Gernot Kremser

Geburtsjahr und Geburtsort?

Gernot Kremser: 1971 in Linz.

Und du lebst in Linz?

Gernot Kremser: Ich lebe in Linz.

Seit wann?

Gernot Kremser: Seit jetzt wieder ungefähr zwölf Jahren.

Welche kunst- und kulturbezogenen Aktivitäten und Funktionen übst du derzeit aus?

Gernot Kremser: Die Leitung der Musik im Posthof.

Andere Funktionen, in Gremien, Beiräten, irgendetwas in diese Richtung?

Gernot Kremser: Nein, überhaupt nicht.

Wie würdest du die eigene Tätigkeit am ehesten bezeichnen?

Gernot Kremser: Das ist jetzt natürlich eine umfangreiche Tätigkeit im Posthof. Das ist nicht nur die Musik im Posthof, sondern es ist auch die Administration, die Vernetzung zu anderen Kultureinrichtungen in der Stadt. Man darf sich das jetzt nicht so vorstellen, dass man nur die Musik programmiert, sondern es ist eigentlich mehr. Aber man kann es schon auf den Punkt bringen mit Leitung der Musik.

Zum Posthof. Welche Zielgruppen werden durch die Arbeit besonders angesprochen?

Gernot Kremser: Der Posthof hat von seiner Entwicklung her, von wo er her kommt, als Rockhaus oder von der Rockhaus-Bewegung, immer die Aufgabe gehabt, den Leuten, die gerade auch in ihrer Identifikationsphase oder Identitätssuche sind, Projektionsflächen zu bieten. Und da ist die Popmusik eine emotionale Qualität, die immer da war, oder auch die Rockmusik, das Reiben an der Gesellschaft, der Diskurs bestimmter Themen. Wir leben jetzt aber in einer Zeit, in der das nicht mehr ein Privileg der Jugend ist, also der ganz der Jungen, sondern das ist durchlässig. Das heißt, es kann sich ein 40-, 50- oder 60-Jähriger genauso für Popmusik oder Rockmusik interessieren wie ein Junger. Grundsätzlich sehe ich die Aufgabe darin, hier ein Angebot zu finden, das möglichst viele Leute interessiert, das sich an gesellschaftlichen Themen reiben kann und gleichzeitig auch unterhalten kann. Das ist ein ganz ein großer Spagat, den man mit einem Haus wie dem Posthof im Angebot machen kann.

Auf welchen geografischen Wirkungsbereich zielt die Arbeit in erster Linie ab?

Gernot Kremser: Ich würde eigentlich Oberösterreich sagen. Linz plus 150 km auf jeden Fall.

In welchen künstlerischen Disziplinen bzw. kulturellen Arbeitsfeldern ist der Posthof hauptsächlich tätig?

Gernot Kremser: Der Posthof hat aus seiner Entwicklung heraus zwei Standbeine. Das eine ist die Musik, wo er auch herkommt, wo er sehr stark ist, wo die Besucheranzahl auch sehr stark ist. Und das zweite Standbein ist die Kleinkunst, Theater, Tanz, Literatur, Kabarett. Hier haben wir auch die Aufteilung in die Altersschichten, die ganz klar irgendwie da ist. Das heißt, die Musik ist im Grundstock jünger und der Bereich Kleinkunst ist jetzt unter Anführungszeichen ein bisschen ein konservativeres Publikum, das auch deckungsgleich mit anderen Häusern ist.

Und der Aufbruch zu neuen Disziplin, wo erkennst du da Haken, die geschlagen werden müssen?

Gernot Kremser: Ich glaube, das ist auch eine der Chancen und Möglichkeiten des Posthofs, die ich in der Zukunft sehe und weniger jetzt in der Vergangenheit oder der kürzeren Vergangenheit. Ich glaube, dass sich interdisziplinär in Verbindung mit anderen Häusern und anderen Angeboten viele Sachen noch realisieren lassen werden. Das ist halt, was man aktiv jetzt angehen muss und wo man dabei bleiben muss. Also aus diesem klassischen Angebotsschema, das sich so entwickelt hat, das man auch aus anderen Häusern oder anderen Städten kennt, dass man da darüber hinausgeht.

Gibt es in Bezug auf die vorhandene räumliche und technische Infrastruktur aktuell einen Handlungsbedarf, d. h. den Wunsch nach quantitativer Erweiterung oder qualitativer Verbesserung?

Gernot Kremser: Vom technischen Bereich sind wir sehr gut aufgestellt. Es gibt immer wieder neue Gadgets, neue Features, die man noch möchte, die angefordert werden. Das ist aber einfach nur ein Fortschritt der Technik. Im Grunde sind wir da sehr, sehr gut ausgestattet.

Und vom räumlichen? Der Bedarf nach Proberäumen beispielsweise?

Gernot Kremser: Die Probenraumsituation, so wie sie sich für mich in der kurzen Zeit darstellt, ist, wir haben Proberäume da. Der Schlüssel, wie diese Proberäume vergeben werden, muss neu überdacht werden. Da muss es vielleicht einen größeren Durchlauf geben, dass die Leute öfters wechseln, dass man sich das genau ansieht, welche Musiksparten, welche Musikgenres sind da vertreten. Dass das nicht nur ein Genre ist, sondern dass das vielleicht auch in den verschiedenen Spielarten der Musik sich besser darstellt und dass da eine gegenseitige Interessenbefruchtung ist. Dass es da etwas gibt, was sich vielleicht zum einen reibt und zum anderen vielleicht auch etwas anderes hervorbringt.

Und mehr Proberäume?

Gernot Kremser: Das wäre wünschenswert, grundsätzlich auf jeden Fall, weil das ja auch eine der Grundausrichtungen des Posthofs war, dass man nicht nur die Musik reinholt von anderswo, sondern dass man den Leuten die Möglichkeit gibt, hier aufzutreten und hier Musik zu machen und auch zu proben. Das war halt eine der Grundforderungen und das ist schon sehr, sehr wichtig.

Über die kulturelle Entwicklung, Situation und Zukunft von Linz. Ein kurzes Assoziationsspiel: Welche Begriffe fallen dir ein, wenn du an „Kulturstadt Linz“ denkst?

