Freien Szene in vielen Kommentaren und Aussagen, das ist ja nicht nur implizit, sondern ganz direkt zur Sprache gekommen von Akteuren von Linz09, dass also eine strukturelle Geringschätzung vieler Freie-Szene-Initiativen und -Akteure stark sichtbar wurde und dass man sich schon immer wieder gefragt hat und fragen musste, ob die Stadt eine wesentliche Säule ihres kulturellen Angebotes entsprechend würdigt und ernst nimmt und ob es da noch ein Interesse gibt, entsprechend zu investieren, ob es da noch positive Erwartungen gibt, ob noch Potenziale gesehen werden oder nicht und ob es Strategien gibt, Maßnahmen gibt, Ansätze gibt, um auch in diesem Bereich in Zukunft noch etwas zu machen oder ob das jetzt langsam entsorgt wird.

Wenn wir uns drei Bereiche in der Stadt ansehen, Hochkultur, Subkultur und Volkskultur, wie würdest du das einschätzen, welchen Stellenwert diese drei Bereiche in der Stadt haben?

Otto Tremetzberger: Hochkultur hat sicher den höchsten Stellenwert, Volkskultur nehme ich persönlich überhaupt nicht wahr, das ist kaum präsent, Subkultur in meinem Verständnis beschreibt so einen eingeschränkten Bereich der Kunst- und Kulturarbeit, oder einen eingeschränkten Aspekt dieser Stadt, dass es so und so schwer wäre, das wahrzunehmen, ein so enger Kreis, aber dafür, dass es nur punktuell so etwas gibt wie eine Subkultur im klassischen Verständnis, ist es doch sehr stark aus meiner Sicht, wird das doch sehr stark wahrgenommen. Was aber meine persönliche Wahrnehmung ist, die konventionelle mediale Wahrnehmung der Subkultur ist sicher stark verbesserungswürdig. Aber dorf tv ist ja unter anderem auch aus dem Aspekt heraus entstanden, blinde Flecken in der Medienlandschaft aufzudecken.

Wenn wir uns künstlerische Disziplinen vor Augen führen, von der bildenden Kunst, Grafik, Malerei, über darstellende Kunst, Tanz Theater, Film, bis zu Fotografie, Musik, Medienkunst, Literatur und so weiter und so fort. Jetzt könnte man mit dem Blick auf Linz sagen, Entwicklungspotenzial ist mehr oder weniger in allen künstlerischen Disziplinen vorhanden. Gibt es irgendwelche künstlerischen Disziplinen, wo du sagen würdest, da wäre besonderes Entwicklungspotenzial vorhanden? Wo du sagen würdest, das liegt eigentlich auf der Hand für die Stadt, das zu entwickeln, da gibt es junge Talente, da gibt es kreative Leute, das würde zur Stadt passen?

Otto Tremetzberger: Ich war immer der Überzeugung, dass es so etwas wie eine Freie Szene, wie es sie in Linz gibt, etwas Einzigartiges ist im Städtevergleich.

Freie Szene ist aber keine Disziplin.

Otto Tremetzberger: Ich verstehe schon, aber es umschreibt doch ein gewisses spartenübergreifendes Kunst- und Kulturverständnis, eine bestimmte Form des Aktionismus, eine bestimmte Form des Organisiertseins, ein bestimmtes kulturelles Angebot, das schwer einer bestimmten Sparte zuzuordnen wäre, aber sich doch in gewisser Weise fast schon wie eine Sparte, mit einem bestimmten Gesicht, mit einer bestimmen Erscheinung, mit einer bestimmten Atmosphäre entwickeln hat können. Möglicherweise kann man es auch als solche verstehen, trotz der Unterschiede innerhalb dieses Feldes. Aber es hat doch auch eine starke, eigenständige Identität im Vergleich zu anderen Städten oder zu dem, was man sich traditioneller Weise unter bildende Kunst oder Literatur oder Medienkunst vorstellt. Dann glaube ich, dass der Medienbereich an sich offenbar in Linz etwas ist, wo sich im Unterschied zu anderen Städten sehr viel getan hat, wobei sich auch im Schatten der Ars Electronica oder im Schatten der offiziellen Medienkunst, neben der offiziellen Medienkunst mit Radio FRO oder mit dorf tv schon Medienprojekte entwickeln konnten, die ein Teil auch der Kunst- und Kulturlandschaft oder – nicht unbedingt im engeren Sinne – einen Teil der Medienkunst darstellen, ein Kulturangebot darstellen. Und als dritter Punkt finde ich aus dem Umfeld meiner bisherigen Arbeit das Potenzial, das sich aus der Kunstuniversität ergibt, viele Leute, die in unterschiedlichen Disziplinen schaffend, produzierend tätig sind, wo man die Frage stellen muss, was nach der Ausbildung, was nach der Kunstuniversität an Optionen, an Möglichkeiten zur Verfügung steht. Da kann man jetzt aber vermutlich schwer von einzelnen Disziplinen reden, sondern eher von einer umfassenderen Strategie, dieses kulturelle und künstlerische Schaffen in irgendeiner Weise in die städtische Kulturpolitik, in das kulturelle und künstlerische Angebot hineinzudenken, stärker zu integrieren.

