Petra-Maria Dallinger

Geburtsjahr und Geburtsort?

Petra-Maria Dallinger: 1964, geboren in Linz.

Sie leben in Linz, seit wann?

Petra-Maria Dallinger: Ich lebe in Linz. Wieder seit 1992.

Welche kunst- und kulturbezogenen Aktivitäten und Funktionen üben Sie derzeit aus?

Petra-Maria Dallinger: Hauptsächlich und in aller erster Linie die Leitung dieses Hauses, des StifterHauses. Daneben bin ich noch wissenschaftlich tätig als Bandherausgeberin der historisch-kritischen Stifter-Ausgabe, aber Lehrtätigkeiten zum Beispiel nicht mehr.

Jurys, Gremien?

Petra-Maria Dallinger: Ja doch, Willemer-Preis in der Jury, also Jurytätigkeit auch in wechselnden Funktionen. Manchmal für das Land, manchmal für die Stadt wie im Fall Willemer-Preis, manchmal auch für private Initiativen, wo man halt hinein gebeten wird. Vorträge ja, Publikationen auch überregional.

Gremien nicht? Stadtkulturbeirat, Landeskulturbeirat?

Petra-Maria Dallinger: Landeskulturbeirat nicht, weil da Funktionärinnen des Landes selbst nicht tätig sein können. Ich habe ihn betreut als Mitarbeiterin der Direktion Kultur in der zweiten Funktionsperiode ab 1993, da war ich Koordinations- und Geschäftsstelle, aber nicht selbst stimmberechtigt oder berechtigt, Eingaben zu machen.

Wie würden Sie die eigene Tätigkeit am ehesten bezeichnen? Leiterin des StifterHauses?

Petra-Maria Dallinger: Ich glaube, Leitung ist so ein neutraler Begriff, das passt. Der Vorgänger hatte – und das haben wir auch noch – am Briefkopf ein Direktor. Und ich sage immer, ich bin die „Baby-Oligarchin“, weil es ist ein kleines Haus mit vielen Aufgaben, aber relativ wenig Budget und sehr wenig Personal. Aber es ist der Begriff des Direktors oder der Direktorin eingeführt worden, ohne dass man das entsprechende Portfolio hätte. Es gibt im Land die großen Direktionen mit dem Kulturdirektor usw., so wie bei der Stadt analog auch und in Wien gibt es in der Nationalbibliothek die Generaldirektion, damit es Direktoren in den einzelnen Einrichtungen gibt. Da ich aber keinen Generaldirektor habe, ist der Begriff der Direktorin ein bisschen überzogen.

Ganz kurz zur Einrichtung. Welche Zielgruppen werden ihrer Meinung nach durch die Arbeit des StifterHauses besonders angesprochen?

Petra-Maria Dallinger: Jetzt würde ich gerne sagen: Alle. Altersmäßig versuchen wir es mit relativ allen, also ab dem Schulalter, Volksschulalter, bis hin zu Programmen für Kinder, für Jugendliche und auch für Menschen mit Tagesfreizeit, ältere Menschen. Prinzipiell muss das Interesse für Literatur bei all denen, die freiwillig kommen, gegeben sein. Also bei Schülern nicht, weil da wird das über die Lehrkräfte gewährleistet, aber prinzipiell sprechen wir halt Menschen an, die sich für Literatur oder Literaturwissenschaft interessieren.

Auf welchen geografischen Wirkungsbereich zielt die Arbeit in erster Linie ab?

Petra-Maria Dallinger: Schon ein mal auf den näheren Raum, weil wir durch den Veranstaltungsbereich, der bei uns ja sehr starkes Gewicht hat, nicht wirklich auf Kundschaften zählen können, die jetzt mehr als eine dreiviertel Stunde Anfahrtsweg in Kauf nehmen. Aber sonst würde ich sagen, geht es schon, also wir kennen Stammbesucherinnen und -besucher, die tatsächlich aus ganz Oberösterreich kommen. Bei Ausstellungen ist es sogar noch großräumiger, da ist die Wahrnehmung im gesamten deutschen Sprachraum über Publikationen, über Ausstellungskataloge gegeben und da gibt es auch ein Publikum, das zumindest von Salzburg oder Wien, gelegentlich Innsbruck noch bereit ist, den Weg auf sich zu nehmen. Aber meistens in Kombination mit einer zweiten kulturellen Sache, die man sich in Linz irgendwie ansehen will.