Gernot Kremser: Ich würde aus der Hüfte geschossen sofort sagen, die Verbindung zwischen Hochkultur, eines in Linz nicht vorhandenen Bürgertums und einer in der Vergangenheit sehr aktiven Freien Szene. Also dieser Spannungsbogen. Ich würde mir wünschen, dass das noch viel näher zusammen rückt und viel näher nebeneinander ist. Die Nachbarschaft, die ja da ist, viel bewusster machen, dass eben ein Phönix neben dem Brucknerhaus steht. Oder eine KAPU neben der Ars Electronica und so weiter. Das ist ja de facto so, es ist halt oft nicht so gedacht. Und das ist es, wofür Linz steht, was für Linz auch aus meiner Sicht die große Chance ist. Man hat das auch bei Linz09 sehr gut gesehen, gerade diese Reibungsfläche, aus diesem nicht akzeptiert sein, etwas Eigenes machen und auf das eigene Tun und Können vertrauen, daraus etwas zu machen. Und das ist es, auf den ersten Blick für mich, was Linz ausmacht, oder was die große Chance ist und das große Potenzial.

Jetzt bist du seit zwölf Jahren in der Stadt. Wenn du die letzten zehn Jahre, also die Jahre 2000 bis 2010, betrachtest: Was lief deiner Meinung nach besonders gut in der kulturellen Entwicklung der Stadt?

Gernot Kremser: Was recht gut gelaufen ist, das wäre … ich unterscheide da zwischen der Außenwahrnehmung und der Innenwahrnehmung, dass wenn ich … ich bin sehr viel ins Ausland gekommen und dass ich draußen ein extrem gutes Feedback auf Linz bekommen habe. Wobei die Ars Electronica immer genannt wurde als großer, innovativer, progressiver Part, der Linz einfach einen Namen gegeben hat im Kulturbereich. Das war schon, wie ich noch in Wels gelebt habe so und das hat sich eigentlich immer stärker verdichtet. Und das war in der Eigenwahrnehmung der Linzer, so wie ich es gespürt habe, nicht so stark wie außen. Diese Verbindung, die immer stärker geworden ist. Was ich gemerkt habe, jetzt natürlich durch die Kulturhauptstadt, weniger im Kulturhauptstadtjahr selbst, sondern in dem Jahr danach und auch im jetzigen, dass die Leute eine irrsinnige Lust bekommen haben, zu rezipieren, sich Dinge anzusehen. Ich habe das halt gerade in meinem Wirkungsbereich gemerkt, dass da Zuwächse waren, die ganz erstaunlich sind. Das kann natürlich sein, dass das Programm plötzlich so interessant geworden ist, aber ich glaube das nicht, sondern ich glaube, dass das ein Bewusstmachen war, dass man nicht nur vorm Fernseher sitzen kann, sondern dass man sich auch auseinandersetzen kann mit dem Angebot, dass wir haben und nicht nur schauen, was ist in München, in Wien oder anderswo.

Das Interesse der Publikums ist also gestiegen, quer durch die Bank würdest du sagen oder ist es auffällig, dass eine Altersschicht oder ein bestimmtes Milieu auf einmal mehr Interesse hat?

Gernot Kremser: Es müssen ganz offensichtlich Milieus oder Szenen oder Leute angesprochen worden sein, die vorher nicht konsumiert haben. Ja, konsumiert. Aber die Dinge besucht haben und die auch über den Höhenrausch und über so Schlaglichter und Mainstream-Dinge hinweg ein Interesse haben und mir ist das aufgefallen bei den vielen, einzelnen Veranstaltungen im Jahr 2009, dass plötzlich Besucherschichten angesprochen worden sind, die vorher nicht da waren. Und das hat man ganz gut ausmachen können, wenn man sich viel angesehen hat, und das habe ich, dass dort Leute waren, die du sonst nie gesehen hast die Jahre zuvor. Das ist eine Veränderung, die extrem positiv ist und die sehr wirksam ist und von der wir alle etwas haben jetzt.

Und mit welchen kulturellen Entwicklungen der letzten zehn Jahre bist du überhaupt nicht zufrieden?

Gernot Kremser: Ich komme ja aus dem Kommunikationsbereich. Was mich wirklich stört, ist genau dieses Potenzial, das Linz hat, diese Unterschiedlichkeit der Institutionen, der Vereine, von den kleinen bis zu den großen, dass die schlecht kommuniziert werden. Dass die nicht eine Plattform haben wie ein Kulturmagazin. Es hat zwar die verschiedensten Bestrebungen gegeben, von spotsZ bis zum neuner bis zu einem „Was ist los?“, die Bandbreite ist da sehr groß. Aber der geschickte Mix, der glaubwürdig und kompetent das zusammenführt, den hat es für mich einfach nicht gegeben und ich glaube, dass das auch ganz, ganz wichtig wäre.

Wieso funktioniert das nicht? Es gibt ja immer wieder Szenemagazine, auch das Posthofmagazin für das Haus hier. Der neuner hat es auch nicht geschafft, der war natürlich sehr Linz09-spezifisch. An was liegt das, glaubst du?

Gernot Kremser: Ich glaube, dass es immer schwieriger ist, wenn du einerseits verschiedene Häuser hast und jeder hat sein Kommunikationsmittel und man steckt halt Geld rein und wir haben ja alle nicht soviel Geld und dann ist das Geld wieder eher weniger. Jeder möchte natürlich sein Kommunikationsmittel, sein Magazin, seine Flyer, seine Broschüren behalten und wenn es so ein gemeinsames Magazin gäbe, dann muss halt jeder ein bisschen etwas einzahlen, oder halt dann ein Inserat wie es bei spotsZ war. Das ist der eine Teil, dass halt keiner von seinem Geld ein bisschen was hergeben möchte oder dass alles so knapp kalkuliert ist. Und da müsste jetzt entweder der Tourismus, die Stadt oder ein Sponsor auftreten. Das ist der eine Teil. Und der andere Teil ist, dass es immer eine Art Integrationsfiguren braucht, die halt mit allen Bereichen, also es redet sich so leicht … die müssen alle zusammenhalten und die sind alle Nachbarn und das ist ein Angebot aus dem man schöpfen kann. Nur, es braucht halt Leute, die beide Seiten verstehen und damit umgehen können und so ein gemeinsames Magazin entstehen lassen können. Da hast du dann nur ein Titelbild, ein Titelblatt, eine Titelgeschichte und du hast nur so und so viele Seiten und jedem ist das Seine das Wichtigste. Da braucht man sehr viel Diplomatie. Und das spotsZ war ein sehr gutes Beispiel, das sich eigentlich dem angenähert hat, aber auch nie den Schritt gewagt hat, ein paar größere Mainstreams mit hinein zunehmen. Und bei größeren Häusern zwar kritisch und aus einem anderen Licht war, aber doch … ich habe mit ihnen lange geredet und viele Diskussionen gehabt und als sie es dann geschafft haben eigentlich, dass sie sehr viele Inserenten aus den großen Institutionen da rein bekommen haben, Landestheater, Landesmuseen oder Brucknerhaus hat in der Zeitung etwas gebracht, dann ist irgendwann einmal das Geld ausgegangen. Und die Leute haben dann weniger gemacht. Also diese zwei Faktoren sind, glaube ich … man merkt, es gibt ein Tourismusmagazin, das „Linz verändert“. Das kommt über eine ganz andere Ecke und vermittelt auch die Inhalte, die den Kulturinstitutionen inne sind, die sie haben. Auf eine Art und Weise, wo man vielleicht glaubt, das kommt nicht so an, oder da bleibt nicht soviel übrig oder es ist ein extremer Streuverlust da. Und da ist jetzt die Frage, wer das in die Hand nimmt und ob das die Stadt ist, die so etwas aufbaut. Es braucht auf jeden Fall so eine Integrationsfigur, die das von Außen macht und nicht ein Haus, das dann für alle übernimmt.