Vielleicht bewegen wir uns gleich von den Disziplinen weg, du hast es ja schon aufgelöst, diese disziplinäre Zuordnung, mehr in Richtung kulturelle Themen, kulturelle Themenschwerpunkte, kulturpolitische Themenschwerpunkte. Welche kulturpolitischen oder kulturellen Themenschwerpunkte werden es deiner Meinung nach sein, welche die Stadt in Zukunft vor die größten Herausforderungen stellen?

Otto Tremetzberger: Als erstes würde ich einmal grundsätzlich sagen, die Sichtbarkeit, ein riesiges Thema. Die Sichtbarkeit des kulturellen Angebotes, des unterschiedlichen, vielfältigen, kulturellen Angebotes, eine gerechte Sichtbarkeit des kulturellen Angebotes. Wie kann man so etwas herstellen? Und nicht nur, dass einzelne große Spektakel sichtbar sind und alles andere gar nicht wahrgenommen werden kann oder was noch viel schlimmer ist, nur die Spektakel als solche ernst genommen werden und transportiert werden und auf alles andere dann ohnehin schon verzichtet wird. Mit der Sichtbarkeit hängt natürlich der zweite Punkt zusammen, die Frage der Medien. Welche kulturellen Angebote werden wie, in welchem Umfang, mit welcher Qualität medial überhaupt transportiert? Wie können bestehende Angebote, sich selbst medial darzustellen, entsprechend genützt werden, wie Radio FRO oder dorf tv, die – insbesondere Radio FRO – ein unheimlich breites kulturelles Spektrum abdecken, das erstaunlich breit gefächert ist, von Subkultur bis hin zur höchsten Hochkultur, allerdings unterbewertet oder das Potenzial, das dahinter steht, nicht entsprechend genützt werden kann? Gerade der Umfang der kulturellen Inhalte im Programm von Radio FRO stellt jedes andere mediale Angebot in den Schatten. Man muss sich die Frage stellen, wie man dieses Potenzial nützen kann. Das wäre einmal die Sichtbarkeit und die Medien. Den dritten Bereich würde ich mit Perspektiven benennen, Entwicklungsperspektiven. Was kann man anbieten? Was bietet man denn eigentlich an? Was ist das Angebot, sich zu engagieren, kulturell produktiv zu sein? Man muss auch fragen, was man anbietet? Das ist total umfassend. Die Stadt kann zum Beispiel die Öffnung der Häuser anbieten, das ist so ein Thema, oder bestehende Infrastrukturen nutzen, Leerstände etc. Das sind alles Optionen, Angebote, die man den Kunstschaffenden stellen könnte, um die Arbeit zu erleichtern, die Arbeitssituation zu verbessern, Perspektiven zu schaffen. Was kann man anbieten? Was kann man sinnvoll anbieten, um die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen zu erleichtern und um die Möglichkeit zu schaffen, dass da eine Zukunft entsteht in gewisser Weise?

Zu den einzelnen Themenbereichen. Bei Förderung und Finanzierung würde mich als erste Frage interessieren, welche Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten du für dich selbst bzw. für dorf tv nutzt?

Otto Tremetzberger: dorf tv nutzt Bundesförderungen, Stadtförderungen und Projektförderungen, Eigenerlöse aus Kooperationen und Eigeneinnahmen aus dem Workshop-Angebot.