In welchen künstlerischen Disziplinen bzw. kulturellen Arbeitsfeldern ist die Einrichtung hauptsächlich tätig, neben der Literatur?

Petra-Maria Dallinger: Wir haben, speziell weil Stifter sich als Maler gefühlt hat und dann zum Dichter wurde, eine ganz lange Tradition, Doppelbegabungen zu präsentieren. Also bildende Kunst und Literatur, auch in einer Person, analog eben zu Stifter. Es gab früher die Galerie im StifterHaus, das war eine Sache, die Assmann und Hochleitner eingeführt haben, mit reiner bildender Kunst hier im Galerieraum. Das gibt es zwar in der Form nicht mehr, aber das ist so etwas, was wir noch ein bisschen mitgenommen haben, also Begegnungen mit anderen Künsten und da die Akustik bei uns sehr schlecht ist, ist meistens die andere Kunst die bildende Kunst. Was wir auch sehr stark probieren ist der Bereich Hörtheater, Literatur und szenische Aufführung, Hörspiel, uns in diese Richtung ein bisschen zu positionieren. Es gibt einen Bereich für Schulen, Entdeckungsreise Literatur, da gibt es immer Literatur und Theater, Literatur und Musik, Literatur und Tanz, Literatur und bildende Kunst. Da probiert man die Literatur in allen möglichen Wechselwirkungen. Das ist aber ein relativ eingeschränkter Experimentierbereich, der im Alltag aus verschiedenen Gründen nicht so umgesetzt werden kann. Und Wissenschaft halt, also Wissenschaft ist auch ein zentrales Standbein. Forschung, aber auch Vermittlung von Forschungsergebnissen über Vorträge, über Ausstellungen, über Publikationen.

Gibt es in Bezug auf die vorhandene räumliche Infrastruktur aktuell einen Handlungsbedarf, d. h. den Wunsch nach quantitativer Erweiterung oder qualitativer Verbesserung? Stößt man an die Grenzen des Hauses?

Petra-Maria Dallinger: Eigentlich 2005, wo wir das Literaturarchiv dann noch einrichten konnten im Dachgeschoß, war es eigentlich schon wieder zu klein und da waren die Grenzen schon erreicht. Das Problem ist, das Haus ist aufgrund des Technischen selber nicht mehr veränderungsfähig, nach oben geht nichts, nach unten geht nichts, weil wir der Donau zu nahe sind und eh immer irgendwie Wassereinbruchgefährdet sind. Nach hinten, das war so eine Hoffnung, dass sich vielleicht mit dem Zollamtsgebäude irgendwie ein Kulturquartier oder irgendeine Einrichtung ergeben könnte, Bruckneruniversität oder was auch immer, wo man die Möglichkeit hätte, dort für spezielle Veranstaltungen größere Räume zu nützen, wo man eine Bibliothek vielleicht auch hin erweitern könnte. Weil mit der Bibliothek hat der Kollege errechnet, kommen wir schon noch einige Jahre mit den üblichen Zuwächsen aus, wenn wir keine großen Bestände übernehmen, aber im Veranstaltungsbereich haben wir ein ganz großes Problem, weil wir mittlerweile zu erfolgreich sind mit manchen Autorinnen und Autoren und da muss man dann aussiedeln. Damit ist der Zusammenhang zur Einrichtung nicht mehr gegeben, weil der Standort ist das, was die Leute interessiert und nicht so sehr, wer veranstaltet das, wer organisiert es, wer zahlt es. Da haben wir ein veritables Problem, mit dem ich noch nicht so ganz genau weiß, wie man umgehen könnte. Eine logische Möglichkeit der Fortsetzung wäre in Richtung dieser Metz-Bauten. Das hat alles der gleiche Baumeister für den damals gleichen Besitzer errichtet und das hätte einen gewissen Charme, wenn man hier Raum gewinnen könnte. Aber in der derzeitigen Situation ist das halt doch alles ein bisschen schwierig, es ist bewohnt, man könnte wahrscheinlich dann einzelne Wohnungen anmieten und dort zum Beispiel Bibliotheksräume, Seminarräume einrichten, oder auch das Archiv fortzuführen in diese Richtung. Veranstaltungsraummäßig würde ich wahrscheinlich nichts gewinnen. Also das sind nur Träumereien. Wir können uns nicht einmal den Foyerumbau leisten, also muss man nicht Luftschlösser bauen.

