Reinhard Kannonier

Geburtsjahr und Geburtsort?

Reinhard Kannonier: 1947 in Spittal an der Drau.

Du lebst in Linz?

Reinhard Kannonier: Ja.

Seit wann?

Reinhard Kannonier: Seit 1978.

Neben deiner Funktion als Rektor der Kunstuniversität Linz, welche sonstigen kunst- und kulturbezogenen Aktivitäten und Funktionen übst du derzeit aus?

Reinhard Kannonier: Ich glaube, gar nicht viel. Universitätsrat der Bruckneruniversität, Mitglied des Design- und Medienbeirats der TMG. Das ist es.

Über die kulturelle Entwicklung, Situation und Zukunft von Linz. Ein kurzes Assoziationsspiel: Welche Begriffe fallen dir ein, wenn du an „Kulturstadt Linz“ denkst?

Reinhard Kannonier: Als erstes würde ich sagen: So stimmt das sicher nicht, nämlich im Vergleich mit anderen Städten, die sich Kulturstädte nennen. Da gibt es ja deren mittlerweile viele, ich weiß es nicht, fast alle, aber in den meisten Fällen stimmt es nicht. Kulturstadt Linz ist sicher falsch. Wenn man sagt, Kultur in Linz, dann stellt sich die Frage anders. Was assoziiere ich mit Linz und Kultur? Vieles natürlich. Als Historiker kann ich nicht anders, als auch die Zwischenkriegszeit, also zwischen Ersten und Zweitem Weltkrieg zu assoziieren. Das fängt bei mir auf jeden Fall damit an, weil da Linz spannend war, aus unterschiedlichsten Gründen. Was Eduard Macku usw. anbelangt, mit sehr spannenden Projekten, Kultur für Alle umgesetzt. Und dann natürlich die NS-Zeit, ist klar, mit den großen Plänen. Nach 1945 ist die so genannte Hochkultur total dominant, aber da auch ganz bestimmte Bereiche nur, wie bildende Kunst, teilweise Musik. Das in einem sehr traditionellen Sinn, doppeldeutig auf der einen Seite, sehr deutschnational, weil alle damaligen Akteure irgendwie sozialisiert sind und ein „Gehirn“ auch gehabt haben, inklusive Koref und so, wenn man sich das alles ansieht. Und dann, ab den 1960er-Jahren, wird es ein bisschen spannender, schon vorher mit den bekannten Zwischenfällen bei Ausstellungen, die es in Linz gegeben hat. Das ist aber unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Da war Linz auch relativ spannend im Vergleich zu Wien, weil sich eher früher schon gewisse Bruchlinien zur Moderne aufgetan haben bei Ausstellungen, wo es Besetzungen, Schmierereien, Buh-Rufe usw. gegeben hat, bei Ausstellungen von zeitgenössischer oder moderner Kunst. Dann war aber eine Zeit lang wieder Ruhe, ziemlich lange sogar. In den 1960er-Jahren hat es ein bisschen etwas gegeben, in der Musik vor allem. An Peschek denke ich dabei, wo es ein bisschen etwas Zeitgenössisches gegeben hat. Und dann haben sich halt Kultursäulen wie das Brucknerhaus gebildet, was natürlich schon wichtig war für die Identität von Linz als eine regionale Metropole, die nicht ohne Konzerthaus, ohne Theater und ohne Museum sein kann. Das ist einfach ein Standard gewesen, über 300 oder 400 Jahre lang. Und Mitte der 1970er-Jahre wird es dann spannend, das ist die Zeit, wo ich nach Linz gekommen bin. Vorher habe ich von Linz als jemand, der außerhalb, in Wien, in Salzburg vor allem war, auch in Graz, überhaupt gar nichts mitbekommen. Also Kultur und Linz war für mich überhaupt kein Thema, obwohl ich immer kulturinteressiert war. Meine ersten Besuche in Linz waren im Brucknerhaus, das war zur Eröffnung, weil ich damals an der klassischen Musik interessiert war. Da habe ich mir ein paar Konzerte angesehen, da bin ich von Salzburg nach Linz gefahren, das war alles, was ich von Linz und Kultur gewusst habe. Bis dann Forum Metall, Forum Design kamen, das waren die überregional aufmerksamkeitsheischenden Events und dann, genau in der Zeit, wo ich nach Linz gekommen bin, war dann Haus-Rucker-Co, war dann die Nike und so. Da war Linz dann spannend, viel spannender als Salzburg, nämlich auch ein Synonym für das Aufsuchen von Brüchen, das Aufsuchen von Schnittstellen zwischen Industrie und Kultur, Kunst, zwischen Vergangenheit und Gegenwart usw. Da war Linz ein spannender Ort ab Ende der 1970er-Jahre. Und das ist auch die festgeschriebene Tradition im Selbstverständnis der meisten Kulturleute in Linz geblieben, würde ich einmal sagen, bis heute. Ob sie das jetzt ehrlich meinen oder nicht, ob sie das praktizieren oder nicht, aber es gehört zur Identität irgendwie dazu, dass man stolz ist auf diese Unterscheidungsmerkmale zu Salzburg, Graz und so.

Ist diese Tradition, die du gerade von der Kultur in Linz beschrieben hast, auch in den letzten Jahren noch sichtbar?

Reinhard Kannonier: Nein, ganz sicher nicht. Das hat aber mehrere Gründe, glaube ich. Also zum einen sind halt damals renitente – im positivsten Sinn – Initiativen mittlerweile in die Jahre gekommen und eher integriert in den normalen Kulturbetrieb. Das ist sicher ein Grund. Der zweite Grund ist, dass es immer gefährlich ist, wenn Opposition umarmt wird. Das ist klar, das ist in jedem gesellschaftlichen Feld eine potenzielle Gefahr für die Austrocknung von Kontrapunkten, das ist so, wenn die integriert werden. Und zum Dritten glaube ich auch, dass sich durch die Kommunikationsmittel generell, auch im kulturellen, künstlerischen Bereich, Neue Medien usw., der Begriff von Öffentlichkeit verlagert hat. Ich halte es für falsch, wenn heute gesagt wird: Ja, damals in den 1970er-Jahren, da war viel los. Es ist auch heute viel los, nur halt wo anders. Nicht auf der Donaulände, da ist etwas anderes los, da sind die Youngsters usw., aber in Linz ist viel mehr los und in anderen Instrumenten, wo auch Kunst, Kultur stattfindet und Linz, das sich immer anders verstanden hat, also im Medienbereich zumindest seit der Gründung der Ars Electronica, ist klar, dass das sich verschoben hat, in der Wahrnehmung nach außen. Was halt die traditionelle Politik oder die traditionellen Kulturkonsumenten unter Wahrnehmungsfähigkeit verstehen, weil die meistens nicht in diesen Neuen Medien sozialisiert sind und deswegen das nicht mit bekommen. Das sind die meiner Meinung nach die drei wichtigsten Gründe, warum das so ist.

Wenn du die letzten zehn Jahre, also die Jahre 2000 bis 2010, betrachtest: Was lief deiner Meinung nach besonders gut in der kulturellen Entwicklung der Stadt Linz?

Reinhard Kannonier: Ich glaube schon, dass das Positivste eigentlich ist, dass die Infrastruktur, die kulturelle Infrastruktur so hochwertig ist und vollendet worden ist bzw. wird. Ich persönlich glaube, dass eine gewisse Infrastruktur für eine Provinzmetropole einfach wichtig ist, durchaus auch im Sinne des 19. und 20. Jahrhunderts. Wie man damit umgeht, ist dann eine andere Frage. Aber das glaube ich, ist einfach wichtig. Das ist diese berühmte, immer zitierte Hardware, die auch von den Politikern immer genannt wird und da haben sie irgendwie Recht. Vor allem, wenn man die letzten zehn Jahre betrachtet, weil – jetzt nehme ich Niederösterreich ein bisschen aus – in allen anderen Bundesländern wäre das eigentlich undenkbar gewesen, dass so viel Geld investiert wird, insbesondere in den letzten fünf bis sechs Jahren, in kulturelle Bauten wie das in Linz der Fall war. Das sehe ich absolut positiv. Jetzt gibt es keine Ausrede mehr, wenn man jetzt weiter diskutiert. Jetzt ist das Geld da, ich meine, das wird zwar aus anderen Budgets geholt und ich meine auch, dass andere Budgets verpflichtet werden sollten, auch für Kunst und Kultur etwas auszugeben, aber das ist wieder eine andere Frage. Aber die Ausrede gibt es jetzt nicht mehr. Jetzt kann man sich mehr auf die Inhalte konzentrieren. Ich würde einmal sagen, positiv sehe ich auch eine gewisse Stabilisierung. Stabilisierung meint jetzt nicht unbedingt eine rasende Weiterentwicklung, aber eine gewisse Stabilisierung in wichtigen Bereichen, die einfach der Humus sind. Ich nenne einmal das OK als Beispiel. Das ist für mich schon ein stabiler Faktor jetzt, der nicht mehr die Innovationskraft hat, die er früher gehabt hat, .das geht auch nicht, aber es ist ein stabiler Faktor, der immer noch eine Infrastruktur bietet, wo vieles möglich ist. Die Kunstuniversität gehört auch dazu natürlich, von den Institutionen her. Ich sehe durchaus auch das Lentos als positive Entwicklung, als eine Öffnung in Richtung Gegenwartskunst. Das ist überhaupt keine Frage, man kann das schon diskutieren, ob das als alleiniges Konzept reicht – glaube ich nicht – aber es ist jedenfalls überwiegend positiv zu sehen, dass da der Schritt von der klassischen Moderne in die zeitgenössische Kunst getan wurde. Einfach deswegen, weil es auch gut hinein passt in die andere Situation, in die Szenerie und in den Stolz von Linz, zeitgenössisch zu sein. Von den Institutionen sonst fällt mir nicht viel ein an positiven Entwicklungen.

Auf der anderen Seite, gibt es kulturelle Entwicklungen der letzten zehn Jahre mit denen du überhaupt nicht zufrieden bist, wo du dich vielleicht auch geärgert hast?