Womit kann Linz deiner Meinung nach im österreichischen Städtewettbewerb punkten, vor allem im Vergleich zu ähnlich großen Städten wie Graz, Salzburg oder Innsbruck?

Gernot Kremser: Was der Vorteil im Vergleich zu Salzburg ist, dass Linz immer viel moderner war, dass es jetzt nicht so eine Musiktradition und Vergangenheit gibt. Auch wenn wir jetzt ein Musiktheater bauen. Wir haben diese ganze Last und diese Tradition nicht so in der Vergangenheit, sondern im Jetzt und in der Zukunft. Nicht umsonst ist unser Image das der Ars Electronica. Unser Image ist ein … wenn es jetzt im Popkulturellen, Historischen ist, sind das eher die Hardcore-Bands der 1990er-Jahre, der 1980er-Jahre. Das ist etwas, wo du viel beweglicher bist, viel flexibler bist und auch viel zeitgenössischer sein kannst und das ist eine Chance auch für Linz.

Glaubst du, provokativ gefragt, dass die Ars Electronica der Mozart von Linz ist? Also im Vergleich zu Salzburg, wo oft die Reaktion kommt, dass neben der Hochkultur, der wirklichen Hochkultur, Festspiele etc., kein Platz mehr für etwas anderes ist. Das ist jetzt natürlich verengt, dass das nur die Ars Electronica wäre, aber vielleicht sagt man nur, dass in Linz die Tradition nicht da ist, aber trotzdem gar nicht mehr so viel Platz für Neues ist, weil auch schon viel verbaut, verstellt ist. Oder hast du schon noch das Gefühl, dass man genügend Freiraum für Neues hat?

Gernot Kremser: Es ist ja sehr oft so, wenn man solche jungen Traditionen hat oder solche Häuser, die nicht nur sehr viel Aufmerksamkeit binden, sondern auch sehr viel Geld und Zuwendungen und Subventionen binden, dass aus dem heraus dann nicht mehr viel Platz ist, anderen Geld zu geben. Das ist eine gegebene Situation, die natürlich für Vereine und neue Dinge schwierig ist. Da gebe ich dir auf jeden Fall Recht, das ist eine Tatsache. Das ist so. Da hast du natürlich einen übermächtigen Großen, der modern ist und zukunftsgerichtet und wo sich viel Neues tut und der auch seine Mitarbeiter aus der Freien Szene immer übernimmt und nimmt, weil er halt einfach ein Geber ist und ein Arbeitgeber ist. Aber auch wieder etwas zurückgibt. Auch dadurch, dass er, und wir kennen das ja alle sehr gut aus eigener Erfahrung oder aus dem Freundeskreis, ihnen die Möglichkeit gibt, in ihrem Bereich oder in einem ähnlichen Bereich zu arbeiten, gibt er ja wieder etwas zurück, dass die eine Grundlage haben, auch wieder was eigenes zu machen.

Inwieweit denkst du, dass Linz international als Kulturstadt wahrgenommen wird? Und welche geografische Reichweite hat die internationale Wahrnehmung deiner Meinung nach?

Gernot Kremser: Da war eh ein Prüfstein oder ein Experiment die Kulturhauptstadt. Mehr kannst du eh nicht mehr tun in dem Bereich, wo du eine Wahrnehmung generieren kannst oder wo du dich ein bisschen rühren kannst und mit finanziellen Mitteln Aufmerksamkeit erregen, ob das PR oder Angebot oder sonstige Dinge sind. Und da ist es teilweise schon schwierig, dass man da … zum einen habe ich gemerkt, dass du da schon in Wien nicht angekommen bist, dass da eine Mauer war. Das hat aber auch mit dem Gefälle zu tun, Wasserkopfhauptstadt gegenüber Provinz, also ein bisschen eine Arroganz oder gewisse Scheuklappen, nachdem die Leute schon nicht nach Krems fahren zum Donaufestival, warum sollten sie dann nach Linz kommen? Das interessierte Publikum, glaube ich schon, dass es teilweise Linz wahrgenommen hat. Der Tourismus hat ja auch immer von Zuwachs an ausländischen Besuchern und Touristen gesprochen, also dass da schon eine größere Wahrnehmung da war. Das glaube ich schon. Als Kulturstandort glaube ich … komme ich wieder auf die Ars Electronica, die ist wahrscheinlich die Spitze des Eisbergs, die rausschaut und die Leute bemerken. Und wenn sie dann da sind, dann merken sie, dass da eigentlich viel, viel mehr wäre. Also ich habe sehr viele Journalisten da gehabt während Linz09, mit denen ich ein bisschen Linz angesehen habe und die waren sehr erstaunt und sehr verblüfft und haben den Vergleich zu Städten wie Bilbao gezogen, die auch aus einer ähnlichen oder viel schlimmeren Struktur gekommen sind, aus einem Industriestandort, der total verweist war, wo man ein ähnliches Setting hat, mit einem Fluss und einem Hausberg oben und einem halt ungleich größeren Museum, aber irgendwie vergleichbar. Da braucht sich Linz im Grunde genommen überhaupt nicht verstecken. Da haben wir ein extremes Angebot, wenn ich mir das ansehe zwischen Brucknerhaus, Lentos, Ars Electronica, Schloss, für die Konzerte natürlich der Posthof bis eben zu KAPU, Stadtwerkstatt, Phönix, OK. Wir haben da eine ganz große Dichte. Die Frage ist nur, wie weit kann man das nach Außen kommunizieren, wie weit kommt das auch wo anders an. Wenn die Leute dann da sind, sind sie immer sehr, sehr begeistert. Also das Feedback, das ich habe …

Beschreib bitte dein Resümee von Linz09 anhand von drei Punkten. Linz 09 war für dich …

Gernot Kremser: Jeden Abend ein neues Abenteuer, ein extrem tolles Angebot für den Kulturinteressierten, für den Interessierten sensationell. Es war nicht alles toll, muss auch nicht alles toll sein, kann auch nicht alles toll sein. Das ist einfach fein, wenn es soviel Angebot gibt. Ein großer Genuss. Natürlich mit vielen Nebengeräuschen und persönlichen Erlebnissen, die nicht so klasse waren, aber halt sehr zugeschnitten auf ein Publikum, das interessiert ist. Das Reinlocken hat nur manchmal funktioniert. Und was mich wirklich gestört hat, war, dass die Popkultur völlig ausgeklammert war, dass das im musikalischen Bereich keine Nummer war, dass es da überhaupt nichts gegeben hat. Aber das ist halt eine programmatische Entscheidung. Das hat mir irgendwie extrem gefehlt. Da hat man sich einfach nichts einfallen lassen. Und das ist natürlich eine Chance, wo ich halt einen großen Publikumsanteil, wo ich die einfach im Regen stehen lasse.