Wie viele Personen waren in der Einrichtung mit Stand 1. Jänner 2011 insgesamt beschäftigt?

Petra-Maria Dallinger: 1. Jänner ist schlecht, weil wir haben jetzt erst eine Karenzvertretung wieder bekommen. Also wir sind zehn physische Personen, mich eingeschlossen, die im Dienststand des Landes Oberösterreich sind und dazu gibt es immer noch externe, freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wir zusätzlich laufend beschäftigen. Wenn man die auch mit dazu rechnet, kommt man wahrscheinlich auf etwa 20 Personen

Gibt es so etwas wie freiwillige, ehrenamtliche Tätigkeit, auch in Zusammenhang mit Projekten, oder ist das nicht üblich?

Petra-Maria Dallinger: Es gibt relativ viele Anfragen nach Volontariaten seitens junger Studierender, wo wir uns aber bemühen, wenn das jetzt tatsächlich über das so genannte „Ich möchte Einblick in die Arbeit des Hauses gewinnen“ hinaus geht und sich jemand ernsthaft verpflichtet, ein Projekt mitzubetreuen, da Ergebnisse zu liefern, zumindest ein bisschen das auch abzugelten. Aber das könnte man schon in den Bereich einordnen, also es ist weniger als ein Prekariat, es ist schon fast nichts mehr, was man da geben kann. Für die Studierenden eine wertvolle Erfahrung, das schon und im Lebenslauf macht es sich nach wie vor allemal ganz gut, wenn man eine Empfehlung hat und bestimmte Projekte wo abwickeln kann.

Ich würde gerne weitergehen zum Hauptblock. In diesem geht es um die kulturelle Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Linz. Kurzes Assoziationsspiel: Welche Begriffe fallen Ihnen ein, wenn Sie an „Kulturstadt Linz“ denken?

Petra-Maria Dallinger: Das ist immer eine schwierige Frage. Als Linzerin habe ich eine sehr ambivalente Haltung zu Linz und das Gefühl, dass es wohl genug Kultur mittlerweile gibt, aber dass die Anbindung an die Linzer Bevölkerung nicht stattfindet. Das ist wohl alles da, aber es ist eine sehr dünne Schicht, die das nutzt, derjenigen, die hier sind. Wir haben sicherlich gewisse, abgewanderte Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher, die das ideell mittragen und irgendwie das Gefühl haben, ja Linz, das ist schon ok, oder den neidischen Blick von Salzburg, in Linz da ist etwas. Aber ich assoziiere mit Linz nicht Kulturstadt. Das ist ein bisschen traurig.

Wenn Sie die letzten zehn Jahre, also die Jahre 2000 bis 2010, betrachten: Was lief Ihrer Meinung nach besonders gut in der kulturellen Entwicklung der Stadt Linz?

Petra-Maria Dallinger: Ich glaube, die Professionalisierung, dass man sich tatsächlich langsam aber sicher bewusst ist, dass Öffentlichkeitsarbeit nicht ist, einen selber gebastelten Folder in ein paar Arztpraxen zu legen. Dass es tatsächlich um eine Professionalisierung in allen Bereichen geht. Dass man gute Architektur braucht und eine gute Kuratorin, Kuratoren, gute Öffentlichkeitsarbeit. Da habe ich das Gefühl, da hat sich viel getan gegenüber früher. Ich glaube, die Qualität war vorher auch da, nur war das halt alles in einem bisschen stilleren Rahmen. Alleine die Übersiedlung der Neuen Galerie ins Lentos – ich glaube, Peter Baum hat vorzügliche Arbeit geleistet in seiner Zeit, aber wenn man das jetzt so vergleicht, dann macht das natürlich schon ein anderes Wetter. Und ich glaube, das hat sich tatsächlich in den letzten zehn Jahren entwickelt, da hat das nochmals einen Schub bekommen, durch Bauvorhaben, weil dann wird das sichtbar, dann hatte man das Gefühl, das steht schön urban da. Und vielleicht erzeugt auch der Raum einen gewissen Druck oder eine gewisse Notwendigkeit, dass man ihm gerecht wird und dass man halt dann das Image, das man sich zuerst räumlich gibt, auch irgendwie ausfüllt und belebt. Da habe ich schon das Gefühl, dass sich da noch einiges getan hat, bewusstseinsmäßig bei den Kulturverantwortlichen, dass man da anders damit umgeht.