Reinhard Kannonier: Nein, wirklich geärgert, das weiß ich jetzt nicht, glaube ich nicht. Also ich glaube, dass in den großen Institutionen durchaus mehr möglich wäre, das ist nicht befriedigend, finde ich, auf keinen Fall. Jetzt rede ich wirklich von den großen Institutionen, sei es Stadt oder Land. Das AEC nehme ich deswegen ein bisschen raus, weil zum habe ich grundsätzlich ein positives Verhältnis dazu, auch was die inhaltliche Entwicklung betrifft und sehe das permanente Bemühen, sich immer zu erneuern, was auch notwendig ist. Insbesondere seit dem Neubau ist die Herausforderung natürlich riesig. Man muss schon fragen, ob das alles aufgeht und wie lange, wie nachhaltig das ist, diese neuen Ausrichtungen, aber das nehme ich jetzt ein bisschen aus der Kritik heraus. Grundsätzlich sehe ich bei den großen Dingen zu wenig Bewegung. Das widerspricht in gewisser Weise dem Selbstverständnis, so wie sich Linz selbst sieht, auch wie es im alten Kulturentwicklungsplan manifestiert war, was ja auch politisch abgesegnet war. Das heißt, das ist ein gewisses politisches Selbstverständnis, das in der Umsetzung dann halt daran scheitert, dass zuwenig Mut da ist, nur auf Quoten geschaut wird, die üblichen Geschichten, und zu wenig Kompetenz da ist, überhaupt in dem Bereich. Da bin ich schon unzufrieden, sage ich jetzt einmal. Ich merke das am persönlichen Verhalten, am persönlichen Konsum. Das hat einfach stark nachgelassen.

Wo du aber sagen würdest, dass das Potenzial grundsätzlich in der Stadt vorhanden wäre?

Reinhard Kannonier: Natürlich. Das Potenzial ist da, weil das Geld da ist. Es ist immer zu wenig Geld da, das ist klar. Aber das Potenzial in der Stadt ist bis zu einem gewissen Grad da. Es ist jedenfalls nicht ausgeschöpft, das ist sicher. Aber es soll ja auch nicht nur lokales und regionales Potenzial sein, in den großen Institutionen. Da erwarte ich mir schon überregionale Geschichten, die auch überregional interessant sind.

Womit kann Linz deiner Meinung nach im österreichischen Städtewettbewerb punkten, vor allem im Vergleich zu ähnlich großen Städten wie Graz, Salzburg oder Innsbruck, Münster, Kassel usw.? Ist es nur die Ars Electronica oder ist es schon mehr?

Reinhard Kannonier: Linz kann auf jeden Fall punkten, in der Spezifizierung der Ausrichtung kann Linz auf jeden Fall punkten. Das ist überhaupt keine Frage. Man muss jetzt natürlich zwischen unterschiedlichen Bereichen unterscheiden. Also wir reden jetzt von diesen österreichlastigen Musikbereichen nicht, weil da kann Linz nicht konkurrenzieren. Auch nicht mit Salzburg, weil natürlich die zeitgenössischen Schienen in Salzburg viel mehr Geld zur Verfügung haben und präsenter sind, auch wenn sie in die Festspiele integriert sind mittlerweile und Wien kann man gar nicht vergleichen. Graz am ehesten von der Größenordnung her und weil es zwei Kulturhauptstädte waren, irgendwie spannend ist, sich beides anzusehen. Da würde ich sagen, kann Linz auf jeden Fall gut punkten. Es gibt in Graz interessante Geschichten. Die sind aber viel, viel schwieriger kulturpolitisch umzusetzen, wie man jetzt gerade sieht, beim Konflikt Weibel gegen Peter Pakesch usw. Das war immer schon so. Graz war in den 1960- und 1970-Jahren viel interessanter als Linz, das hat sich umgedreht. Linz ist mittlerweile die interessantere Stadt, mittlerweile sogar fast für die Literatur. Jetzt meine ich Linz und Oberösterreich. Mittlerweile haben sie nicht einmal dort mehr einen großen Vorsprung, was zeitgenössische Literatur anbelangt. Linz hat sehr stark aufgeholt, in der bildenden Kunst sowieso. Das war auch eigentlich lange schon so. Gut, in der Musik ist es einfach anders, da gibt es längere Traditionen von Einrichtungen wie der Kunstuniversität in Graz, die einfach mehr liefern. Ich würde nicht wo anders hinwollen als Kulturkonsument, so wie ich einer bin, der ein sehr breites Konsumverhalten hat. Von sehr historischer bis vorwiegend zeitgenössischer Kunst fühle ich mich in Linz eigentlich sehr wohl und muss ganz selten wo anders hinfahren, weil ich etwas sehen muss, was es halt in Linz nicht gibt oder nicht vergleichbar ist. Das betrifft auf keinen Fall den Bereich der öffentlichen Gestaltung, des Designs, der Architektur. Das ist meiner Meinung nach, das habe ich schon oft gesagt, einer der größten Hauptfehler, nämlich Fehler im Sinne von bewusst sich für etwas nicht entscheiden, der in Linz schon in den 1980er-Jahren passiert ist, in Wahrheit. Und Linz hat es verabsäumt, das in der Zwischenzeit überhaupt zu einem Thema zu machen. Das merkt man halt und jetzt ist Graz die Europäische Kulturhauptstadt des Designs geworden vor ein paar Wochen. Was sie absolut ist. Das Potenzial ist in Linz aber genauso da wie in Graz, mindestens, aber die haben das früher gecheckt, dass das einfach ein wichtiger Bereich ist zwischen freier künstlerischer Gestaltung und angewandten Gestaltungsbereichen. Ein aufgelegter Elfer wäre das gewesen für Linz, wenn das in den 1980er-Jahren erkannt worden wäre. Und da kann man nach Graz schauen, da kann man nach Innsbruck schauen, das ist interessanter als Linz. Salzburg ist ein bisschen ein Sonderfall, weil das ist irgendwie sehr museal, was die Gestaltung anbelangt. Nicht so sehr was Kunst im öffentlichen Raum anbelangt, da hat sich in Salzburg eine mittlerweile wieder zurückgepfiffene Tradition entwickelt, die eine Zeit lang für mehr Debatten gesorgt hat als das in Linz in den letzten zehn Jahren der Fall war, was sehr positiv ist. Also das ist ein starkes Manko. Münster kann man überhaupt nicht vergleichen mit Linz, das ist so eine andere Infrastruktur und soziale Struktur. Kassel vielleicht eher noch. In deutschen Städten kann man Teile des Ruhrgebietes mit Linz vergleichen. Und das tue ich ganz bewusst, weil ich einfache auf Grund von eigenen Arbeiten weiß, wie sehr dort punktuell – jetzt rede ich nicht nur von den Großstädten wie Essen oder Dortmund, sondern durchaus von Städten mit 100.000, 200.000 oder 300.000 Einwohnern – und sehr gezielt mit sehr vielen Mitteln in den letzten 15 Jahren gerade für die Bereiche Kunst und Kultur und Gestaltungsqualität etwas getan wurde. Das hat sehr viel mit Alltagskultur auch zu tun. Kultur hört ja nicht auf beim Opernhaus, sondern fängt beim Kreisverkehr an, wenn du so willst. In dem Sinn wurde dort einfach sehr, sehr bewusst an das Problem herangegangen. Wie gehe ich um mit einer industriellen Brachenlandschaft? Das kann man natürlich nicht vergleichen zu dem, was in Linz in den 1970er-Jahren war, aber von der Struktur ist es schon vergleichbar, wo auch die Produktionen ähnliche waren. Manche kämpfen heute noch mit allen Schwierigkeiten, aber es ist punktuell wahnsinnig gut aufgegangen und wenn ich punktuell sage, dann meine ich eben genau so Konglomerate in der Größenordnung wie Linz eines ist. Da halte ich den Vergleich schon für sinnvoll, mit Städten wie Recklinghausen, solchen Städte eher, weil da kannst du sehen, wo was wann erkannt wurde und wie stark Kulturpolitik sein kann, wenn sie selbst ein Bewusstsein davon hat und wenn es Verbündete gibt – ohne dem geht gar nichts.

Beschreib bitte dein Resümee von Linz09 anhand von drei Punkten. Was war Linz09 für dich?

Reinhard Kannonier: Den für mich wichtigsten Punkt haben wir jetzt gerade abgehandelt. Das ist der ganze Bereich der Gestaltung, worüber wir jetzt geredet haben, der völlig unter gegangen ist. Das kam nicht vor bei Linz09, trotz einiger Versuche, darüber zu reden und etwas auf die Füße zu stellen. Die Gründe sind jetzt egal, es geht um Inhaltliches. Das ist eine unglaublich vertane Chance, vielleicht war es die letzte, ich weiß es nicht, das kann niemand wissen, aber das wäre noch eine Chance gewesen, um sich zu positionieren in dem Bereich – zumal der Anknüpfungspunkt mit dem Forum Design ja da war, aber das nur eine Referenzveranstaltung im Wesentlichen war und nicht herüber gezogen wurde auf die jetzigen Aufgaben, verglichen mit dem, was damals das Forum Design war, eine hochinternationale, spannende, hochqualitative Auseinandersetzung mit den Bereichen. Das hätte gehört in Linz in dem Jahr, nicht als historische Referenz, sondern als Blick in die Zukunft. Das ist für mich das größte Manko. Das zweite sind wirklich die Ausgaben. Es standen, ich weiß nicht, 70 Millionen in etwa zur Verfügung, wenn man dazu rechnet, was noch dazu gekommen ist zu den 60 Millionen. Da darf man nicht daran denken, was hätte passieren können. Jetzt ziehe ich einmal ab, die ganzen Infrastruktur-, Personalkosten usw., da müssten auf jeden Fall noch 35 Millionen bleiben in etwa, oder 40 Millionen, nach meiner Rechnung. Was da hätte passieren können. Erstens in der Richtung, die jetzt genannt wurde und zweitens im Legen von gewissen Schienen. Da gibt es zwei oder drei, wo etwas gelegt worden ist, die jetzt weiter gehen, die budgetär aber unter „ferner liefen“ sind. Wenn du die Hörstadt nimmst, wenn du den Höhenrausch, diese ganzen Geschichten nimmst, das Gelbe Haus, den Kepler Salon, aber finanziell sind das ja keine Geschichten. Da ist ja nur ein Tröpfchen hin geflossen und nicht wirklich strategische überlegt worden, könnte der Kepler Salon so etwas wie ein Nukleus sein, um den herum man etwas entwickelt, was auch dann so implementiert wird, dass es weiter geht? Um das geht es ja. Nachhaltigkeit heißt für mich auch, dafür Sorge zu tragen. Das gilt für die Hörstadt, das gilt für den Kepler Salon, weil das sind zwei sehr gute Initiativen gewesen, wo man gewusst hat, die Gefahr besteht, die buttern soviel Geld jetzt hinein in das, kurzfristig, dass das dann niemand übernehmen kann, weil jeder nur verlieren kann, der das übernimmt. Weil er nicht so viel Geld hat. Das weiß jeder „Häuslbauer“ und insofern ist das der Vorwurf, dass das nicht geschehen ist. Es hätte anders investiert werden müssen. Inhaltlich ok, aber anders investiert werden müssen. Also die Bereiche des gesellschaftlichen Diskurses in Linz als ein ganz großes kulturelles Manko, das in Linz besteht, im Unterschied zu Graz. Da rede ich gar nicht von Bochum oder so, die ein völlig anders Niveau haben und auch quantitativ ganz anders sind als in Linz. Das wäre eine gute Aufgabe, eine spannende Aufgabe gewesen. Das ist auch nicht gelungen. Das ist das zweite große Manko. Am Beispiel Hörstadt hätten sich zwei oder drei solche Projekte entwickeln lassen. Selbstverständlich gab es auch Positives, das ist keine Frage. Für mich vor allem, jetzt abgesehen, ein paar musikalische Geschichten, ein paar Geschichten im Theaterbereich, das ist überhaupt keine Frage. Ich meine, die konnten nicht nachhaltig sein. Es muss auch nicht alles nachhaltig sein, was in einem Kulturhauptstadtjahr passiert. Da muss es Events geben, da muss es Veranstaltungen geben, die man sonst halt nicht in Linz sehen kann und da bleibt halt nichts davon übrig, außer einer wunderschönen Erinnerung, das ist auch ok. Aber die Hauptkritikpunkte beziehen sich eigentlich auf die zwei Schienen. Das ist die Frage der Gestaltung, des Umgangs mit dem öffentlichen Raum und der Architektur. Das gehört selbstverständlich dazu. Und die zweite Schiene ist der gesellschaftliche Diskurs im weiteren Sinn. Selbstverständlich ist Kulturpolitik oder kulturpolitischer Diskurs Teil eines gesellschaftlichen Diskurses. Da wäre auch eine tolle Chance da gewesen, weil da hat es eine Vorlaufzeit gegeben von ein paar Jahren, wo man schon anfangen hätte können, da viel mehr Bewusstsein zu schaffen und dann hätte man das anders aufsetzen können.