Wie schätzt du eigentlich das Verhältnis von Hochkultur – Subkultur – Volkskultur in Linz ein?

Gernot Kremser: Ich habe das Gefühl, dass die Stadt oder die Entscheidungsträger der Stadt über die Jahre hinweg erkannt haben, dass auch die Subkultur in Gegenüberstellung zur Hochkultur und auch zur Volkskultur eine Qualität hat, die wichtig ist, die sie nicht ablehnen, die ihnen manchmal sehr suspekt ist, aber mit der sie eigentlich auch ganz gut zu leben gelernt haben. Vielleicht auch zu gut, ich weiß es nicht. Aber dass das … Dobuschido [Anm.: Animationsfilm von qujOchÖ] ist da so ein Beispiel, der so „in between“ ist, der eigentlich ziemlich eine Gestreckte war und mit dem eigentlich gut umgegangen wurde von der anderen Seite, dort wo es ankommen sollte, also aus meinem Blickwinkel. Wo ich mir gedacht habe … und ich habe auch das Gefühl, dass man, eben wenn man die Hochkultur hernimmt, Brucknerhaus, großes Abo, Brucknerfest, Landestheater, diese Bereiche, auch immer ein Gegengewicht brauchen. Das ist ganz, ganz wichtig, so ein Gegengewicht zu produzieren. Man hat die Entwicklung, wie sie in Linz war, wo Linz tonangebend war im Musikbereich, ob das Hardcore war, die KAPU als Zentrum Österreichweit, dass das oft an solchen Stücken zu beobachten ist. Dass sich da die Leute auflehnen und reiben und etwas entgegensetzen wollen und aktiv werden. Die Stadtwerkstatt ist ja auch nicht von ungefähr gekommen, sondern das waren Zeiterscheinungen, die in der Luft gelegen sind.

Warum ist das eigentlich so, dass man es mittlerweile glorifiziert und mystifiziert?

Gernot Kremser: Ja, das ist schwer zu sagen. Es kann einerseits daher rühren, dass die Altväter sehr lange bestimmte Funktionen innegehabt haben und sich niemand getraut hat oder niemand das übernehmen wollte oder da nicht aktiv geworden ist. Es kann auch sein, dass die Generation dazwischen – aber ich glaube, das kommt jetzt wieder, dass da eh wieder ein Shift ist – einfach auch nicht so aktiv war, dass das einfach so … ja, die wollten sich halt nicht reiben oder die waren, glaube ich, viel ambivalenter. Und da hat es einfach keine Leute gegeben, die gesagt haben, das machen wir jetzt oder das ist jetzt Unseres und ihr geht jetzt, wir sind jetzt da. Das hat man auch an der Situation der Stadtwerkstatt sehr lange gesehen, also diese Übergabe oder der Generationenwechsel, wie schwierig das teilweise war. Und ich glaube, dass diese Mystifizierung, die ja geendet hat in dem Film, wo soll es was geben, wird es was geben, gibt es was [Anm.: Es muss was geben, Film von Christian Tod und Oliver Stangl]? Das ist dann wirklich die Spitze gewesen, wo ich mir auch sehr schwer getan habe, weil wir kennen diese Leute auch und wir kennen diese Geschichten, diese tradierten, fast schon Wirtshausgeschichten bis zum Erbrechen und das ist ein bisschen zu viel und ich weiß auch nicht, wie das auf eine junge Generation so wirkt, was die damit überhaupt anfangen kann. Ich merke es halt schon sehr stark, wenn das dann junge Bands oder Musiker sind, die gar nicht aus Linz kommen, sondern die aus dem Mühlviertel kommen, aus Kremsmünster kommen, oder aus Schlierbach. Das sind Mühlviertler, die nach Linz kommen, die da viel stärker sind und viel … oder eben die ganze backlab-Geschichte, die da ganz anders andrücken. Und eben auch schon über längere Zeit hinweg. Vielleicht ist das ein bisschen eine saturierte Geschichte gewesen und jetzt merken die: Hey, jetzt kommen die anderen, jetzt müssen wir auch nach. Wir haben doch auch Qualitäten und Ideen und Visionen.

Wenn du einzelne künstlerische Disziplinen wie Malerei und Grafik, Tanz, Theater, Musik, Literatur, Film, Fotografie usw. betrachtest: Wo würdest du meinen, wäre in der Stadt noch Entwicklungspotenzial vorhanden?

Gernot Kremser: Ich sehe mehrere Punkte und in meinem Bereich sehe ich halt, dass Linz ein themenspezifisches Musikfestival dringend vertragen würde, dringend braucht, zu verschiedenen Themen. Ich glaube das liegt in der Luft, das zeigen auch andere Städte sehr, sehr gut, dass man zu bestimmten Zeiten einen Fokus legt auf ein bestimmtes Thema. Ob das elektronische Musik ist, ob das Songwriting ist, ob das etwas Avantgardistisches ist, gemischt mit auch etwas völlig Poppigem. Also dass man da den Finger drauflegt und den Leuten zeigt, eine Biennale Cuvée hätte ich jetzt fast gesagt, der Popmusik oder der Popkultur. Das man da so etwas in der Art macht. Das glaube ich, ist ziemlich dringend notwendig, weil es kann nicht nur das Brucknerfest das einzige Musikfest sein, oder das Brassfestival, oder was es halt sonst gibt.

Dann im Posthof oder im Hafenbereich?