Auf der anderen Seite, gibt es irgendwelche kulturellen Entwicklungen der letzten zehn Jahre mit denen Sie überhaupt nicht zufrieden sind?

Petra-Maria Dallinger: Na ja, das gibt es nicht nur seit zehn Jahren, dieses ewige Rechtfertigen von Kunst und Kultur über irgendwelche außerhalb des Betriebs – das ist eh schon ein schreckliches Wort – liegende Parameter. Früher war es die Umwegrentabilität und ich weiß nicht, vorher war es die regionale Identität und sozusagen gibt es immer einen Rechtfertigungszwang für Kunst und Kultur, damit sie ihr Dasein und ihre bescheidenen finanziellen Mittel rechtfertigt, damit man die dem Bürger kulturpolitisch verkaufen kann. Da habe ich das Gefühl, dass sich innerhalb der letzten Jahre kulturpolitisch etwas vollzieht, was sehr unangenehm ist. Auch in Linz, weil zum einen gibt es die Popularisierung in Richtung auf große Events und das muss sein, also die Massentauglichkeit wird eingefordert, wo jetzt einmal nicht prinzipiell etwas dagegen zu sagen ist, dass man auch einem breiteren Publikum etwas anbietet, aber es kann eben nicht nur und in allen Fällen so stattfinden. Das zweite ist, dass man halt generell, wenn gespart werden muss, wie in den letzten Jahren ja sehr viel vom Sparen die Rede ist, sehr schnell auf die Idee kommt – die primäreren Bedürfnisse in einer Zivilgesellschaft sind eventuell Soziales – Bereiche abzukappen. Gesundheit, Mobilität, vielleicht noch Bildung, weil Schulen, das geht gerade noch, aber der Wissenschaftsbetrieb wird auch amputiert und Kunst und Kultur kann man gleich auf Null stellen, weil dass sind Dinge, die man sich angeblich nur leisten kann, wenn es floriert. Ich sage immer als Gegenbeispiel, unser Institut ist 1950 gegründet worden mit wenig Ressourcen, aber immerhin 1950, da hatte Österreich keinen Staatsvertrag, da war halb Linz zerbombt und man hat doch die Idee gehabt, man könnte ein literaturwissenschaftliches Institut gründen. Und jetzt steht da sozusagen immer alles auf Selbstrechtfertigung, Legitimation. Das sind Entwicklungen, die ich sehr unerfreulich finde, sind aber politische und gesellschaftliche Entwicklungen, die damit einhergehen. Wenn die Politik nur mehr auf „Wir müssen sparen“ und eine Konkurrenz zwischen unterschiedlichen Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger setzt, dann hat das natürlich Auswirkungen.

Womit kann Linz Ihrer Meinung nach im österreichischen Städtewettbewerb punkten, vor allem im Vergleich zu ähnlich großen Städten wie Graz, Salzburg oder Innsbruck?

Petra-Maria Dallinger: Ich glaube, dass Linz jetzt das Image hätte im Vergleich. Also in Tirol stehen Innsbruck die Berge im Weg, weil das mag nicht jeder. Das verhindert diese Urbanität, die Linz vielleicht bieten kann, weil es eben nicht eingebettet ist in die Kulisse. Und in Salzburg ist es halt die Geschichte, die Salzburg im Weg steht, wo es Leute gibt, die sagen, lieber Festspiele und Festung und putzige Gässchen als zeitgemäße Urbanität und Entwicklung. Da hat Linz, glaube ich, schon imagemäßig, unabhängig davon, wie das wirklich ist, gegenüber diesen beiden Städten eine Möglichkeit, sich ganz gut zu positionieren. Bei Graz tue ich mir schon schwerer, weil Graz hat einfach diese nette Mischung aus Tradition und einer doch stattfindenden, sich ständig verändernden und weiter entwickelnden Urbanität. Und von der Lage her hat es auch einen großen Vorteil. Da hat Linz vielleicht durch diese Achse an der Donau verkehrsmäßig noch mal ein Glück, dafür muss man nichts tun, das ist da, man kann es höchstens verschlechtern. Wo Linz etwas tun könnte, das ist jetzt nicht Kultur, das ist diese Urbanität, den öffentlichen Raum so zu erschließen, dass man sich darin lieber aufhält. Das Problem, das wir in Linz ganz besonders haben, ist, dass der öffentliche Raum in erster Linie dem Durchzugsverkehr zur Verfügung steht, dass man als Radfahrer, als Fußgänger, als bloß sich irgendwo Niederlassenwollender nicht gut aufgehoben ist.