Welche positiven Punkte fallen dir ein im Zusammenhang mit der Förderung von Kunst und Kultur durch die Stadt Linz, sei es jetzt die eigene Einrichtung betreffend oder darüber hinausgehend?

Otto Tremetzberger: In meinem Fall habe ich den Eindruck gehabt, wenn man mit einer überzeugenden Idee gekommen ist oder wenn man wirklich ein Vertrauensverhältnis in das Produkt, an dem man arbeitet, schaffen hat können, war es auch möglich, eine entsprechende Finanzierung aufzutreiben. Immer wenn es irgendwelche Befindlichkeiten und Bedenken und politische Abwägbarkeiten gibt, dann schadet das dem ganzen. Ich habe den Eindruck, wenn man wirklich dahinter ist, dann gibt es eine Chance, ein Projekt auch starten zu können. Aus der reinen Vereinsmeierei heraus lässt sich schwer etwas machen. Ich finde es gut, dass es möglich ist, wenn es ein paar Verrückte gibt, die sich jahrelang mit etwas beschäftigen, dass dann auch etwas daraus werden kann. Sonst hast du überhaupt keinen Grund mehr, dass du dich mit irgendetwas intensiver auseinandersetzt, wenn du eh keine Chance hast, dass es etwas wird.

Abstrahiert von der eigenen Situation, von der eigenen Initiative, von der eigenen Einrichtung, was würdest du noch auf die Plus-Seite schreiben, wenn irgendwo steht: Förderung von Kunst und Kultur durch die Stadt? Gib es irgendwo noch positive Punkte, die dir dazu einfallen?

Otto Tremetzberger: Ich kenne das im Vergleich zu anderen Städten, da ist natürlich die Förderung der Stadt Linz für bestimmte Einrichtungen schon außerordentlich, im Verhältnis jetzt einmal, punktuell auf die einzelnen Ausrichtungen angesprochen natürlich im Unverhältnis. Man kennt ja Beispiele aus Klagenfurt oder aus Innsbruck, wo Linz schon auf einem anderen Niveau fördert, bestimmte Initiativen auf einem anderen Niveau fördert. Das ist sicher ein Ausdruck einer gewissen Offenheit, die Linz auszeichnet.

Inwieweit bist du mit der Vergabe von Kunstwürdigungspreisen und Kunstförderungsstipendien durch die Stadt Linz zufrieden?

Otto Tremetzberger: Damit habe ich mich noch nie beschäftigt. Ich habe mich einmal beworben und habe es nicht erhalten. Solche Preise und Stipendien gehören sicher zu den Bereichen der Kunst- und Kulturförderung, die wahrscheinlich am kompliziertesten sind, die viele Spekulationen auslösen. Da ist es sicher wie bei allen … überall wo Gremien sind, braucht es eine Diskussion darüber, dass sich bestimmte Gremien einfach nicht institutionalisieren, aber auch nicht gleichzeitig völlig fragmentieren sollen.

Also keine permanenten Jurys zum Beispiel, sondern ein ständiger Wechsel?

Otto Tremetzberger: Ja, aber ein Wechsel, der nicht eine völlige Fragmentierung und eine völlige Losgelöstheit von regionalen, lokalen Zusammenhängen bedeutet, sondern vielleicht ein Mittelweg, sofern er nicht ohnehin schon passiert.

Welche besonderen strukturellen Fördermaßnahmen wären deiner Meinung nach in Linz sinnvoll, also im Zusammenhang mit Kunst und Kultur, die nicht nur eine einzelne Einrichtung betreffen?

Otto Tremetzberger: Da fällt mir ad hoc ein Investitionsbudget ein, sozusagen ein Investitionstopf, aus dem man schöpfen kann. Den Gedanken habe ich immer spannend gefunden, eine Investition im Sinne von Anschub, dass Investitionskapital zur Verfügung steht, wobei das ein furchtbar neoliberaler Begriff ist, aber in meinem Verständnis durchaus brauchbar. Das andere sind Investitionen, Erneuerungen, dass einfach gewisse Ressourcenprobleme über einen Investitionstopf vielleicht in den Griff bekommen werden können. Ich kann mich positiv erinnern … wo einmal der Innovationstopf auch für Investitionen, glaube ich, und Entschuldung gedacht war. Sonst ist es ja nicht so einfach, Investitionskohle zu bekommen. Vielleicht gibt es das eh in der Budgetierung der Stadt, aber sicher nicht irgendwo explizit ausgeschrieben. Also Anreize zur Weiterentwicklung schaffen dadurch.