Gernot Kremser: Weil du es sagst. Vor zwei Wochen war jemand da, der sich eben da in dem Bereich sehr engagiert, weil mir das selber gar nicht bewusst war, was mit dem Hafen passiert bzw. passieren soll. Also diese Zuschüttung. Weil der Posthof ja auch Zeitkultur am Hafen heißt und weil das natürlich eine internationale Qualität ist, die ein bisschen brachliegt. Die da ist, wenn man sich denkt, wen man oben sitzt und runter schaut auf das Wasser, dann hat das gleichzeitig eine urbane Qualität, die Linz ganz gut stehen würde. Und mit dem Hafenstern, der jetzt gerade aufgemacht hat, wo ich eh große Angst habe, dass es ihn nicht mehr lange gibt, weil das einfach auch sehr schwierig ist in der Situation. Ich habe versucht, den zu unterstützen, wo es irgendwie geht. Aber das ist natürlich vom Gelände, wo man auch ein Kulturangebot von einer Wasserbühne im Sommer bis zu was weiß ich, machen kann, perfekt. Da kann man sehr viel machen. Das hat ein extremes Entwicklungspotenzial. Und das andere, was ich noch sehe, ist ein Filmfestival, um das ich mir Sorgen mache, dass es das irgendwann nicht mehr gibt, weil sie es nicht mehr schaffen, finanziell. Und was halt mit sehr viel Selbstengagement von Christine Dollhofer gemacht wird und einem Team und man gesehen hat, mit der Unterstützung von Linz09, was da alles möglich ist und wie schwierig das dann natürlich danach ist. Aber das ist für Linz, glaube ich, und auch für den internationalen Ruf und die Verankerung ganz, ganz wichtig.

Welche drei thematischen Schwerpunkte mit Kunst- und Kulturbezug werden zukünftig die größten Herausforderungen für die Stadt darstellen?

Gernot Kremser: Abgesehen jetzt von der finanziellen Situation, von den inhaltlichen Themen, glaube ich, wird sich alles sehr stark um das Thema „Hier bin ich und da sind die anderen“ drehen, also im weitesten Sinne um Migration, darum, wie gehe ich mit den verschiedenen Ethnien um. Wo ist meine Position, wo habe ich den Konnex oder wie kann ich das Zusammenleben reflektieren, erklärlich machen? Es geht gar nicht um das Erleichtern, sondern einfach um das Sichtbarmachen, den Zustand, den wir haben, zu normalisieren, in eine ganz normale, alltägliche Art und Weise zu behandeln und gleichzeitig halt auch Situation zu überzeichnen, pointiert zu formulieren und das auf den verschiedensten Ebenen zu spielen. Ob das in der bildenden Kunst ist, ob das in der Musik ist, im Theater, also das sind eigentlich die Themen, mit denen wir uns auseinander setzen werden und wo ich auch die Aufgabe sehe. Das ist ganz klar.

Zu den einzelnen Themenbereichen. Als erstes wichtiges Thema Migration, Interkulturalität, Integration. Unabhängig davon, wie viel Einblick du in den Bereich hast: Wie schätzt du die Entwicklung der migrantischen Kulturarbeit in Linz in den letzten zehn Jahren ein?

Gernot Kremser: Es ist nichts, was beiseite geschoben worden ist, sondern man hat sich damit ganz, ganz gezielt schon beschäftigt. Ich glaube, dass schon viel gemacht wird. Ich habe auch das Gefühl, dass es nicht als Problem erkannt wird, sondern dass es als Gesellschaftsentwicklung erkannt wird, mit der man umgehen muss. Was auch für die Beteiligten … also die Einladung an die Beteiligten sehr stark erleichtert, dass da schon mitgedacht wird. Und dass es auf jeden Fall auch eine Ausgangsposition gibt, auf die man aufbauen kann. Das heißt, es muss nicht alles neu erfunden werden und es muss nicht von Null auf Hundert passieren und das ist eine gute Situation.

Mit welchen besonderen Problemen sind MigrantInnen im Kunst- und Kulturbereich in Linz konfrontiert?

Gernot Kremser: Ich meine, das Grundproblem ist sicher immer finanzieller Natur und gleichzeitig auch, habe ich einen Ort, wo ich arbeiten kann und wo ich mich darstellen kann, wo ich ein Vereinslokal habe, wo ich irgendwie die Möglichkeit habe, kontinuierliche Arbeit aufzubauen? Das ist sicher eines der Grundprobleme. Aber sonst könnte ich jetzt auf die Schnelle gar nicht sagen, was die größten Hindernisse oder Hemmschuhe sind, mit denen die jetzt zu kämpfen haben.

Und was fällt dir auf, wenn es um Vernetzungen und Verbindungen geht? Wie würdest du die Verbindungen zwischen den verschiedenen migrantischen Kultureinrichtungen in Linz beschreiben?

Gernot Kremser: Das ist jetzt für mich auch nur ein Außenbefund, wo ich nicht genau weiß, ob das wirklich so ist, aber oft ist es wirklich so, dass es ethnische Kolonien sind, die aufgeschlossen sind, die miteinander vielleicht etwas … etwas auch einmal … wo man einen Schritt zugehen muss, was oft nicht so einfach ist aus verschiedenen Gründen, Traditionen, Religionen. Wer sind denn die? Genau die Probleme, die sie natürlich im Alltagsleben erfahren, übertragen sie auch zu anderen Gruppierungen. Das kann ich mir vorstellen, dass die untereinander vielleicht gar nicht so stark verbunden sind, wie es eigentlich Sinn machen würde. Aber das ist jetzt wirklich nur ein Gefühl, das kann ganz anders sein, die können vielleicht auch total miteinander vernetzt sein und ziehen an einem Strang.

Wie schaut es aus mit Verbindungen migrantischen und nicht-migrantischen Einrichtungen aus dem Kunst- und Kulturbereich in Linz?

Gernot Kremser: Da habe ich nicht so viele Überlappungen bemerkt. Da gibt es, glaube ich, ein Grundinteresse, aber ich glaube, dass man da das Grundproblem hat, dass halt jeder für sich etwas macht und nicht von sich aus versucht, das Optimale herauszuholen. Das ist für mich wiederum so ein … das kann ich jetzt nicht genau verifizieren, das weiß ich nicht genau, ob dem wirklich so ist, ob es da nicht eh schon tolle Projekte gibt, die miteinander Sachen aufstellen. Das traue ich mir jetzt aus der Hüfte nicht so zu sagen, das weiß ich nicht. Ich kann mir nur gut vorstellen, dass da ein großes Potenzial drinnen ist, das man da gemeinsam etwas macht.

Welche Maßnahmen sollte die Stadt Linz setzen, um Interkulturalität zu fördern?

Gernot Kremser: Genau solche Zusammenarbeiten, also übergreifende Zusammenarbeiten unterstützen mit Know-How, Begleitung, finanziellen Möglichkeiten, Möglichkeiten von Örtlichkeiten, die vielleicht leer stehen. Da gibt es ja auch in Linz ziemlich viele Brachen. Und mit der Möglichkeit, dass das immer nach Außen kommuniziert wird, dass das nicht ein für sich abgeschlossenes System ist, sondern dass die Leute mitbekommen, was da gemacht wird und was da rauskommt, dass man an diesen Prozessen teilhaben kann, dass da die Bevölkerung, auch wenn das irritiert oder wenn das irgendwie komisch aufgenommen wird, beteiligt ist, dass da immer ein Austausch ist. Das ist, glaube ich, etwas ganz Wichtiges, vor Augen führen, miteinander Dinge entwickeln. Nicht wieder Gettoisierung und: „Jetzt beschäftigt euch einmal, macht einmal etwas.“ Das muss mehr im öffentlichen Bereich sein.