Wie schätzt du den Stellenwert von Hochkultur – Subkultur – Volkskultur in Linz ein?

Reinhard Kannonier: Ich glaube, dass die Hochkultur relativ gut positioniert ist in Linz. Ich sage einmal insbesondere im Bereich der bildenden Kunst. Das gilt sowohl für die Landesgalerie als auch für das Lentos. Bei der Musik ist es ambivalent. Es macht auch keinen Sinn. Das wäre wirklich blöd, zwischen Wien und Salzburg sich zu positionieren als Hochkultur-Musikstadt. Das wäre der größte Schwachsinn, den es geben kann. Da muss man einfach Nischen suchen, da muss man schauen, dass man eine Grundversorgung hat von einem bestimmten Publikum und halt überregional Nischen suchen. Deswegen sage ich, da ist es ambivalent. Was wirklich passiert ist, in einem unglaublichen Ausmaß, da kenne ich eigentlich fast nur ein Beispiel, wo das ebenso schnell gegangen ist, ist die Entwicklung des Brucknerorchesters. Das fällt einfach auf, dass das Brucknerorchester in den letzten zehn Jahren oder was weiß ich eine unglaubliche Entwicklung genommen hat und mittlerweile zu den besten österreichischen Orchestern gehört. Ich kenne eigentlich nur Birmingham, wo das so ähnlich war, in einem relativ kurzen Zeitraum von ein paar Jahren. Das zeigt, das ist richtig, wenn man sich manchmal aus den Zwängen von Haushalten heraus begibt, weil es einfach für ganz bestimmte Bereiche wichtig ist, bestimmte Persönlichkeiten an Linz zu binden. Gerade im Bereich der Hochkultur. Das gilt generell, aber im Bereich der Hochkultur und in dem Fall war Dennis Russell Davies halt ein Glücksfall, wo das passiert ist und das hat man gesehen, was das für Effekte hat. Das hat die Effekte gehabt, dass das Publikum wieder da ist, dass die Begeisterung für das Orchester da ist, dass der Stolz da ist. Und das finde ich, ist die positivste Entwicklung. Das ist auch gut positioniert, weil beim Repertoire des Brucknerorchesters – natürlich, es muss auch sein, dass es klassisches Orchesterrepertoire gibt – doch ein gewisser Wert auf die Aufführung von zeitgenössischer, so genannter klassischer oder ernster Musik auch gelegt wird. Das ist keine Frage. Also im Bereich der bildenden Kunst meine ich, weiß ich jetzt nicht, was man jetzt der Hochkultur … es meint eigentlich jetzt die Häuser, die Ausstellungen, nicht die Produktion, weil was ist die zeitgenössische Kunstproduktion? Ist das Hochkultur oder ist das Alternativ? Das ist schwierig und da sage ich halt, da kann sich Linz in gewissem Ausmaß von regionaler Bedeutung als Produzent von Potenzialen positionieren, was es auch tut, im Bereich der bildenden Kunst. Was Linz wahrscheinlich auch nicht schaffen wird und vielleicht ist es auch gar nicht sinnvoll, ist tatsächlich das so zu etablieren, dass Linz ein Ort wird, wo man von überall oder Österreichweit herkommt, um eben ganz gewisse Dinge anzusehen. Da fehlt die Galerieinfrastruktur. Das ist einfach eine Tatsache, dass sehr gute Leute, sobald sie künstlerischen Erfolg haben, von Linz weg gehen, was ganz klar ist. Die gehen halt dann nach Wien oder nach Deutschland oder was weiß ich wohin. Und die kann man auch nicht halten und soll man auch nicht halten. Das heißt, da halte ich es nicht für sinnvoll, dass sich Linz jetzt überregional positioniert. Das ist regional durchaus ok, wenn das einen regionalen Stellenwert hat. Ich meine, das ist auch gut für die Musik natürlich. Das ist klar, also ich will jetzt überhaupt nichts sagen über ein Konzerthaus oder so, weil da muss man schauen, wie das alles jetzt weiter geht. Ich weiß nicht, ob das jetzt ein eigener Punkt ist, wenn man über Brucknerfest oder solche Sachen redet, aber wahrscheinlich nicht. Das gehört grundsätzlich neu aufgestellt, aber da sind sich eh alle einig. Die Frage ist, wie man es tut. Aber im Bereich der Hochkultur heißt das, dass ich kein Feld sehe, wo Linz sich jetzt überregional positionieren kann. Und das auch in Zukunft nicht können wird, das glaube ich ist so. Überregional meint jetzt über Österreich hinaus. Natürlich wird es immer wieder Sachen geben, wo Leute dann von Salzburg oder von Graz oder von Wien her kommen, um sich gewisse Dinge anzusehen, das ist klar.

Wie schaut es mit der Subkultur aus?

Reinhard Kannonier: Das ist schwierig, was man darunter versteht.

Wäre es vielleicht leichter gewesen, wenn wir vor 30 Jahren dagesessen wären?

Reinhard Kannonier: Natürlich. Ja, vor 30 Jahren, durchaus. Das wäre überhaupt leichter gewesen. Das ist für mich sehr schwer einschätzbar zurzeit, sage ich ganz ehrlich. Aber die Frage ist wichtig, sie ist enorm wichtig. Weil wenn das stimmt, dass es das Ferment ist sozusagen, das unabdingbar ist … Wenn das Ferment weg bricht, dann brechen auch regionale Angebote von Hochkultur weg irgendwann einmal, da bin ich mir ganz sicher. In einem Ort wie Linz brauchst du so ein Ferment, das natürlich gefördert wird und gefördert werden muss. Deswegen war es ja im ersten Kulturentwicklungsplan, glaube ich, richtig, darauf zu setzen. Gerade in Linz, viel mehr als anderswo. Aber vielleicht hängt das auch mit meiner gerichteten Aufmerksamkeit zusammen, dass ich mir da jetzt wirklich schwer tue, das einzuschätzen. Faktum ist, dass sich die Kunst generell, ganz sicher die alternative Kunst, sich irgendwie zurückgezogen hat aus dem öffentlichen Raum, deswegen natürlich auch weniger wahrnehmbar ist. Ich habe vorher schon gesagt, das heißt aber noch lange nicht, dass sie nicht wichtig ist. Und dass es sie nicht gibt, sondern nur nicht auf traditionelle Weise. Deswegen tue ich mir da ein bisschen schwer. Ich kann es natürlich einschätzen im Bereich der bildenden Kunst oder bildende Kunst ist da der falsche Begriff, du weißt, was ich meine, also alles, was halt nicht Musik und nicht Theater ist und auch da ist es schon fließend, die Grenze. Auch mit der Musik. In Wahrheit gelten ja diese Schablonen schon lange nicht mehr. Ich kann es eher noch gefühlsmäßig sagen, dass ich glaube, dass da ein gewisser Rückgang da ist. Der hängt wahrscheinlich zusammen mit der Fragmentierung, mit der stärkeren Fragmentierung der Szenen. Der hängt wahrscheinlich auch zusammen mit der individuellen Fragmentierung im Sinne von keine Jobs und und und. Das war vor etlichen Jahren doch noch anders, muss man sagen. Das hängt natürlich auch mit einem allgemeinen, gesellschaftlichen Bewusstsein zusammen. Das ist für mich ganz klar. Das heißt, die Bereitschaft, sichtbar zu sein oder sich zu äußern, zu ganz bestimmten Themen, wird begünstigt oder eben nicht begünstigt durch ein allgemeines Klima und das ist halt seit Jahren schon so, dass es nicht begünstigt wird. Ich meine, ich merke es da an der Universität, wie furchtbar brav diese Dinge alle sind. Das ist ein Wahnsinn, aber der Druck ist natürlich da, Prekarisierung und und und. In dem Bereich tue ich mir wirklich schwer. Gefühlsmäßig würde ich sagen, sie ist zurückgegangen, was gleichzeitig dann hieße, eine Aufforderung, man muss auch etwas dafür tun, damit sie wieder mehr Tritt fassen kann. Das ist überhaupt keine Frage. Von sich heraus ist eine Dynamik nicht absehbar. Man kann sich immer täuschen, aber absehbar ist es nicht, dass aus sich heraus jetzt so etwas entsteht wie damals Ende der 1970er-Jahre.

Volkskultur in Linz?

Reinhard Kannonier: Das geht an meiner Wahrnehmung völlig vorbei. Ich stoße aber auch auf keine Plakate oder auf irgendetwas zu volkskulturellen Veranstaltungen in Linz. Jetzt rede ich von Volkskultur. Volkstümliche Kultur ist teilweise integriert in LinzFest, Kronefest usw. Da stößt man drauf, auf volkstümliche Kultur. Und ich unterscheide da sehr genau. Volkskultur ist wo anders beheimatet. Volkskultur ist einfach ein historisch definierter Begriff. Nicht belastet, sondern ein historisch definierter Begriff, der primär auf den ländlichen Raum sich beschränkt. Das muss nicht so sein. Was früher Arbeiterkultur auch geheißen hat oder jetzt vielleicht in einem breiteren Sinne, da würde ich eher für Alltagskultur plädieren. Da gibt es natürlich eklatante Rückgänge, da weiß ich es, da gibt es Rückgänge, von den Arbeitergesangsvereinen bis hin zu … das gibt es alles noch, aber das ist klar, wenn der gesellschaftliche Background weg bricht, dann bricht das auch weg. Ich habe das wirklich im klassischen Sinn verstanden jetzt, also Volkskultur. Ich meine, es gibt so Grenzbereiche, die schon präsent sind. Jetzt nehme ich einmal das Kunsthandwerk, wobei Kunsthandwerk würde ich in den meisten Fällen eher unter volkstümlicher Kultur subsumieren und nicht unter Volkskultur, deswegen zögere ich da auch. Die volkstümliche Kultur ist eher präsent in Linz.