Der zweite Themenbereich: Neue Infrastruktur, neue Formate. Wie beurteilst du die vorhandene kulturelle Infrastruktur in Linz? Inwieweit siehst du noch quantitativen oder qualitativen Ausbaubedarf?

Otto Tremetzberger: Offenbar gibt es einen Bedarf nach Produktionsmöglichkeiten. Es entstehen ja immer wieder neue Initiativen, teilweise temporär, und es wird immer wieder irgendwo etwas getan. Das heißt, da gibt es offenbar ein starkes Interesse von Einzelnen oder selbstorganisierten Gruppen, die von vielen wahrscheinlich auch aus der etablierten Freien Szene gar nicht so sehr wahrgenommen werden, mit denen man sich einmal beschäftigen müsste, die nächste Generation, eine neue Generation von Kunst- und Kulturschaffenden, die bestimmte Voraussetzungen und Rahmenbedingungen brauchen, Förderinstrumente brauchen, Orte brauchen, die es bisher nicht gibt. Mit dem muss man sich einmal beschäftigen, mit dieser neuen, mit dieser nächsten Generation, umfassend beschäftigen, software- und hardwaremäßig. Die andere Geschichte ist, man muss sich auch mit dem beschäftigen, was es schon gibt und sich intensiver damit auseinandersetzen. Ich nehme einmal an, dass das Feld, um das es da geht, nicht sonderlich groß ist. Da geht es ja um ein paar Dutzend Initiativen und Einrichtungen, die überhaupt Kulturförderungen bekommen. Das heißt, sich mit denen intensiver auseinanderzusetzen, was sie brauchen oder wie dort die Entwicklungen sind, wie dort die Perspektiven sind, oder eben nicht sind, das kann nicht so aufwändig sein. Ich meine, man kann durchaus einmal hergehen und mit der Initiative XY sich zusammensetzen und sich überlegen, wo geht es eigentlich hin die nächsten fünf Jahre? Geht es noch überhaupt irgendwo hin? Braucht es etwas oder braucht es etwas nicht? Braucht es einen Impuls, braucht es eine Neuentwicklung, eine Neuausrichtung? Oder gibt es Projekte, die vielleicht verschwinden werden über kurz oder lang? Das kann man ja eigentlich nicht über den Kamm scheren, sondern wenn, dann muss man sich wirklich individuell mit dem Feld beschäftigen.

Wie sieht es aus mit einer bestimmten Seite der so genannten Software? Mit Formaten, Festivals, Biennalen? Es gibt ja eine ganze Reihe von Festivals, nextComic, Crossing Europe, dazu die eher populären Formate der Stadt wie Pflasterspektakel oder LinzFest, die Ars Electronica, das Brucknerfest und so weiter und so fort. Sind das schon zu viele, ist das genau richtig oder sind es zu wenige deiner Meinung nach?

Otto Tremetzberger: Das entspricht einmal allgemein der Tendenz, so nehme ich das wahr, nicht nur aus dem Kontext Linz, dass laufende Arbeit, täglich eine kleine Veranstaltung oder einmal in der Woche eine Veranstaltung oder ein Konzert oder was weiß ich oder laufende Ausstellungen im Verhältnis zu einem Spektakel, das nur zwei Tage dauert, seltsamerweise kaum oder wenig wahrgenommen wird und dass die absurde Situation ist, wenn man garantiert, dass man einmal auf den Tisch haut und man ein Spektakel macht, dass man von der Politik … oder dass man in dieser ganzen Konkurrenz um Aufmerksamkeit besser aussteigen würde als wenn man für eine laufende kulturelle Arbeit steht. Das halte ich für höchst problematisch, weil es dazu führt, dass abseits der Festivals und der Spektakel tendenziell kaum mehr etwas wahrgenommen oder wertgeschätzt wird, aber gleichzeitig entspricht es einfach einer gewissen medialen Logik, die man nicht so einfach vom Tisch wischen kann, mit der man sich auch beschäftigen muss und entsprechend eigene Formate entwickeln wird müssen, um unter Umständen das, was sonst nicht sichtbar wird, vielleicht im Rahmen von Festivals stärker in die Öffentlichkeit zu bringen, was ja mit einem Festival der Regionen durchaus im Sinne des lokalen, regionalen Kulturschaffens auch immer passiert. Und man sollte das Festivalfeld nicht nur den ganz Großen überlassen, sondern man kann auch durchaus mit dem Format mehr machen.