Der nächste Punkt ist Netzwerke, Kooperationen und Zusammenarbeit. Wo sind dir Grenzen der Zusammenarbeit aufgefallen, wo du gesehen hast, funktioniert nicht, geht nicht, da ist irgendwo eine Grenze, die nicht überwunden werden kann?

Gernot Kremser: Es gibt teilweise schon Grenzen, die ich bemerke, wo es klare Ausrichtungen der Häuser gibt. Ob das jetzt inhaltliche oder politische sind, wenn man sagt, weiter möchte man nicht gehen, da verliert man an Schärfe, an eigenem Profil, da verbindet man zwei Dinge, die man eigentlich getrennt halten wollte, das gibt es schon auch, das habe ich schon auch gemerkt. Ich will jetzt keine Beispiele nennen, aber das habe ich ganz klar gemerkt. Wo Dinge eigentlich auf der Hand liegen, wo aus fadenscheinigen Gründen gesagt wird, nein, das machen wir nicht. Das bezieht sich einerseits auf städtische Einrichtungen versus Landeseinrichtungen und weniger auf Freie Szene gegenüber etablierten Häusern. Da habe ich, weil ich jetzt auch im Zuge des neuen Posthofs mit den unabhängigen Einrichtungen, oder den kleinen, den subkulturellen, gesprochen habe … da war eigentlich sofort eine ganz, ganz positive und gute Gesprächsbasis: Was kann man gemeinsam machen oder kann man etwas gemeinsam machen, wie können wir uns unterstützten? Es ist nicht immer so, dass man glaubt … gerade eben dieser Vernetzungsgedanke, man ist jetzt der Große und das sind die Kleinen, sondern wo man das Potenzial sieht, was die Kleinen ja auch den Großen geben können und umgekehrt. Dass das nicht eine Einbahnstraße ist, sondern ganz im Gegenteil. Und ich glaube, dass das die Häuser noch stark lernen müssen oder dass das gut wäre, wenn die das lernen, dass ein Kleiner nicht für sich ein Nukleus ist, der nichts bringt und denn man halt unterstützt aus Gönnertum, sondern das da ein extremes Potenzial da ist, dass da interessierte, offene Leute sind.

Wie beurteilst du die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Kultureinrichtungen und NGOs/NPOs bzw. Einzelpersonen aus dem Kunst- und Kulturbereich, also Kulturvereinen, kulturellen Initiativen, Kunst- und Kulturschaffenden in Linz? Und wie schätzt du da die Einbindung bei städtischen Kulturveranstaltungen ein?

Gernot Kremser: Das ist ja sehr oft das Prinzip: Wasch mir das Fell und mach mich nicht nass. Man will sich natürlich nicht vereinnahmen lassen, man reibt sich wie gesagt auch an den Großen und sagt: Hey, ihr, dicke Hose, ist eh klar, mit voller Hose ist es gut. Da sind Grenzen auch zu überwinden. Wie stark gehe ich da unter, wenn ich mit denen eine Kooperation oder gemeinsam etwas mache, wie stark werde ich geschluckt? Und das passiert natürlich auch, glaube ich, manchmal. Die Gefahr ist ja da, dass du dann einfach untergehst, wenn du jetzt nicht … also die Kooperation der Stadtwerkstatt mit der Ars Electronica beim Festival, die haben sich ja irgendwann einmal zerlaufen. Obwohl ich die immer sehr gut gefunden habe. Und das war eigentlich so ein Beispiel von einer Reibung, wir sind der kleine, wilde Stiefbruder, der es euch zeigt und auch ein bisschen mahnt. Und ich glaube, dass da auf jeden Fall ein Potenzial da ist und dass das ganz gut wäre. Aber es will halt keiner sein Profil verlieren, keiner an Schärfe irgendwie verlieren und das ist ein Hemmschuh manchmal. Manchmal liegt es wahrscheinlich auch an den Personen, die miteinander können oder nicht miteinander können. Wie angesprochen, wenn es integrative Personen gibt, die keines Falls jetzt verbindlich sein müssen im negativen Sinn, sondern einfach das sehen, was die anderen können und was die anderen bieten und was man selber hat und wo man Schnittpunkte hat. Aber das muss eben … es liegt wie so oft an den Leuten, ob die miteinander können und was die da drinnen sehen. Das ist bei der Vernetzung natürlich so.

Eine andere Art der Vernetzung. Die Fragen waren jetzt sehr stark auf diese Sektoren bezogen, öffentlichen Einrichtungen und nichtöffentliche Einrichtungen. Disziplinen würden mich noch interessieren. Zwischen welchen künstlerischen Disziplinen in Linz könnte die Zusammenarbeit noch optimiert werden?

Gernot Kremser: Diese viel gerühmte und zelebrierte Triennale, das ist jetzt zwar nicht interdisziplinär, sondern zwischen den Häusern und über die Parteien hinweg gegangen, aber wo man halt gemerkt hat, wo ein jeder halt zeigt, was er kann und der eine kann halt mehr und der andere weniger zu diesem Zeitpunkt. Das ist grundsätzlich schon etwas Faszinierendes, etwas Gutes, weil man auch zeigt, was da für Kraft in der Stadt und in der Kultur der Stadt drinnen ist. So etwas kann ich mir sehr gut vorstellen, also interdisziplinär, über die Sparten hinweg, dass so etwas absolut Sinn macht. Zu einem Thema zwischen Musik, bildender Kunst und Neuen Medien. Ich glaube, dass da sehr viel drinnen ist. Ich glaube, dass so ein Festival im Web 2.0 genau so eine Plattform haben kann wie in der Landesgalerie bei Martin Hochleitner oder im Posthof oder in der KAPU. Ich glaube, dass da noch viel Kraft drinnen wäre, wo Linz einfach herzeigen kann, welche Möglichkeiten es hat und wo man natürlich auch die verschiedenen … und das ist halt bei dem Interdisziplinären die große Chance, dass man die verschiedenen, einzelnen Communities, die an den Häusern dranhängen, zusammenführt und interessiert für andere Dinge. Weil die Leute sind ja grundsätzlich offen und interessiert. Manchmal gibt es auch welche, die sagen, ins Landestheater gehe ich nicht hinein, da sind ja nur die „G’spritzten“ und die Anzugträger und das ist nichts. Und plötzlich sitzen sie drinnen, weil, weiß ich nicht, die Tiger Lillies spielen und sie merken, das ist eigentlich … das hat einen gewissen schäbigen, alten Charme und das ist gar nicht so schlimm. Also Schwellenängste abbauen und Mauern niederreißen, das ist sicher die große Chance. Ich glaube auch, dass da extrem viel Spaß und Freude drinnen liegt, zum Entdecken. Und um das geht es ja auch sehr oft.