Wenn du einzelne künstlerische Disziplinen wie Malerei und Grafik, Tanz, Theater, Musik, Literatur, Film, Fotografie usw. betrachtest: Wo würdest du meinen, wäre in der Stadt noch besonderes Entwicklungspotenzial vorhanden, etwas, was zu Linz passt?

Reinhard Kannonier: Ich meine, der Zusatz „was zu Linz passt“ ist ein Schlüsselsatz. Jetzt nicht im Sinne von affirmativ, sondern etwas, was zur Stadt passt im Sinne, da gibt es zwei Sachen, die vielleicht zusammen gehören. Weil aus dieser Vielfalt ist es, glaube ich, wichtig, sich zu konzentrieren. In Wahrheit geht es um eine Nischenpolitik und nichts anderes. Da kannst du schon lange nicht mehr alles verfolgen und mit der Gießkanne wirst du gar nichts erreichen. Da wirst du die Entwicklungspotenziale, die es wirklich gibt, nicht erreichen. Die haben zu wenig und die anderen haben zu viel. Es ist glaube ich sowieso nicht machbar. Wir haben eh schon ein bisschen darüber gesprochen, wo ich fragen muss, wo kann Linz sich jetzt nicht entwickeln oder Entwicklungspotenziale haben? Fangen wir ganz traditionell an. Ich sage das deswegen, weil es halt schon 30 Jahre her ist, das ist alles, was mit Medien zu tun hat. Damit meine ich jetzt keineswegs nur die Medienkunst, das ist ganz wichtig. Also Medien sind natürlich ein Potenzial in Linz in vielfacher Weise. Das ist erstens industriell da, wenn man sich die Struktur vor allem der Klein- und Mittelbetriebe ansieht, da hast du eine sehr gute Basis. Das ist im politischen Bewusstsein da, das ist auch in der Kulturszene irgendwie da, relativ breit. Und das ist auch in der Ausbildung mittlerweile da. Was wichtig ist. Sozusagen eine bestimmte Wertschöpfungskette zusammen zu bringen, das meine ich jetzt nicht im betriebswirtschaftlichen Sinn, sondern in einem anderen Sinn. Da gehören einfach ein paar Bausteine, Module dazu, sonst wird das nicht funktionieren, das ganze. Und Ausprobieren ist ein wichtiger Bereich. Auch wenn die meisten Leute weg gehen, vor allem die guten, trotzdem, die sind eine Zeit lang da, die geben etwas weiter, es gibt auch andere usw. Das ist enorm wichtig. Das sieht man überall dort, wo es … da gibt es mittlerweile schon genügend Untersuchungen dazu. Also das ist Medienkunst bis hin zur Gestaltung. Natürlich sind Gestaltungsfragen auch Medienfragen mittlerweile, schon lange. Da meine ich nicht nur Fassadengestaltungen usw., sondern das ist ein ganz ein breiter Bereich, der geht hin bis zu dem, was ich vorher gemeint habe, mit gesellschaftspolitischem Diskurs. Der Umgang mit Kommunikationsformen. Da nenne ich nur drei oder vier Begriffe, die man halt dauernd hört, Facebook, Chatroom usw., aber das ist es ja nicht. Es geht um eine Kultur, die da entsteht. An den Rändern durchaus auch Kunstformen, die sich da reiben und entwickelt werden. Das ist in Linz vorhanden. Da gibt es Entwicklungspotenzial. Da ist eine gute Infrastruktur da und es ist eine Nischengeschichte, weil es in der Kompaktheit auch da ist. Das ist ein Vorteil von Linz, die Kompaktheit. Das ist überschaubar, die Ausbildung, die Institutionen, da ließe sich etwas daraus entwickeln. Da glaube ich, ist ein großes Potenzial da. Der Bereich der Alltagsästhetik und nicht der Gestaltung, damit klar ist, dass damit Ästhetik gemeint ist und das auch etwas mit Kunst zu tun hat. Ich hoffe nicht, dass der Zug schon abgefahren ist. Das traue ich mir aber nicht zu sagen. Es wird sehr viel davon abhängen, nicht so sehr, wie es mit der Tabakfabrik ist … Also alle schauen jetzt auf die Tabakfabrik. Das ist völliger Quatsch. Ob es eine Tabakfabrik weiter geben wird, das ist relativ entkoppelt von der Frage zu sehen. Natürlich kann die Tabakfabrik eine gewisse Rolle in so einem Prozess spielen, aber die Schienen müssen anders gelegt werden. Grundsätzlich hast du da ein paar Module zumindest, die da sind, die vorhanden sind. Du hast eine gute Ausbildung, jetzt nicht nur im Bereich der Grafik-HTL bis zur Kunstuniversität, da gibt es mehrere. Dann hast du zumindest in Ansätzen doch auch … jetzt halte ich gerade inne … im Designcenter, da wird gerade für das, was sehr Linzspezifisch ist, eine 08/15-Designmesse durchgeführt, leider, das ist klar, kommerziell und es ist auch ok, dass es kommerziell ist. Vielleicht ist das sogar ein Ansatzpunkt für eine Debatte: Wie gehen wir in Zukunft damit um? Aber auch da gilt, Infrastruktur ist selbstverständlich da, weil in manchen Betrieben oft schon, stelle ich fest, ein relativ hohes Bewusstsein von Gestaltungsfragen, bei Produkten, aber auch bei Dienstleistungen usw., da ist. Du hast da eine Situation, die nach wie vor zumindest nicht schlechter ist als in Graz, würde ich einmal sagen. Als Ausgangspunkt. Ein Riesenvorteil von Graz ist, dass sich jetzt die Politik darauf gesetzt hat und dass das wirklich einfach gepusht wird. Und das setzt sich irgendwann dann auch nieder, dieser Unterschied. Aber der Bereich, den halte ich für enorm wichtig. Architektur hat sich sehr stark verbessert. Nicht nur jetzt an der Kunstuniversität, wo gerade in den letzten Jahren und das wird auch so weiter gehen, mit der Kuzinez-Stiftung jetzt, die wir dann einmal besetzen werden und und und. Also das heißt, da sind wir personell stärker und besser aufgestellt als je zuvor, das ist schon wichtig. Aber auch Architektur in Linz, in Oberösterreich jetzt, so eng sehe ich das nicht, hat sich sehr, sehr gut entwickelt in den letzten 10 bis 15 Jahren. Da ist ein Potenzial da an Gestaltungsbewusstsein. Da glaube ich, ist einiges drinnen. Und auch da Konzentration auf Alltag, nicht Konzentration auf Solitäre. Es geht nicht um ein Guggenheim à la Bilbao, sondern es geht um Alltag und Nachhaltigkeit. Das könnte für Linz sozusagen der Punkt sein, wo es sich längerfristig positionieren könnte.

Mich würde interessieren, welche drei thematischen Schwerpunkte mit Kunst- und Kulturbezug deiner Meinung nach zukünftig die größten Herausforderungen für die Stadt darstellen werden?

Reinhard Kannonier: Im Kultur- und Kunstbereich wird sie mit gar nichts konfrontiert sein, wenn sich nicht von sich aus etwas tut. Das ist völlig klar. Wenn du nicht pro-aktiv bist, passiert nichts. Das ist völlig klar. Wie gesagt, vielleicht täusche ich mich und vielleicht bin ich zu pessimistisch, aber ich glaube, dass das in den nächsten Jahren einfach nicht spürbar ist. Dass von sich aus sich wirklich etwas entwickelt, womit die Politik konfrontiert wird. Jetzt rede ich nicht von einzelnen Kleinigkeiten, sondern wirklich in größerem Ausmaß. Das kann ich mir schwer vorstellen. Das heißt, das glaube ich einmal nicht, das heißt, es geht eher darum von sich aus initiativ zu sein. Über zwei Themen haben wir schon gesprochen. Bei Inhalten wäre ich sowieso sehr vorsichtig. Wenn ich von Alltag und Gestaltung rede, dann ist schon sehr viel Inhalt vorgegeben. Ich meine, mir ist auch nicht egal, wie der Power Tower oder der Terminal Tower oder Wissensturm oder das neue Raiffeisengebäude aussieht. Jetzt rede ich gar nicht von der Landesverwaltung beim Bahnhof dort. Ich meine, das sollte zumindest eine Alltagsqualität aufweisen. Es muss aber auch nicht so sein, dass dort die Solitäre stehen, die Skulpturen, so wie das Kunsthaus in Graz. Das passt nicht zu Linz und ist vielleicht aus Repräsentationszwecken gut oder es aus touristischen Gründen, so wie in Bilbao. Nur funktioniert das, weil Bilbao Bilbao ist und nicht Linz. Linz wird nie eine Tourismusstadt werden. Und in Bilbao war das ein toller Verstärkereffekt, dass Leute dort wegen einer schönen Skulptur hingehen. Das ist ganz klar, das kann Linz nie sein. Eine inhaltliche Vorgabe wäre schon: Leute, konzentriert euch auf so etwas, je nachdem, in welchem Bereich ihr arbeitet. Jetzt reden wir aber nicht von Malerei, aber vielleicht auch dort, aber das ist schwerer zu fassen. Da würde ich auch gar nichts vorgeben wollen. Aber ich würde schon sagen, wenn ihr da bleiben wollt, wenn ihr da etwas beitragen wollt oder wenn ihr da aktiv sein wollt, dann würde ich meinen, dass es sinnvoll ist, sich genau auf solche Alltagsqualitäten zu konzentrieren. Mit diesen Alltagsqualitäten kannst du nämlich dann überregional punkten à la longue. Das macht sich dann natürlich bezahlt. Und aus diesen Alltagsqualitäten werden dann auch wieder andere Geschichten entstehen. Nur umgekehrt passiert es fast nie. Das heißt, von einer Skulptur kannst du nicht schließen: Aha, die Stadt wird jetzt architektonisch besser. Kenne ich kein einziges Beispiel, wo das so ist. Während da, wo relativ viel Gutes entstanden ist, da siehst du, plötzlich entstehen auch Solitäre, die dann wieder hinein passen, weil einfach eine ganz andere Grundstruktur da ist. So was ist zum Beispiel ideal. Wenn etwa das Projekt gemacht wird, die Entwicklung im Hafenbereich, da sind die Ansätze schon da und da ist noch nichts verhaut gestalterisch. Das wird eine Schlüsselgeschichte sein. Das kann man sehr gut beobachten. Jetzt rede ich nicht von Barcelona oder so, weil das sind größere Städte mit anderen Möglichkeiten. Das ist klar. Duisburg ist zwar auch größer, aber was die finanziellen Möglichkeiten anbelangt nicht so besonders und es dauert alles ein bisschen länger, aber was sich dort abgespielt hat in den letzten Jahren im Hafenbereich ist fantastisch. Da ist wieder so ein Beispiel, wie man so etwas sukzessive entwickeln kann, was dann attraktiv wird. Und da glaube ich, das lässt sich alles subsumieren unter diesen beiden Punkten, die ich schon als Manko bei Linz09 genannt habe, aber auch als Nischen, als potenzielle Nischenprodukte für die Kultur in Linz. Da lässt sich das sehr gut subsumieren. Und sonst würde ich inhaltlich keine Vorgaben geben, also den Leuten im Kulturentwicklungsplan oder wie auch immer, wenn ich verantwortlich wäre. Ich meine, die Leute müssen sich mit dem auseinandersetzen, was sie beschäftigt, weil sonst wird da nichts draus. Da müssen sie selber irgendwie das Feuer haben. Irgendwas muss zumindest ein bisschen flackern. So künstlich etwas anzünden, das ist sehr schwierig, nämlich wenn es rundherum fehlt, wenn das Ambiente fehlt. Und das ist eben momentan nicht da. Und nur damit kein Missverständnis entsteht, ich verstehe unter Kunst und Kultur im öffentlichen Raum nicht das, was in den letzten 50 Jahren gemacht wurde. Also Zumüllen mit Statuen oder so etwas, was es im Alltagsverständnis bedeutet. Das verstehe ich überhaupt nicht darunter. Also wir werden genug zugemüllt mit Kunstwerken und Brunnen usw. Das brauchen wir nicht, sondern ganz etwas anderes. Nur damit da kein Missverständnis entsteht.