Festival der Regionen ist ein gutes Beispiel. Sind dir vielleicht in dem Zusammenhang irgendwie Formate aus anderen Städten untergekommen, ohne das jetzt mit Copy and Paste zu machen, wo du dir schon einmal gedacht hast, warum so etwas nicht in Linz passiert?

Otto Tremetzberger: Da fällt mir jetzt nichts ein, es passiert ja eh so viel in Linz.

Letzter Themenbereich: Neue Medien, Freie Medien, Open Source, Open Commons. Wie du weißt sind im alten Kulturentwicklungsplan Neue Medien und Technologien als einer der Hauptschwerpunkte der kulturellen Entwicklung festgeschrieben. Inwieweit ist die Stadt deiner Meinung nach diesem Schwerpunkt gerecht geworden?

Otto Tremetzberger: In gewisser Weise schon, wobei das, wie ich schon gesagt habe, möglicherweise eher auf Akteure zurückzuführen ist oder wirklich besonders – auch im österreichischen Vergleich – engagierte Gruppen wie Radio FRO, als wie von der anderen Seite kommend. Nicht umsonst hat Radio FRO die Medienpolitik nicht nur in Linz nachhaltig geprägt in den letzten zehn Jahren. Analog dazu, wenn es um den Medienbereich geht, kann man das bei dorf tv auch sagen, wobei man sowohl bei Radio FRO als auch bei dorf tv auf der anderen Seite entsprechende Ansprechpersonen gefunden hat, um solche Projekte dann auch realisieren zu können. Nach wie vor gibt es allerdings einen Handlungsbedarf, da etwas zu tun, weil ja die Problematik, dass vieles medial nicht reflektiert und wahrgenommen wird, sich eigentlich immer mehr verschärft, vor allen Dingen weil immer mehr sichtbar wird, wie unverschämt eigentlich in den Medien gearbeitet wird und die Kommerzialisierung voranschreitet. Das klingt wie ein Begriff, der schon längst veraltet ist, aber wenn man die Tages- und Wochenzeitungen, die es in Linz gibt, aufschlägt, staunt man jedes mal aufs Neue, wie billig und berechenbar da eigentlich Medien arbeiten und wie viele blinde Flecken es da nach wie vor gibt und wie wenig wirklich reflektierte Auseinandersetzung stattfindet und an wie wenigen Orten diese reflektierte Auseinandersetzung stattfindet und wie notwenig es ist, da Maßnahmen und Strategien zu entwickeln auf unterschiedlichen Ebenen. Creative Commons, Open Commons, Open Government aber genauso Freie Radios, dorf TV etc. Das ist ein ganzer Mix an Plattformen und Handlungsmöglichkeiten, die da offen stehen, die man einfach strategisch, taktisch auch, überlegen müsste, wo es noch sehr viel Handlungsbedarf gibt, weil die Mediensituation wird sich nicht sonderlich verbessern, es sei denn man schafft dafür die Voraussetzungen.

Weil du es angesprochen hast, Open Commons, die Initiative der Stadt Linz. Wie schätzt du da die Beteiligungsmöglichkeiten für Kunst und -Kultureinrichtungen an dieser Initiative ein? ist dir da irgendetwas aufgefallen?

Otto Tremetzberger: Das ist ja noch eine relativ junge Entwicklung und die braucht vermutlich noch eine ganze Reihe an Schnittstellen in das Feld der Kunst- und Kulturschaffenden, um als Angebot stärker wahrgenommen werden zu können. Wobei ich aus unserer Erfahrung heraus bei dorf tv schon sehe, dass die Arbeit mit Open Source beispielsweise in manchen Bereichen schon fast zwingend ist, weil einerseits bestehende Technologien oder Software gar nicht leistbar ist und andererseits für die eigene Arbeit auch gar nicht brauchbar. Das heißt, man muss da Initiativen setzen und man muss sich mit dem Thema beschäftigen, man muss Voraussetzungen schaffen, dass kreativ und sinnvoll damit gearbeitet werden kann und man muss das auch mit einem politischen Hintergrund betrachten, aus einer politischen Perspektive heraus unabhängig zu sein von kommerziellen Interessen so weit wie möglich.