Wenn die tägliche Zusammenarbeit zwischen den Kunst- und Kultureinrichtungen in Linz betrachtet wird, insbesondere hinsichtlich des Einsatzes von personellen oder materiellen Ressourcen: Wo ergäben sich deiner Meinung nach sinnvolle Synergien? Welche Maßnahmen könnten hier gesetzt werden?

Gernot Kremser: Es hat ja des Öfteren die Überlegung einer Kulturholding gegeben, wo man Sachen zusammenführt, wo man Pressearbeit oder Marketing zusammenführt, wo jemand drüber sitzt, der das koordiniert oder eine vernetzende Position innehat. Ich kann mir vorstellen, dass das eigentlich schon einen Sinn macht. Wenn der mit einer gewissen … natürlich wird jeder zu dieser Stelle kommen und dann sagen: Geld? Bist du auch mit etwas ausgestattet, wo du uns wirklich helfen kannst und nicht nur schön reden kannst? Das ist halt immer ein Problem. Ich glaube aber, dass das schon Sinn machen könnte. Auch vorher angesprochen, jeder hat seinen eigenen Auftritt, ob das im Web 2.0 oder sonst wo ist, da haben wir alle ziemlich gleichzeitig angefangen, eine Facebook-Seite zu machen. Jeder hat vor sich dahingedümpelt und nachdem ich mit allen geredet habe, sind wir draufgekommen, wir haben eigentlich wirklich alle zwischen AEC, Lentos, Posthof und Brucknerhaus in der gleichen Woche angefangen. Einer hat halt mehr Affinität und der andere weniger. Wenn ich mir ansehe, der Linz-Tourismus hat halt ziemlich bald angefangen, weil er das erkannt hat und hat da irgendwie 31.000 Freunde, Followers oder Friends und da denke ich mir, das ist natürlich schon eine Power, die alle Häuser nützen könnten, wo man ein Kulturmagazin, ob in einem Blog oder sonst wie, in irgendeiner Form, stark vorantreiben könnte. Was mir bei Linz09 recht gut gefallen hat, war natürlich, dass ich meinen Newsletter bekommen habe. Den bekomme ich jetzt auch in längeren Abständen mit der Linz-365-Card, wo ich mich als Posthof jetzt viel mehr einbringen muss und dabei sein muss. Ich habe noch keine Zeit gehabt, aber das sind die Dinge, die so ein zusammenführendes Element sind, die einen Sinn machen. Wo ich mir ganz sicher bin, dass es dorthin gehen muss. So eine Stelle wäre halt gut, wenn es auch etwas gäbe, dass die ganzen Häuser verbindet. Und da gibt es halt viele Beispiele. Aber gerade in der Kommunikation, in der Außenkommunikation. Ich glaube, da ist ein Potenzial da, wo wir alle etwas haben davon, dass man da schaut, was man gemeinsam machen kann.

Letzter Themenbereich. Publikum, Zielgruppen und altersspezifische Kulturangebote. Wenn du die verschiedenen Zielgruppen für das kulturelle Angebot in Linz betrachtest: Würdest du sagen, dass ein ausreichendes Angebot vorhanden ist oder erkennst du bei irgendwelchen Zielgruppen Defizite?

Gernot Kremser: Wenn ich jetzt bei meiner eigenen Tür anfange, erkenne ich schon Defizite in einem bestimmten Altersfeld. Ich weiß nicht, zwischen 16 und 30, dass da gewisse Stilrichtungen in den vergangenen Jahren nicht da waren, oder dass da gewisse Bands, Musikgenres, mit denen sich die Leute, die sie aus den Medien kennen, von FM4 bis ich weiß nicht was, dass sie die nicht finden oder dass sie da ausweichen müssen zu anderen Anbietern aus anderen Städten. Das ist sicher etwas. Da bin ich jetzt dabei, auch gerade zu sehen, warum war das so? Ich glaube, dass es ganz, ganz wichtig sein wird, diese Generation oder die Jungen ranzuhalten und Angebote zu geben, die für sie spannend sind und interessant sind und sie mehr oder weniger anzufüttern und in eine Welt zu holen, die für sie vielleicht gar nicht aus dem ersten Blickwinkel klar ersichtlich ist oder wo sie normalerweise hingehen würden, sondern wo man sie vielleicht für etwas begeistern kann, was sie selbst überraschen wird. Und das ist halt für die Stadt auf jeden Fall ganz, ganz wünschenswert und ganz, ganz wichtig, dass sie da ein offenes, interessiertes Publikum hat. Und gleichzeitig, was ich auch merke, ist altersspezifisch, dass die Pensionisten, 50, 60 plus plötzlich ein irrsinniges Interesse zeigen, dass die sich extrem informieren, ganz dabei sind und eben nicht nur im Brucknerhaus, sondern auch ganz, ganz stark zum Beispiel in der zeitgenössischen Musik – ok, die ist teilweise eh schon sehr konservativ. Das darf man jetzt eh nicht so sehen, aber mit denen kann man auch gut umgehen. Das ist alles eine sehr treue, interessierte Zielgruppe, die viel Zeit hat und viel Zeit investiert, wenn du sie einmal hast. Und dann gibt es halt die Verbindung zu den Migranten, mit denen man glaube ich auch sehr gut umgehen kann und denen … da wird in der Programmierung viel zu wenig dran gedacht. Also das ist etwas, was ich jetzt entdecke oder wo ich mich einhören, einlesen muss: Wie kann man damit umgehen? Und wo man anfängt, Theater mit türkischen Untertiteln anzubieten, wo man einen Mainstream entdeckt, der solche Dinge auch sehr, sehr schnell … oder das Cineplexx einen gewissen Anteil an migrantischem Kino plötzlich hat und Filme hat, weil die gemerkt haben, das ist ein Geschäft, wo die Kultur vielleicht viel stärker nachhinkt als das Angebot, was ich sehr spannend und interessant immer finde.

Die Kulturpolitik in Linz ist seit vielen Jahren durch das Schlagwort „Kultur für Alle“ geprägt. Inwieweit denkst du, dass die Stadt Linz diesem Anspruch gerecht wird?