Hat das auch mit Kunst im öffentlichen Raum zu tun?

Petra-Maria Dallinger: Das müsste nicht einmal Kunst sein, sondern es müsste einfach nur so etwas sein wie die Bereitschaft, dass man öffentlichen Raum zur Verfügung stellt, dafür, dass Leute zu Mittag dort ihre Jause einnehmen können oder was auch immer. Ich habe das Gefühl, dass diese Stadt eine Stadt ist, die dafür zu wenig benützt wird. Die hat zwar diese urbane Kontur, aber die Möglichkeit, dass man da hier … es gibt einige wenige Plätze, die mitten in der Stadt liegen, die dafür genützt werden, dass Leute an einem Donaustrand irgendwo sind. Aber es fängt an bei Lokalen, es fängt an bei der Geschäftsstruktur, es geht über die Radwege, über Fußgängerzonen, wo immer irgendwie Konkurrenz zu anderen ist, wo alles sehr eingeschränkt ist, nur Landstraße. Und das ist glaube ich etwas, dass andere Städte besser lösen, wo wir einfach irgendwie nach wie vor nicht die guten Konzepte haben oder der Druck in der Bevölkerung nicht groß genug ist, zu sagen. Das ist unsere Stadt, die wollen wir jetzt auch benützen, erobern, begehen. Was vielleicht speziell daran liegt, dass es so viele Arbeitsplätze hier gibt, welche die Menschen in der Früh aufsuchen und am Abend wieder verlassen und die wohnen dann irgendwo. Ich glaube, das macht mit einer Stadt schon auch etwas, weil da gibt es Einrichtungen, Kultureinrichtungen, was auch immer, das steht schön da, aber das zweite ist das Leben in der Stadt.

Hat das auch mit der Geschichte der Stadt zu tun?

Petra-Maria Dallinger: Freilich, aber da ändert sich ja über Generationen nichts und es gibt Städte, wo die Landflucht zum Wunsch führt, in dieser Stadt zu wohnen. Und bei uns wollen nicht einmal die Studenten wohnen, die pendeln auch lieber. Da sehe ich ein ganz großes Problem zwischen dem Image, das man hat und dem, was jetzt ein … wir haben sehr viele Gäste im Rahmen unserer Veranstaltungen, die jetzt aus irgendwelchen österreichischen Kleinstädten, Großstädten, was auch immer kommen und sagen: Linz, das hat etwas, das hätten wir gar nicht vermutet, und so schön, und da ein bisschen Altstadt, und da das Moderne, und soviel Kultur und da tut sich soviel. Die sind halt eine Nacht da und nützen genau diese Punkte, lesen hier, haben das Lentos, da gehen sie am nächsten Tag hinüber, sehen sich eine Ausstellung an, sitzen auf der Terrasse. Dieses Angebot, das reicht quasi für ein Wochenende, aber für das Leben in der Stadt reicht es für viele Leute halt irgendwie nicht. Und das ist, glaube ich, in anderen Städten anders.

Inwieweit denken Sie, dass Linz international als Kulturstadt wahrgenommen wird?

Petra-Maria Dallinger: Ich habe schon den Eindruck, Linz bleibt so ein bisschen in dieser Schleife, ewig grüßt das Murmeltier, weil ich kann mich … also ich bin Jahrgang 1964 und wir waren damals die Stahlstadt und da gab es die Stahlstadtkinder und Willi Warma und verschiedene sehr urbane, wenn halt auch sehr bescheidene, Kulturmanifestationen. Dann hat man jahrzehntelang gehört, Linz entwickelt sich von der Stahlstadt zur Kulturstadt oder von der Industriestadt wo anders hin und ich glaube, in dieser Endlosschleife hängen wir im Image nach wie vor. Dass die Leute immer wieder das gleiche Erstaunen haben, die VÖEST stinkt nicht so, die Luft ist nicht so schlecht, Linz ist nicht so langweilig und provinziell, wie man das vermutet hat. Spätestens durch Linz09 – da wurde glaube ich gute Arbeit geleistet, international und durch diese Bauvorhaben, die ja auch international rezipiert werden – hat sich da schon etwas getan. Ich glaube, das Image der Stadt ist jetzt im deutschen Sprachraum durchaus ein gutes. Für eine Stadt dieser Größenordnung, stehen wir da schon ganz gut da.