Zu den Themenbereichen. Kunst im öffentlichen Raum, Kunst am Bau. Was fällt dir ganz allgemein zum Thema „Kunst am Bau“ im Zusammenhang mit Linz ein?

Reinhard Kannonier: Dass es in einer unglaublich traditionellen Sicht nach wie vor gehandhabt wird. Das heißt es gibt eine Trennung zwischen der Bauplanung, Bauausführung und Kunst am Bau. Meiner Meinung nach gehört das bei der Bauplanung schon miteinbezogen. Der Prozess muss ganz ein anderer sein. Nicht Kunst am Bau, sondern Kunst im Bau oder Kunst um Bau. Wie immer man das auch nennt, aber der Begriff kommt ja aus der Zeit der 1950er-, 1960er-Jahre, wo dann halt irgendwie noch ein Bild draufgeklatscht wird und damit hat man einen Künstler gefördert und das war es. Also ich glaube, in Zeiten wie diesen ist das alles nicht mehr möglich. Das heißt, von mir aus der Budgetanteil von einem Prozent für öffentliche Bauten, es sollten auch private sein, sollte natürlich bleiben bzw. erhöht werden, auch wenn das die Architekten … natürlich, das ist schwierig, ich weiß, der Prozess zwischen Kunst und Architektur, aber Linzer Architektur versteht sich ja auch als Kunst, und zu Recht und in diesem Sinne, das heißt, das gehört am Anfang hinein. Und das geschieht noch kaum wo. Ganz selten. Das fällt mir ein dazu.

Sonst noch etwas, speziell zur Situation in Linz?

Reinhard Kannonier: Es ist nicht gut. Die Konsequenz daraus ist, aus dem was ich gesagt habe, dass das denkbar ungünstig ist immer. Es gibt jetzt gewisse Ansätze bei der AK oder im Landesrechnungshof oder so, wo versucht worden ist, mit der Architektur schon … oder im privaten Bereich, wo das fast beispielhaft geschehen ist, ist im Spitzhotel, wo wirklich sozusagen schon am Beginn, bei der Planung des Umbaues, die Kunst mitimplementiert wurde. Das sind wünschenswerte Prozesse. Aber bis auf ein paar positive Beispiele fällt mir sonst – und vor allem was sichtbar ist und was auch Öffentlichkeitswirksamkeit hat, bewusstseinsbildende Wirksamkeit hat – nicht viel ein dazu.

Du hast vorher den Begriff „Kunst im öffentlichen Raum“ mehr oder weniger vermieden. Mich würde interessieren, wieso du den vermieden hast? Meine Wahrnehmung von Kunst im öffentlichen Raum und speziell die Situation in Linz ist jene, dass wenn überhaupt, dann nur sehr temporär und wenig Kunst im öffentlichen Raum passiert und wenn, dann muss man einen sehr erweiterten Kunstbegriff anwenden. Dann geht es um Kultur im öffentlichen Raum und da auch wieder nur im Zusammenhang eher mit temporären Veranstaltungen, Festen, die dann von sehr populären Formaten wie dem LinzFest bis hin zum Höhenrausch gehen. Das ist Kunst im öffentlichen Raum im erweiterten Sinn in Linz. Und dann ist es aber fast vorbei. Das kann ja nicht der Anspruch sein einer Stadt, wenn es um Kunst im öffentlichen Raum geht und schon gar nicht das, was du vorher gesagt hast, oder?

Reinhard Kannonier: Nein, nein, das meine ich ja nicht. Ich habe auch gar nicht so sehr die temporären Geschichten gemeint. Also die breiten Geschichten sind klar. Das ist auch positiv und das ist zu forcieren einfach, weil die müssen ein Klientel für Kunst und Kultur erzeugen. Das ist die Aufgabe und die ist auch machbar mit Qualität. Davon bin ich überzeugt. Ich will jetzt gar nicht ins Detail gehen, was was ist, das ist jetzt einmal egal. Von der Klangwolke bis zum Dings usw., da ist Linz nicht schlecht im Vergleich zu anderen Städten. Im Gegenteil. Da gibt es in Linz mehr als in Graz oder Salzburg, ganz deutlich mehr. Das hängt wohl damit zusammen, dass halt diese Kunst im öffentlichen Raum ein politischer Wille war. Aber das habe ich gar nicht so sehr gemeint, eben mit temporären Veranstaltungen, sondern eher die strukturellen Implementierungen. Vor allem Kunst, Kultur im Raum. Und da verwende ich den Begriff deswegen ungern, weil der eben etwas ganz Bestimmtes bedeutet, historisch. So wie wir vorher über die Volkskultur geredet haben, das ist auch ein historischer Begriff, ist auch Kunst im öffentlichen Raum ein relativ klarer Begriff, wenn er damit strukturelle Kunstproduktion meint. Und da gibt es schon viel in Linz. Da muss man mit offenen Augen durch die Stadt gehen. Schau einmal, wie viele Skulpturen immer irgendwo herum stehen und Brunnen und sonstiges. Also es ist jede Menge. Für mich geht es um eine Ästhetisierung des öffentlichen Raums. Das ist das Ziel. Der Begriff „Kultur für alle“, diese Schlagworte, das interessiert mich nicht. Was mich schon interessiert und das ist ein anderer Zugang zu dem, das ist die Ästhetisierung des öffentlichen Raums. Weil darauf haben die Leute einen Anspruch. Und damit trägst du auch Kunst und Kultur in den öffentlichen Raum hinein. Nicht mit dem Holzhammer und so, aber du trägst es hinein. Und das ist der Punkt, auf den es ankommt und das muss man sich bei jeder Gestaltung im öffentlichen Raum, bei jedem Gebäude, bei jedem Umfeld genau unter diesem Aspekt ansehen. Das heißt, wenn es um die Tabakwerke geht, geht es natürlich auch um die Tabakwerke selber, aber selbstverständlich geht es um den Reifenhändler, um die Schlachthofhalle, um den Raum insgesamt. Das hat überhaupt keinen Sinn, jetzt über die Nutzung von den Tabakwerken nachzudenken als längerfristiges Konzept. Das wird sich nicht alles auf einmal reduzieren lassen usw. Und dasselbe ist im Hafen oder wo auch immer. Das meine ich. Ich würde mir einmal wünschen, ein Beispiel, dass eine bestimmte Gruppe von Kulturschaffenden, das sage ich jetzt absichtlich, also Architekturleute, Designer, Künstler usw., über den Hauptplatz drüber gehen und den Hauptplatz ästhetisch neu gestalten. Das wäre doch eine schöne Aufgabe. Ich schwöre dir, der würde entrümpelt werden zunächst. Das ist ein unglaublicher Sauhaufen und eine vertane Chance. Niemand wird die Blümchen vermissen. Jetzt sage ich das absichtlich sehr pointiert. Das verstehe ich darunter. Das heißt, erstens muss es per se interdisziplinär sein. Ganz wichtig von meinem Verständnis. Das hilft auch wieder allen anderen. Es hilft uns als Ausbildungsstätte, den Druck auf die Interdisziplinarität zu verstärken. Wenn der Markt sozusagen auch da ist. Und und und. Das hätte eine Folgewirkung, die sehr, sehr positiv wäre. Das ist methodisch, was ich meine unter Kunst im öffentlichen Raum. Die Ästhetisierung des öffentlichen Raumes ist die primäre Aufgabe unter einem heutigen Verständnis von Kultur für Alle oder Kunst für Alles. Natürlich impliziert das temporäre Veranstaltungen. Das ist klar. Aber es impliziert auch eine hochwertige Infrastruktur.

Es geht um visuelle Stadtentwicklung.

Reinhard Kannonier: Genau. Das ist zum Beispiel etwas, was wir in Dornbirn wahnsinnig lange diskutiert haben und zwar lange, bevor ich dort angefangen habe mit dem Kulturleitbild. Weil das dort schon praktiziert worden ist, war das so leicht, zum Beispiel, was Verkehrslösungen anbelangt, die Gestaltung von Haltestellen bis hin zu Infopoints usw. Das ist Europaweit eines der berühmtesten Beispiele, da kommen Leute von überall her, schauen sich das an. Und dann tust du dir leichter, da aufzusetzen. Was die dann in Dornbirn nicht so sehr interessiert hat, war die Kunst. Aber zumindest einmal der Schritt ist ganz wichtig, ein Verständnis dafür zu erzeugen. Es kostet nicht sehr viel Geld mehr oder überhaupt keines mehr. Das ist alles nicht eine Frage des Geldes, sondern eine Frage des Bewusstseins. Und das meine ich unter Ästhetisierung des öffentlichen Raums. Das fällt auch rein in das, was du vorher gemeint hast, man müsste eigentlich für so eine Region oder für so ein Gebiet wie es der Hafen ist oder auch das Umfeld von den Tabakwerken das ganze Areal einfach einmal von ExpertInnengruppen bearbeiten lassen, wie auch immer sich dann daraus Partizipation entwickelt. Das werden dann die spannenden Modelle. Aber vorher überhaupt drüber gehen lassen und ohne Vorgaben zunächst. Ich rede jetzt ganz bewusst von der Stadt. Da ist einfach eine Scheu davor da, das zu tun. Das wäre im eigenen Interesse und Nutzen. Da wäre das absolut super, weil das könnten Vorzeigeprojekte werden, wo Linz sich wirklich positionieren könnte. Und man müsste auch nicht von Null anfangen, eben weil es international schon einige Beispiele gibt. In unterschiedlichsten Ausprägungen und Arten usw.