Ich würde gerne noch einmal auf einen Punkt näher eingehen, auf die Neuen Medien in Linz. Wo würdest du sagen, sind Stärken im Bereich der Neuen Medien in Linz und wo Schwächen? Bei den Stärken kann man dazuschreiben, das was du vorher bereits gesagt hast, diese selbstorganisierten Initiativen, wo es an den Personen liegt, die etwas weiterbringen, sei es jetzt im Bereich der Radios oder im Bereich des Fernsehens. Was würde dir sonst noch einfallen?

Otto Tremetzberger: Was meinst du mit Neue Medien konkret?

Unter den Neuen Medien fasse ich vom Radio angefangen übers Fernsehen bis zum Internet alle neueren medialen Formen, das meint jetzt nicht nur das Internet. Ich verwende hier bewusst einen breiteren Begriff.

Otto Tremetzberger: In gewisser Weise hat natürlich das Medienthema die Ars Electronica gepachtet. Wenn es um Medien geht, liegt der Scheinwerfer auf der Ars Electronica, wobei dort natürlich eine intensive entwicklerische und technische Auseinandersetzung mit dem Themenbereich passiert, allerdings sicher die Schnittstellen in die Stadt hinein, abgesehen vom vielen Publikum, noch durchaus überlegenswert wären, dass quasi im Schatten der Ars Electronica andere Projekte, die sich ebenfalls innovativ, kreativ und zeitgemäß mit Medien auseinandersetzen eher unter den Tisch fallen. Das ist zwangsläufig der Fall, wobei die Ars Electronica einfach in der Vergangenheit da immer wieder Möglichkeiten geschaffen hat, um sich zu positionieren und auch wahrgenommen zu werden. Das ist jetzt durchaus eine gewinnende Zusammenarbeit. Aber mir fehlt schon explizit bei den Neuen Medien, die mir bekannt sind, der stärkere Zugang zur Öffentlichkeit und ich glaube, dass es da durchaus einige Ansätze gäbe, um das irgendwie stärker zu transportieren, aber in einer Medienöffentlichkeit. Wenn das, was in der Öffentlichkeit transportiert wird, immer nur das ist, was bezahlt wird oder das ist, was bestimmten politischen Vorlieben entspricht oder was in bestimmte Ressorts gerade hineinpasst, dann werden freie Medienprojekte halt tendenziell immer unter den Tisch fallen. Aber ich habe jetzt auch keine Antwort und keine Strategie darauf, wie das gehen könnte. Konkret bei Radio FRO habe ich mir schon sehr oft auch überlegt, was könnte zum Beispiel eine Stadt machen, um solche Projekte stärker sichtbar zu machen? Da gäbe es sicher, genauso wie bei vielen anderen initiativen in der Stadt, auch Möglichkeiten und die gehen über Förderungen weit hinaus. Da müsste einmal jemand kreativ sein.

Weil sonst ja viel Potenzial verloren geht. Vielleicht kannst du es noch einmal umreißen oder auf den Punkt bringen, das besondere Entwicklungspotenzial, das du in den freien Medien in Linz siehst.

Otto Tremetzberger: Meiner Ansicht nach, im Unterschied zu anderen Medieninitiativen, die mir bekannt sind, liegt das Potenzial bei Radio FRO oder bei dorf tv schon sehr stark darin, dass es dabei um Projekte geht, die explizit darauf drängen, sichtbar zu sein, wahrgenommen zu werden, relevant zu sein und – wo Radio FRO doch auch schon ein Projekt ist, das es mehr als zehn Jahre gibt – doch im Verhältnis immer innovativ sind, immer auf der Suche sind nach Möglichkeiten, Perspektiven, Wegen und leider oft durch fehlende Ressourcen, das, was sie leisten oder leisten können, zu wenig wahrgenommen wird. Ganz besonders ist das so, das ist auffallend, wenn man sich ansieht, in welcher Weise das Angebot auf Radio FRO reflektiert wird, in welcher Weise die Stadt Linz mit allen ihren Facetten auf Radio FRO reflektiert, diskutiert wird und wie wenig das eigentlich im Verhältnis wahrgenommen wird, möglicherweise wahrgenommen wird. Da denke ich, sind die freien Medien in Linz … gehören nicht umsonst zu den wenigen Initiativen im freien Medienbereich, die es überhaupt noch gibt und die einfach nachhaltige Politik gemacht haben auf Bundesebene. Ohne die freien Medien in Linz gäbe es wahrscheinlich keine Bundesförderung in dieser Form, wie es sie derzeit gibt. Es gäbe auch ohne die freien Medien in Linz keine freien Radios außerhalb von Linz in Oberösterreich. Das spricht schon dafür, dass da ein unheimliches Entwicklungspotenzial drinnen steckt und dass die Entwicklungen auch noch nicht abgeschlossen sind.