Beschreiben Sie bitte Ihr Resümee von Linz09 anhand von drei Punkten. Was war Linz09 für sie?

Petra-Maria Dallinger: Für uns selber als Einrichtung war es eine ganz wertvolle Notwendigkeit, sich zu überlegen, was könnten wir uns erlauben, wenn wir entsprechende Ressourcen hätten und wenn wir die Denkfreiheit haben. Es war für uns ein Experimentierfeld, zu sehen, was geht alles. Das konnten wir nutzen und umsetzen, mit viel Energie und auch mit viel Vergnügen und mit erstaunlich großem. Manches haben wir mit geringer Erwartung einfach probieren wollen und das hat ganz toll funktioniert. Dafür war es schon alleine gut. Die zweite Erfahrung war – das war aber nur eine Bestätigung von etwas, was ich für das Haus immer so vermutet habe – dass dieses Haus sehr wohl von den Besucherzahlen steigerungsfähig ist, aber nur wenn es genug kulturinteressiertes Publikum gibt, weil wir alleine zu klein sind. Das war ein unschätzbarer Vorteil, dass viele Interessierte in der Stadt waren, die dann gesagt haben, wenn ich da bin, dann schaue ich mir die Ausstellung im StifterHaus freilich auch an, weil das interessiert mich. Für so eine Ausstellung kommt allerdings keiner nur aus Wien, wenn er nicht beruflich irgendwie motiviert ist. Das hat sich für mich gezeigt, dass mehr Publikum in der Stadt für uns immer auch mehr Publikum bedeutet. Ganz eine einfache Rechnung. Ob das für andere Häuser jetzt in gleicher Weise umsetzbar ist, weiß ich nicht, ob ein großes Haus dadurch Steigerungen bei den Besucherzahlen hat, ein Landestheater, das kann ich nicht sagen, aber bei uns war es ganz eindeutig. Mehr Leute bringt enorm viel und auch natürlich ein bisschen mehr Werbung. Was für mich selber jetzt das Schönste eigentlich war, war diese emotionale Stimmung. Dass man tatsächlich ein Jahr lang in der Stadt so eine Neugierde und eine vergnügte Bereitschaft hatte, zu sehen, was passiert dort? Es war so ein ständiges Ostern. Was geschieht da? Was machen die? Und da ist etwas Neues und da muss ich schnell sein, weil dann ist das wieder weg. Und tatsächlich auch diese Eroberung der Stadt. Da gab es die Halle am Hafen und da gab es das Gelbe Haus und man ist sozusagen in Winkel in die Stadt vorgedrungen und hat eine Gestimmtheit bei anderen, einem gar nicht bekannten Nutzerinnen und Nutzern vorgefunden, Neugierde und Aufgeregtheit und Bereitwilligkeit, sich auf etwas einzulassen. Das kann man natürlich, so wie das Glück nur einen Augenblick funktioniert und nicht eine konstante Lebenshaltung sein kann, nur punktuell haben, im Wissen, das ist unser Jahr und dann gibt es halt wieder Alltag. Man kann das bestimmt nicht als Dauereinrichtung bewahren, aber es war eine sehr schöne Erfahrung, dass das möglich ist.

Wie schätzen Sie den Stellenwert von Hochkultur – Subkultur – Volkskultur in Linz ein?