Wie siehst du in diesem Zusammenhang diese Parallelentwicklung von Kulturentwicklung und Stadtentwicklung in der Stadt? Ich meine, bei so einem Projekt wie Linz09, das sich Stadtentwicklungsprojekt gesehen hat, werden dann nicht einmal die Leute der Stadtentwicklung oder Stadtplanung entsprechend eingebunden, oder?

Reinhard Kannonier: Jetzt mit ganz wenigen Ausnahmen oder wo es Schnittstellen gibt, die auch definiert worden sind, die auch dann politisch umgesetzt worden. Aber in der Regel ist das überall so. In Österreich ist mir kein einziges Beispiel bekannt. In Dornbirn ist es eigentlich auch gescheitert eher von Seiten der Wirtschaft und der Stadtplaner her und da hat die Kommunikation nicht funktioniert.

Nächster Themenbereich. Netzwerke, Kooperationen, Zusammenarbeit. Mich würde interessieren, von der Kunstuniversität her gesehen, gibt es ja sehr viele Verbindungen, sehr viele Kooperationen mit anderen Kunst- und Kultureinrichtungen. Vom AEC angefangen bis zu kleinen Initiativen. Gibt es irgendwo Grenzen der Zusammenarbeit?

Reinhard Kannonier: Es gibt qualitative Grenzen der Zusammenarbeit. Für mich. Es gibt gesellschaftspolitische Grenzen, es gibt ästhetische, also qualitative Grenzen. Ja, das ist es. Also unter gesellschaftspolitisch verstehe ich jetzt sowohl politische als auch, ich weiß nicht, mit Waffenproduzenten oder irgendwie so was. Oder mit irgendwelchen Diktatoren.

Und ästhetische Grenzen wären?

Reinhard Kannonier: Ich habe gerade Syrien abgesagt. Da war das noch nicht so absehbar. Ich habe schon ein schlechtes Gefühl gehabt, obwohl das alles sehr offen war, sehr ambitioniert, aber so etwas kannst du nicht machen, ganz klar. Das meine ich damit. Wir versuchen das auch zu praktizieren. Wir haben ja sehr viele Kooperationsangebote, viele mehr als wir machen können, aber auch wollen. Und da selektieren wir schon. Also es muss passen, die Qualität muss passen. Ich will jetzt nicht den Namen nennen, aber es gibt in der Möbelbranche Unternehmen, die auch schon mit uns kooperieren wollten, wo wir das nie tun würden. Jetzt nicht so sehr aus moralischen Gründen. Bei IKEA könntest du sagen, da hätte ich meine Bedenken. Aber jetzt sage ich einmal österreichische, kleinere Produzenten. Und es gibt Fälle, wo du sagst: „Super, das passt gut zusammen.“ Das ist sozusagen die Universität. Was ich nicht weiß, oder schon weiß, aber halt nicht eingreifen will, das sind individuelle Kooperationen, zum Beispiel zwischen den Industriedesignern und Firmen. Wobei mir bis jetzt wirklich noch nicht aufgefallen ist, dass da etwas schlechtes oder so dabei gewesen wäre, wo man sich schämen muss dafür.

Wenn man über die eigene Einrichtung hinaus sich den Kunst- und Kulturbereich als gesamtes in Linz ansieht, dann könnte man denken, dass jeder mit jedem kooperieren kann. Wie beurteilst du die Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Kultureinrichtungen und den NGOs/NPOs bzw. Einzelpersonen aus dem Kunst- und Kulturbereich in Linz?

Reinhard Kannonier: Da ist etwas Wahres dran und das ist zum Teil auch ein Bild, das einfach von sich selbst entworfen wird, das so natürlich nicht stimmt. Wahr ist, dass es in Linz erstaunlich gut funktioniert seit einiger Zeit, Kooperationen oder irgendwelche Gespräche. Da kenne ich andere Situationen von anderen Städten. Undenkbar wäre das. Jetzt rede ich nicht nur von österreichischen Städten. Das wäre undenkbar. Das funktioniert aus Gründen der Generation usw. und halt von Leuten, also wie auch immer. Aber es ist natürlich nicht so, dass deswegen daraus schon eine Dynamik entstünde, die zum Beispiel in die Richtungen, über die wir vorher geredet haben – und dazu wäre so etwas natürlich notwendig – leicht zu erzeugen wäre. Selbstverständlich gibt es eine politische Konkurrenz nach wie vor. Ich glaube, dass jetzt das Verständnis da ist, weil es auch in der Kultur am leichtesten ist. Das muss man auch dazu sagen. Für die Politik jetzt. Da die Leinen einmal ein bisschen lockerer zu lassen, um zu sagen, was weiß ich, Beispiel Brucknerfest, Stadt und Land, jetzt müssen wir gemeinsam im Wesentlichen auch auf Druck von Außen etwas tun, weil natürlich, wenn das neue Musiktheater steht, dann muss man sich etwas überlegen für das Brucknerhaus und und und. Das sind so Fragen, wo sich schon etwas bewegt hat. Das Netzwerk halte ich für enorm wichtig für so eine kleine Stadt wie Linz, das doch auf sich selbst geworfen ist zu einem großen Teil. Wenn es eine Wirksamkeit erzielen will, dann ist das einfach Voraussetzung, weil sonst geht gar nichts. Da musst du eine bestimmte Power erzeugen, sonst funktioniert das nicht und das geht nur interdisziplinär und interinstitutionell und gebündelt auf bestimmte Ziele hin. Sonst wird das nicht funktionieren. Deswegen halte ich das auch für so extrem wichtig. Hat mich auch immer interessiert. Zeit meines Lebens habe ich eigentlich das gemacht, schon als Historiker, immer versucht zu bündeln und Ziele zu formulieren und was wollen wir jetzt raus bekommen usw. Das war zu meiner Zeit, eben das Brucknerhaus, ungleich schwieriger. Kooperationen. Da war der einzige Wilfried Seipel, der war damals erstaunlicher Weise der, mit dem wir auch eine gemeinsame Konzertreihe gemacht haben im Landesmuseum. Aber sonst hat es niemanden interessiert und das war wirklich sehr, sehr mühsam. Das ist deutlich besser geworden und das weiß ich aus eigener Erfahrung. Aber es ist noch lange nicht dort, wo es eigentlich hin gehört. Das ist überhaupt keine Frage. Da ließe sich sehr genau eigentlich an den Rädern drehen, wenn man bestimmte Vorstellungen hat, wo es notwendig wäre. Da gibt es objektiv eigentlich nicht wirklich einen Grund, warum man da nicht einen Schritt weiter nach vorne kommen kann, jetzt innerhalb der Kulturinstitutionen. Wo es dann schwieriger wird, aber das ist für mich mindestens genauso wichtig, das sind die Verbündeten, von denen ich geredet habe. Das heißt, du kannst letztlich kulturelle Ziele, von den künstlerischen ganz zu schweigen, nur dann durchsetzen, wenn du Verbündete hast. Wenn die etwas kosten und wenn die auch wirklich implementiert werden sollen und wenn du Ästhetik, so ein hehres Ziel hast, dann schon überhaupt und nicht nur punktuelle Events. Punktuelle Events, da findest du leichter etwas. Das heißt, es ist einfach notwendig, Bündnispartner in der Politik, in der Wirtschaft zu haben. Das ist eh alles sehr bekannt und da braucht man das Rad nicht neu erfinden. Wahrscheinlich muss man Kommunikationsformen neu erfinden, wahrscheinlich muss man Formate neu erfinden, muss man Vermitteln ganz sicher neu erfinden. Das merke ich immer wieder. Also was da für Vorurteile gegenseitig natürlich bestehen, das ist oft verblüffend. Aber ich glaube, das zur Erreichung eines solchen Ziels … wo man auch die Privaten unbedingt mit hinein nehmen muss, weil öffentlich ist ja nicht alles und manchmal ist es sogar so, also in Österreich eher weniger, aber es gibt in Deutschland öfter, in der Schweiz noch viel öfter, dass Private etwas vorgeben, diesbezüglich an Qualität, wo sich dann die öffentliche Hand schwer tut sozusagen, da irgendwie hinterher zu rudern. Das ist durchaus möglich. Da kann man zum Mayer stehen, wie man will. Aber immerhin hat er einen Qualitätsanspruch für seine Häuser. Natürlich will er in erster Linie Gewinn machen damit. Das ist schon klar. Das ist auch nur ein Nebenjob von ihm, ein kleiner, aber immerhin. Er sagt also, da kommt nur Qualität hinein. Und da er auch irgendwie in gewisser Weise kunstaffin ist, bis zu einem gewissen Grad … da gibt es mehrere, und solche brauchst du als Bündnispartner, damit du wirklich auch den Druck auf die Politik erhöhen kannst. Netzwerk meint damit sozial breiter gestreut, also nicht nur im eigenen Kunst- und Kultursumpf schwimmen, also auch regional, natürlich auch regional. Du brauchst einfach gewisse Partnerschaften, auch internationale, wo du dich austauschen kannst, wo du eine gewisse Kontrolle, den Blick von Außen hast, den brauchst du, um etwas zu evaluieren. So wie wir das im Kleinen machen und das machen wir auch freiwillig, dass wir halt jede Profilsäule von Externen evaluieren lassen, weil wir einfach wissen wollen, wie die das sehen. Liegen wir richtig mit dem Studienangebot, fehlt da was und und und? Und so etwas ist einfach auch wichtig für so eine Entwicklung. Und das heißt, die brauchst du auch, du brauchst starke lokale aber auch internationale Partner.

Du hast in einem Zwischensatz noch etwas Wichtiges gesagt und du hast es vorher auch schon zweimal gebracht. Wenn man jetzt so will, neben den institutionellen Verschränkungen und dem Finden von Akteurskonstellationen, Allianzen, Verbündeten, geht es auch um eine interdisziplinäre Verschränkung, gerade auch, um so hehre Ziele wie eine Ästhetisierung der Stadt zu erreichen. Ist dir da in der letzten Zeit irgendwo etwas aufgefallen, wo du dir gedacht hättest, zwischen den einzelnen künstlerischen Disziplinen wäre eigentlich eine stärkere Verschränkung in der Stadt dringend notwendig?