Gernot Kremser: Dieses „Kultur für Alle“ habe ich immer so verstanden, dass die Möglichkeit und der Zugang und die Erschwinglichkeit für alle da sein muss. Das ist auch etwas, was wir im Posthof haben, dass wir ganz, ganz selten bei Fremdveranstaltungen einen wirklich hohen Kartenpreis haben, aber sonst fängt das bei neun Euro an und endet meistens bei 24 oder 25 Euro. Das heißt, die Leute müssen sich das leisten können, dass sie im Monat vielleicht auch zwei oder drei Konzerte besuchen können. So habe ich das natürlich auch … also zum einen der Zugang, die Möglichkeit, das Angebot. Ich glaube, dass sich „Kultur für Alle“ eben erweitert, um den Migrantenanteil, um den … dass das ganz aktuell ist eigentlich. Dass das gar nicht so ein Wischi-Waschi-Schlagwort ist, wie man es vielleicht vermuten würde, sondern ich finde das programmatisch immer noch einen wirksamen und wichtigen Slogan. Für mich ist das noch sehr, sehr ok, weil es eben niemanden ausschließt. Das ist auch mein Verständnis immer gewesen, dass ich eigentlich so viele Leute wie möglich reinholen will und dafür gerne auch einen Entertainment-Sidestep habe, wo ich eine Zugänglichkeit schaffe und über den andere Dinge transportieren kann und die Leute reinholen kann, als wenn ich das jetzt nur ganz spitz, nur für eine bestimmte Nische mache. Das ist schon wichtig und das ist natürlich Teil von dem Ganzen.

Wie würdest du eine stärkere Fokussierung von kulturellen Angeboten auf einzelne Zielgruppen beurteilen, auch wenn dies unter Umständen auf Kosten anderer Zielgruppen geht, zum Beispiel die Fokussierung auf Kinder und Jugendliche, auch wenn es zu Lasten der Erwachsenen geht?

Gernot Kremser: Gerade die Investition in Kinder und Jugendliche ist natürlich langfristig genau das, was sein muss, weil es sind … auch wenn man die Leute dann irgendwann einmal in der Pubertät – wenn ich jetzt von den ganz den Jungen ausgehe – verliere und die mit ganz, ganz anderen Dingen beschäftigt sind oder vielleicht nicht oder vielleicht stärker in den Posthof kommen oder in die KAPU oder in die Stadtwerkstatt als jetzt ins Lentos oder ins Brucknerhaus oder ins Landestheater, baust du natürlich eine Sensibilität und eine Offenheit auf, die ganz, ganz wichtig ist. Für die Identitäten und die Persönlichkeiten der Menschen und wie die miteinander umgehen werden und wie die … also das ist ganz etwas Wertvolles und da würde ich mich auf keinen Fall wehren, ganz im Gegenteil. Das ist etwas, dass extrem zu unterstützen ist. Man darf natürlich auf die anderen nicht vergessen und sagen, ok, da mache ich gar nichts mehr, aber dadurch, dass die Möglichkeiten der Stadt, des Standortes Linz so groß und vielschichtig sind, glaube ich nicht, dass sich da irgendeine Schicht oder eine Generation dann vernachlässigt fühlen würde. Weil natürlich gibt es den Jugendlichkeitswahn und dann kommt: „Ja, ist eh klar, jetzt verfolgen die auch nur mehr das.“ Aber ich finde das ganz unterstützenswert.

Eine spezifische Zielgruppe, die mich auch noch interessieren würde und wie da deine Einstellung dazu ist, sind Menschen mit Beeinträchtigungen, mit physischen und/oder psychischen Beeinträchtigungen. Wie schätzt du da das Kunst- und Kulturangebot in Linz für diese Zielgruppe ein?

Gernot Kremser: Das Sichtbarwerden im öffentlichen Leben, wo das passiert, auftaucht, das war eben ein Sichtwechsel. Auf das ist es ziemlich, aus meiner Wahrnehmung, ziemlich beschränkt. Ich weiß natürlich, dass es Improvisationstheater bei uns im Haus gibt, mit Menschen mit Behinderung. Und dass es da schon Initiativen gibt. Im Franckviertel ist zum Beispiel auch ein Improvisationstheater. Der Christian Kohrherr ist da dabei, mit Schauspielern mit Beeinträchtigung und Semi-Profi-Schauspielern. Und da gibt es schon an vielen Ecken und Enden Initiativen, aber es waren ja so Dinge wie die barrierefreien Zugänge zu den Häusern schon eine kleine Revolution. Also wenn man sich das überhaupt einmal vorstellt, dass man da schon kämpfen muss oder kämpfen musste, dass die Leute überall mit einem Rollstuhl hinkommen. Da merkt man, wie wenig sensibel das Thema in den Jahrzehnten davor gehandhabt wurde. Dieses Nichtsichtbarmachen, dass diese Leute, egal mit welcher Beeinträchtigung, einfach ausgeblendet worden sind, das war ja ganz stark und ist in unserem öffentlichen Raum ja kaum ein Thema. Und ich finde das ganz, ganz wichtig und das ist einfach eine Alltagsrealität und sollte eine ganz normale Geschichte sein. Und ist es für viele aber nicht.

Welche Maßnahmen sind dir eigentlich bekannt, um einzelnen Zielgruppen den Zugang zu Kunst und Kultur in Linz zu erleichtern?

Gernot Kremser: Es gibt einmal die Aktion Hunger auf Kunst und Kultur. Das ist aber nichts, was von der Stadt Linz ausgeht. Und dann gibt es den Aktivpass. Was für die Leute auch nicht einfach ist und wo manche auch einfach eine Hemmung haben, zu sagen, ich nehme das jetzt in Anspruch, weil mir geht es so und so. Was haben wir sonst noch für Möglichkeiten? Ja eben diese 365-Tage-Card, die eigentlich auch viel möglich macht. In meiner Familie ist die zum Beispiel recht gut angenommen, aber die sind halt alle interessiert. Und ich habe gleich gesagt, macht das! Die sind begeistert. Ich kann schwer sagen, wie sie sonst ankommt. Ich kann mir nur denken, wenn ich von diesen 5.500 Interessierten in der Datei ausgehe, erreiche ich da schon eine Menge von Leuten, die interessiert sind und ich finde es auf jeden Fall begrüßenswert. Und was man sich halt dann anschauen muss, ich weiß jetzt nicht, wie man das Feedback genau messen kann und wie das ist.

Ok, das waren alle Fragen. Willst du mir noch irgendetwas mitteilen, ist dir noch irgendetwas abgegangen?

Gernot Kremser: Nein, ich glaube, dass habe ich dann eh noch untergebracht, was ich zuerst vergessen habe, dass habe ich dann schon noch mal … total spannend, ich bin einfach gespannt und sehe das als Chance und freue mich total, dass sich etwas tut, dass man zusammen etwas machen kann.

Danke für das Interview.

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