Ein schöner Schlusspunkt. Danke für Antworten. Ist dir noch irgendetwas abgegangen? Willst du noch irgendetwas mitteilen?

Otto Tremetzberger: Eine Fragestellung, die ich total spannend finde in der Auseinandersetzung mit dem kulturellen Angebot, ist jene der Evaluation. Das ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite ist es notwendig, sich das kulturelle Angebot anzuschauen und entsprechend zu „evaluieren“, weil man muss sich natürlich die Frage stellen, ob bestimmte Kulturangebote überhaupt noch zeitgemäß sind bzw. ob die Art und Weise, wie bestimmte Kulturangebote organisiert werden überhaupt noch zeitgemäß sind. Zum Beispiel deswegen, weil in dem Moment, wo etwas entsteht, die Politik auch deswegen auf der Bremse steht, weil alles, was entsteht nicht, mehr „weg geht“. Dadurch entsteht dann wieder gar nichts. Wenn ich die Angst habe, dass aus jeder selbstorganisierten Initiative eine Stadtwerkstatt wird, die dann ein 30-jähriges Jubiläum feiert, dann wird sich nichts entwickeln können. Das heißt, man muss sich schon auch einmal fragen, wie kann man Kulturförderung organisieren oder wie kann ein Kulturangebot überhaupt zeitgemäß organisiert und strukturiert werden, und wie kann man dem auch gerecht werden? Welche Bilder sind da überhaupt noch relevant, welche Vorstellungen, wie Kulturarbeit aussehen kann? Und wie kann man diese Kulturarbeit dann entsprechen unterstützen? Die andere Seite dieses Schwertes ist, wenn man bestimmte Angebote evaluiert, in dem Fall konkret Angebote zum Beispiel aus der Freien Szene, dann darf man nicht dem Wahn verfallen, dass plötzlich alles innovativ und zeitgemäß und modern und zukunftsträchtig sein muss und würde man gleichzeitig in die Institutionen gehen, in die großen Landeseinrichtungen oder ins Magistrat, würde sich plötzlich keiner mehr fragen, ob das alles zeitgemäß ist. Es muss auch etwas nicht zeitgemäß sein können und es muss auch etwas nicht zukunftsträchtig und nicht modern sein können. Der Modernisierungswahn muss immer im Verhältnis zu dem stehen, wie modern und zeitgemäß etwas ist, wenn man etwa in die Tiefe geht bei den Strukturen in den öffentlichen Einrichtungen. Es muss nicht jeder Kulturverein plötzlich 120%ige Innovation nachweisen können, das stünde in keinem Verhältnis mehr zur Verwaltung. Aber man soll sich schon überlegen, in welcher Form das, was passiert, noch zeitgemäß sein kann.

Danke. Fällt dir noch irgendetwas Wichtiges für die Erstellung des neuen Kulturentwicklungsplans ein?

Otto Tremetzberger: Ich finde schon, dass der Kulturentwicklungsplan anders umgesetzt werden müsste als es das Land Oberösterreich vor zwei Jahren gemacht hat Jahren, wo das mehr oder weniger sang- und klanglos verschwunden ist. Sollte diese Arbeit von der Steuerungsgruppe irgendwann einmal in die politische Ebene kommen, dass das dann nicht versickert oder verwässert wird und dann plötzlich zensuriert auftaucht, sage ich einmal. Das soll schon recht mutig bleiben, finde ich.

Danke.

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