Reinhard Kannonier: Ja, das wäre absolut dringend notwendig. Es gab immer so Tröpfchen irgendwo, eh architekturforum zum Beispiel. Ich möchte mich jetzt nicht inhaltlich zu bestimmten Einrichtungen äußern, aber es gab jetzt schon Chancen. Auch wenn ich an das Salzamt denke. Also nicht jetzt hintereinander, es ist eh alles sehr brav und sehr klar, aber in Wahrheit könnten auch solche Sachen Wegbereiter sein. Selbst das Nordico oder gerade das Nordico. Das wäre vielleicht durchaus ein Ort, wo man eine gute Struktur schaffen kann und das sozusagen animieren kann oder wo man Projekte verwirklicht. Und kein Projekt der Gestaltung im öffentlichen Raum geht ohne Interdisziplinarität. Das ist ganz einfach. Weil sobald du irgendwo etwas hinstellst, muss ein Statiker dabei sein oder du nimmst dir halt keinen Statiker sondern einen Architekten, der von ästhetischer Gestaltung etwas versteht und nicht nur von Physik usw. Das ist alles machbar und müsste natürlich auch gefördert werden. Das sehe ich auch durchaus als Aufgabe der öffentlichen Hand, solche Projekte primär zu fördern. Wir tun es ja auch. Also wir tun in der Uni, jetzt beim PhD-Programm, das wir neu aufgesetzt haben, aber auch sonst ganz dezidiert unter zwei Voraussetzungen fördern. Die erste Voraussetzung ist, dass die Betreuungen mindestens zwei Leute sein müssen aus zwei unterschiedlichen Disziplinen, damit zumindest einmal die Lehrenden sozusagen da … und auch von den Studierenden her, da bekommen sie ein Stipendium, also es gibt wenige, aber es gibt ein paar Stipendien, die eben vergeben werden. Und so kann es auch eine öffentliche Hand machen. Wo man weiß, dass das die Zukunft sowieso ist. Da brauche ich gar kein Kulturmensch sein, das weiß mittlerweile jeder, dass die Zusammenarbeit der Disziplinen, diese Verschränkung, das Um und Auf ist in Europa. Das andere wird eh wo anders gemacht. In China bilden sie zurzeit ca. 35.000 Industriedesigner aus. In fünf oder zehn Jahren sind die am Markt zu einem Preis, da brauchst du gar nicht reden darüber und wir brauchen jetzt nicht klassische Industriedesigner auf der Universität ausbilden. Wenn du das überträgst, dann geht es schon darum, dass man halt versteht, dass in solchen Ländern wie Österreich oder in Regionen wie Linz im Besonderen, das natürlich ganz andere Zukunftsaufgaben sind. Auch in der Positionierung der Industrie usw. Das wird zum Teil eh gemacht. Das steckt dahinter sozusagen.

Nächster Themenbereich. Schule und Bildung, Wissenschaft.

Reinhard Kannonier: Ja, solange … ich habe vorher gesagt Module, für das Ganze, man kann das auch für mehrere Sachen anwenden, aber für diese Wertschöpfungskette. Ich bleibe jetzt einmal bei den Begriffen. Da brauchst du einfach bestimmte Module und da sind zwei ganz besonders wichtig. Das ist der ganze Bereich der Ausbildung. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Ausbildung nicht nur Ausbildung sein darf, sondern Bildung meint eben auch, Querschnittskompetenzen vermitteln zum Beispiel. Das eine ist am Anfang, das andere ist am Ende. Ganz am Ende nicht, aber jetzt eher am Anfang und eher am Ende angesiedelt. Und beides ist wichtig, damit es hält, was alles dazwischen passieren muss. Das heißt, du brauchst einmal die Inputs, die inhaltlichen für was auch immer. Und die Leute, die das können. Und du brauchst sozusagen die Bewusstseinsbildung am Ende, dass das wichtig ist, was gemacht wird. Das ist ganz einfach. Sonst hält das alles dazwischen a la longue nicht. Deswegen sind diese Bereiche so wichtig und sind auch wahnsinnig spannend.

Wenn man mit den jüngeren Jahrgängen anfängt, Schülerinnen und Schüler in Linz. Wie schätzt du das Interesse von Linzer Schülerinnen und Schülern am bestehenden Kunst- und Kulturangebot ein? Fällt dir irgendetwas auf?

Reinhard Kannonier: Ich klinke mich so ungern ein in dieses allgemeine Jammern. Die Beobachtung zeigt einfach, dass es sehr schwierig ist. Ich meine, deswegen ist es ja so wichtig. Dieses Ende. Damit auch der Anfang dann einmal auf breitere und vor allem auch bessere Füßen gestellt wird. So eine Stadt wie Linz braucht eine hochqualitative Ausbildung. Die braucht in den Schlüsselbereichen und in ihrer Positionierung eine hochqualitative Ausbildung. Damit sich jetzt nicht nur Leute aus Linz bewerben für eine hochqualitative Ausbildung oder an die LISA gehen in Auhof oder in den internationalen Kindergarten gehen. Also auf so einer banalen Ebene angefangen, das fängt in Wahrheit in den Kindergärten an. Welche Kindergarteninfrastruktur, wie hältst du so ein Publikum? Das klingt alles jetzt ein bisschen elitär, aber das ist zumindest in den nächsten, ich weiß nicht, traue ich mich nicht sagen, 100 Jahren, noch so. Keine Ahnung. Aber es ist so und deswegen fängt das in Kindergärten schon an. Und das ist absolut nicht erkennbar, dieses Interesse. Ich meine, die werden halt durchgeschleift, zum Beispiel am Tag der offenen Tür. Ich habe die Erfahrungen allerdings nicht, die im AEC zum Beispiel gemacht werden. Das AEC hat zehntausende an Schülerinnen und Schülern, die da durch gehen. Auch im Lentos usw., da werden die mehr wissen an persönlicher Erfahrung. Aber so mein Eindruck ist nicht, dass da … woher sollen die das auch haben, nicht? Die müssen das aus den Schulen haben und von den Lehrern. Die Angebote im öffentlichen Raum. Das ist der Schlüssel.

Gerade wenn es um den öffentlichen Raum geht, wird der außerschulische Bereich von Jugendzentren bis zu den Musikschulen immer unterschätzt, oder?

Reinhard Kannonier: Ja, ganz klar. Aber nicht nur die traditionellen Jugendzentren und Musikschulen. Die sind ja irgendwie auch in einer Sackgasse. Auch da muss man sich wahrscheinlich überlegen, wie man das ganze jetzt aufsetzt, aber grundsätzlich geht es um das. Um das öffentliche Angebot, das möglichst kostenfrei oder zumindest sehr kostenniedrig ist, dass sich hier das Jugendliche leisten können. Möglichst kostenfrei natürlich. Und natürlich müssen die darauf gestoßen werden. In der Schule werden sie eben in der Regel nicht darauf gestoßen. Das sehe ich bei meinen Kindern, das weiß man eh. Und der Stellenwert, der ist eh zurückgegangen, von Kreativfächern. Das ist auch klar. Weiß ich nicht, wie das jetzt in Zukunft sein wird. Es wird zwar betont, dass es wieder besser wird, aber das glaube ich nicht. Also hat die öffentliche Hand schon eine Aufgabe, da auch auf der Vermittlungsebene, deswegen so wichtig, ein Angebot zu machen, ein sichtbares und leistbares Angebot zu machen. Natürlich ist das Forum Metall auch ein bestimmtes Angebot für die Jugendlichen, darauf zu sitzen, das anzumalen usw.

Stadtmöbel quasi?

Reinhard Kannonier: Stadtmöbel. Das ist durchaus nicht negativ zu sehen, aber das ist nicht das, was ich meine. Sondern das muss erkennbar sein, dass das irgendetwas mit Kunst oder mit Kultur zu tun hat, mit dem, was dann vielleicht später einmal Interesse an Kunst sein kann. Das will ich gar nicht genauer formulieren, kann ich auch gar nicht. Aber natürlich kannst du im Vorraum auf den Stiegen … also es gibt ja genug Möglichkeiten, so etwas zu tun. Im Lentos mitten drin und und und. Überall kannst du das machen. Am Hauptplatz, überall könntest du das integrieren, bei einer Hauptplatzneugestaltung zum Beispiel. Ich habe das Dobusch einmal vor einem halben Jahr oder so gesagt: „Wenn ich da rüber gehe zu dir, dann kann ich mindestens drei Unfälle haben. So ist es, über den Platz, den wunderschönen. Da kann ich über die Blumen stolpern, dann muss ich über die Schienen usw.“ So ganz böse war er eh nicht. Aber es gibt ja so schöne Ideen. Ich sehe es zum Beispiel, wenn ich daran denke, was die bei Interface Cultures machen, so spielerische Entwicklungen. Die Kids, wenn die das sehen, dann bekommst du sie nicht mehr weg. Aber das ist eine Schanierstelle zur Kunst, was da passiert, solche Sachen. Das kannst du im Medienbereich sowieso relativ leicht machen, weil das auch ihr Kommunikationsmittel ist, ihr Interaktionsmittel mittlerweile sehr stark. Also musst du dich sehr stark auf das auch konzentrieren. Aber das kannst du in anderen Bereichen genauso machen. Musik sowieso auch leicht, ganz leicht in der Musik.

Mich würde zum Bildungsbereich noch der Erwachsenenbildungsbereich interessieren.

Reinhard Kannonier: Das ist sehr, sehr ernst. Es ist das Gegenteil. Ein Blick auf die demographische Entwicklung und dann brauchen wir gar nicht weiter zu reden. Du hast einen zunehmenden Teil der Bevölkerung, der über 50, 60, später auch 70 sein wird. Das ist enorm wichtig. Nur werden die Methoden ganz andere sein, andere sein müssen. Nicht so wie das üblicher Weise bis jetzt getrennt gesehen wird. Es gibt nur eine einheitliche Umgangsweise mit Kindern und Alten, das ist die kindliche Sprache, die verwendet wird, wenn man mit ihnen kommuniziert: „Kannst trinken?“ So reden wir mit einem Kind und so reden wir mit einem Alten. Alles, was dazwischen ist, wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Das halte ich für falsch. Ich glaube, dass man den Alten etwas Gutes tut, wenn man sie auch herausfordert. Übertragen auf Kunst und Kultur heißt das, selbstverständlich wenn die irgendeine Kirchenmalerei sehen, wo sie am Anfang vielleicht entsetzt sind und sich darüber aufregen: „Nein, so machen wir das nicht.“ Das ist genau das Verkehrteste, was man machen kann. Warum soll für die anderen etwas anders gelten als für die Alten? Das ist auch für die anderen Bereiche wichtig, Altersbereiche und Gesellschaftsbereiche wichtig. Das heißt, du kommst da nur weiter, lebenslanges Lernen heißt es, nämlich über das hinaus, was du jetzt denkst oder was dein Bewusstsein ist oder was dir gefällt und und und, wenn etwas Zusätzliches dazu kommt. Sonst bleibst du einfach dort, wo du bist und im schlimmsten Fall, im Alter, reduziert sich das natürlich, das ist auch klar, und wird immer weniger, aber alleine zum Halten, zum annähernden Halten des Ist-Zustands, behaupte ich, musst du schon das Instrumentarium der Verunsicherung einsetzen.

Würdest du das auf den Bereich der Erwachsenenbildung übertragen?

Reinhard Kannonier: Natürlich, das gilt generell. Für mich wäre das eine generelle Methode. Sonst reden sie, weiß ich nicht über was. Und da regen sie sich über etwas auf. Super. Dann haben sie trotzdem über etwas gesprochen. Das wird nicht gemacht, das ist ein großer Fehler, weil es a la longue eine Reduktion bedeutet und uns sozusagen das Wasser abgräbt. Das ist so. Deswegen halte ich das für enorm wichtig, dass Vermittlung nicht den Status quo hat und des Bewusstseinszustandes der jeweiligen Person oder der Vorgangsgruppe oder was weiß ich was nur reflektieren soll oder drinnen verharren soll, sondern da raus gehen muss. Das ist aber eine Sache der Anerkennung und der Wertschätzung einer Person. Ich verlange von den Jugendlichen dann auch später etwas, dass sie etwas dazu lernen und das können sie nur, wenn etwas Neues kommt und dann regen sie sich auf darüber. Das gilt das ganze Leben lang in Wahrheit. Dazu habe ich viel zu viel schon selber erlebt, dass ich das so schätzen gelernt habe, wie wichtig das ist. Für dich als Person einfach, dass du immer wieder Neues sozusagen entdeckst. Das geht vom Kindergarten bis zum Seniorenheim, bis zum Pflegeheim. Das ist eine wirkliche Wertschätzung einer Person für mich, wenn ich die Person herausfordere. Ich sage jetzt nicht wie, das ist ein anderer Beruf, da gibt es unterschiedlichste Dinge. Da kenne ich mich auch viel zu wenig aus, aber vom Grundsatz her halte ich das für enorm wichtig.

Letzte Frage. Welche Maßnahmen sollte die Stadt Linz deiner Meinung nach setzen, um die Verbindung des Kunst- und Kulturbereichs mit dem Wissenschaftsbereich zu stärken?

Reinhard Kannonier: Da fällt mir jetzt wahnsinnig viel dazu ein. Da bin ich mir noch nicht sicher, was ich jetzt sagen soll und was nicht, weil es natürlich um sehr konkrete Geschichten auch geht. Und weil ich nicht will, dass irgendwie … ich werde versuchen, das so zu formulieren. Grundsätzlich glaube ich, dass sowohl die Stadt Linz als auch das Land Oberösterreich in einer Sache richtig liegen, dass ein Bundesland und eine Stadt, dass sich total auf Technologie, Wirtschaft usw. konzentriert, dem Selbstverständnis nach, dass es gerade da notwendig ist, Angebote zu entwickeln, Formate zu entwickeln, die ergänzend sind. Aber das ist das falsche Wort. In Wahrheit geht es dann letztlich auch um Synergien, da geht es um einen Dialog im Bereich der Kultur-, Geistes-, was weiß ich Wissenschaften. Das ist ein grundsätzlich richtiges Verständnis von Stadt und Land. Die Vorstellungen sind ein bisschen verschieden, was die Inhalte anbelangt, auch was die Wege anbelangt, aber ich glaube, wenn beide grundsätzlich das wollen, dann ist auch etwas drinnen. Wenn man sich jetzt realistisch die Situation ansieht, den Fall der Medizinuniversität, das halte ich für ausgeschlossen, was eine Bundesuniversität anbelangt, auch in Kenntnis der Diskussionen, die man ja laufend führt darüber. Es sei denn, sie machen eine Privatuniversität von Stadt und Land finanziert. Ich glaube auch, dass die Geschichte mit der Anschubfinanzierung über ein paar Jahre und dann übernimmt es der Bund … gut, jetzt haben wir einen neuen Wissenschaftsminister, aber keine neue Regierung. Daran glaube ich nicht, jetzt unabhängig davon, wie ich das inhaltlich einschätze. Das war nur eine politische Einschätzung. Viel stärker gilt das Argument noch für die geistes- und kulturwissenschaftliche Fakultät. Da habe ich eine relativ klare Position zu der ganzen Geschichte. Erstens glaube ich, dass die Organisationsform einer Fakultät schon längstens historisch überholt ist. Das ist ein Produkt des 19. Jahrhunderts und wir sind im 21. Jahrhundert und die Praxis ist schon weit, da haben wir eh schon darüber gesprochen in einem anderen Kontext, darüber hinaus. Das heißt, es muss auch in der Ausbildung gearbeitet werden an neuen Formaten, auch das gilt vom Kindergarten bis zur Universität. Und Organisationsformen. Wie organisierst du dieses Vermitteln? Und wie organisierst du Wissen? Ganz sicher nicht in traditionellen Kästchen und Fakultäten. Das sind Fakultäten. Das glaube ich, ist sowieso einmal falsch, als grundsätzliche Überlegung und konkret glaube ich auch, dass das noch unrealistischer ist als die Medizinuniversität, dass Linz eine geisteswissenschaftliche Fakultät bekommt. Ich sage auch ganz offen dazu, Österreich mit acht Millionen Einwohnern hat 21 Bundesuniversitäten und vier Volluniversitäten. Die Wege zwischen Wien und Linz und Salzburg, das ist alles nichts. Das sind meiner Meinung nach zumutbare Wege und mir wäre viel wichtiger, hochqualitative und sehr gute Ausbildungsorte zu haben für geisteswissenschaftliche Fächer. Von mir aus an drei oder vier Orten in Österreich. Aber das ist meine persönliche Meinung. Ich halte es auf alle Fälle für extrem unrealistisch. Was ich aber sehr wohl glaube, ist, dass man insbesondere in Bereichen der Kulturwissenschaften etwas machen kann. Da unterscheide ich jetzt genauer zwischen Geistes- und Kulturwissenschaften aus zwei Gründen. Erstens glaube ich nicht, dass es sinnvoll ist, ein Ausbildungsangebot für LehrerInnen in Linz zu installieren, also für die LehrerInnen geisteswissenschaftlicher Fächer. Das kommt eh nicht, aber weiß ich nicht, ob das so sinnvoll ist für eine Region, die so forschungsorientiert ist wie der Zentralraum und darüber hinaus, ist die Forschung das Wichtige. Ich halte es für wichtig, dass man versucht, im Forschungsbereich stärker zu werden und da auch nicht unbedingt in den traditionellen geisteswissenschaftlichen Fächern, wie Germanistik oder Sprachen, das ist wieder ein bisschen etwas anderes, sondern in kulturwissenschaftlichen Bereichen. Weil das letztlich auch die Kommunikationspartner für Technologie sind, viel stärker als andere. Geschichte ist wieder etwas anderes, aber das sind ja auch schon wieder Kästchen. Da wäre es einfach notwendig, das ist völlig klar, dass das gebündelt wird, dass da wirklich die Ressourcen gebündelt werden und gesagt wird: „Ok, wir machen so etwas wie eine Plattform.“ Das geht von der Kultursoziologie über andere soziologische Bereiche bis hin zur … Interkulturalität ist ganz ein wichtiger Bereich. Der wird auch in Linz stärker werden, nehme ich einmal an. Da hinkt jetzt das Angebot absolut hinten nach, das ist ein Wahnsinn. Das sind so Sachen, da halte ich es für sinnvoll, dass Linz sich da stark positioniert. Und jetzt gar nicht einmal, natürlich im Programm steht drinnen, Linz braucht eine Volluniversität, das ist eh politisch ok, und von mir aus auch eine Medizinuniversität. Ich war immer gegen die Ausgliederung der Medizin aus den Universitäten. Das ist eine der größten Schwachsinnigkeiten, die je passiert sind in Österreich. Nicht nur von den Kosten her. Das hat mittlerweile Millionen und Millionen von Euro gekostet. Wie auch immer. Das heißt, ich glaube, dass es gut wäre, in Linz dann im Ausbau, in einem Phasenentwicklungsplan, in einer Ausbaustufe drei oder wie immer man das dann definiert, eine internationale Plattform für Kulturwissenschaften mit starker Vernetzung zu den anderen gesellschaftlichen Bereichen in Linz zu haben. Da können alle Universitäten etwas beitragen, weil es gibt überall an den Universität, versteckt oder nicht versteckt, solche Potenziale. Deswegen halte ich die Politik für falsch, wenn man, ich weiß nicht, irgendetwas Bestimmtes fördert, wie geschehen, was dann eh nicht funktioniert, sondern aufgelöst wird. Dann sind schon wieder ein paar 100.000 Euro weg. Das ist nicht sinnvoll. Sinnvoll wäre es, ein Grundverständnis herbei zuführen, ein politisches. Was macht wirklich einen Sinn in Linz? Wo profitieren jetzt relative viele Bereiche, von der Kunst, Kultur bis hin zur Wirtschaft? Das ist das, was ich glaube, dass richtig ist. Wir werden sicher alles tun, damit das irgendwie auch stärker in das Bewusstsein hinein kommt und auch real etwas tun dafür in der nächsten Zeit. Ich meine, tun wir eh schon laufend auch durch die Neubesetzungen und Aufwertung der Kulturwissenschaften, aber noch stärker in Richtung Plattform.

Danke für das Interview. Willst du irgendetwas Wichtiges noch mitteilen? Ist dir noch etwas abgegangen?

Reinhard Kannonier: Nein, es passt so weit.

Mich würde zum Abschluss noch interessieren, ob du irgendwo deinen Zeigefinger erheben würdest: Aufpassen beim partizipatorischen Prozess, aufpassen bitte auf …!

Reinhard Kannonier: Da müssten wir jetzt alles durchgehen. Ich meine, du kennst den ersten KEP, wie breit das aufgesetzt war. Ich würde das wahrscheinlich nicht mehr so machen. In Wahrheit ist das eine Widerspiegelung gewesen des späteren Stadtkulturbeirates. Ich meine, natürlich sind gesellschaftliche Gruppen wichtig, natürlich muss du die Wirtschaft irgendwie integrieren, ein bisschen den Tourismus integrieren, die Politik integrieren usw., das ist klar. In der Kultur musst du auch alles integrieren letztlich. Wir haben damals, glaube ich, viele angeschrieben, beinahe alle Vereine und dann haben alle etwas schreiben dürfen, das ist halt dann in zwei dicke Bände gekommen und die dann wieder frustriert waren, weil … Also das war nicht reibungslos und wahrscheinlich auch viel zu viel Aufwand, viel zu viel Papier. Ich habe mir darüber wirklich keine Gedanken gemacht, mache ich mir auch nicht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr jetzt auf irgendetwas vergesst zum Beispiel. Ich glaube ihr macht eher zu viel, so wie ich euch kenne.

Danke.

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