Petra-Maria Dallinger: Ich würde sagen, wenn man es reihen müsste: Volkskultur, Hochkultur, Subkultur. Wenn es nach der Menge des Interesses geht, weil jeder Auftrieb am Hauptplatz hat mehr Interesse, vermute ich jetzt einmal, wie eine ernsthafte Opernproduktion oder irgendeine subkulturelle Veranstaltung, wenn man den Begriff der Subkultur jetzt als independent oder in diese Richtung versteht, in der KAPU oder so. Für das Image braucht Linz, glaube ich, die Subkultur. Mit der Hochkultur hat man gesehen, bei der Theaterdebatte „Kleiner Mann zahlt große Oper“ … ich glaube, das hat die Volksseele ganz gut getroffen. Alle sind lieber kleine Männer und zahlen keine Oper. Aber ich glaube, Volkskulturelles, das ist sicher den Leuten noch am nächsten.

Wenn Sie einzelne künstlerische Disziplinen wie Malerei und Grafik, Tanz, Theater, Musik, Literatur, Film, Fotografie usw. betrachten: Wo würden Sie meinen, wäre in der Stadt noch besonderes Entwicklungspotenzial vorhanden?

Petra-Maria Dallinger: Design. Gerade dadurch, dass wir eine Kunstuniversität haben und auch durchaus genug junge Designerinnen und Designer, die aber nicht wirklich gut sichtbar werden, meiner Meinung nach. Da müsste sich viel mehr Szene entwickeln, das glaube ich, ist ein großes Problem. Im Bereich Musik bin ich nicht sehr kompetent, aber da habe ich das Gefühl, Musik, Film, da gibt es ein paar Großanbieter und sonst doch relativ wenig. Gerade in Bezug jetzt auf Film für Kinder, da gibt es eigentlich wahnsinnig wenig und in Wirklichkeit hat man die Wahl zwischen dem Cineplexx und dem Moviemento mit seinen verschiedenen Räumlichkeiten, und dann hat man noch den Cinematograph, aber so ein für Kinder und Jugendliche mittleres Programm, nicht zu anspruchsvoll, aber doch … also bei Film gäbe es noch einiges und bei Musik habe ich auch das Gefühl, da gibt es halt den Posthof und das Brucknerhaus, aber sonst spielt Musik in der Stadt dann wieder erstaunlich wenig Rolle, dafür dass das Land Oberösterreich mit dem Musikschulwerk und mit diesem ganzen Ding offenbar europaweit eine Vorreiterrolle spielt, dafür merkt man sehr wenig, habe ich den Eindruck. Weniger jetzt, hier gibt es eine Einrichtung und hier gibt es regelmäßiges Programm, sondern Entwicklungen, die begünstigt werden, aber auf Initiative von Einzelnen stattfinden. Da kommt mir vor, da ist noch Potenzial. Und wie gesagt, Design, das ist etwas, was ich immer wieder einmal feststelle, dass die jungen Künstlerinnen und Künstler, die hier in der Stadt studieren und auch fertig werden, dort und da einmal wo auftauchen, aber auch wieder nur in einer sehr eingeschränkten Öffentlichkeit. Und so wie sich meinetwegen in Wien eine Modedesignerszene im siebten, achten Bezirk entwickelt hat, das Gefühl gibt es in Linz nicht. Es gibt keine textile Meisterklasse, es gibt keine Fotografiemeisterklasse oder Film oder sonst irgendetwas. Da muss man schon sehr weit im inneren Kreis beheimatet sein, damit man Kenntnis davon hat. Nicht einmal in einem Haus wie dem unseren hat man da besonders viele Informationen.

Wie sieht es aus mit den jungen Literatinnen, die Weidenholzers, Meindls und wie sie alle heißen?

Petra-Maria Dallinger: Na ja, die schaffen sich ein bisschen etwas momentan im Roten Krebs, da gibt es schon einiges an Slam Poetry und Bühnen. Es gibt auch von den Autorenvereinigungen prinzipiell die Möglichkeit, dass die … der Linzer Frühling hält zum Beispiel immer im Wirtshaus Lesungen. Die Künstlervereinigung Maerz hat bestimmte Strukturen für avancierte Poesie und Literatur. Und bei uns sind sie über die Autorenvereinigungen, also wenn eine Autorin oder ein Autor einmal in einer Autorenvereinigung oder in einem Verlag ist, hat sie oder er die Möglichkeit, auch aufzutreten. Das es halt keine Kaffeehausliteratur gibt oder irgend so etwas, das liegt am Mangel an Kaffeehäusern und ich glaube, das ist auch ein Problem in dieser Stadt. Entweder, man hat einen Job, dann ist man sehr häufig nicht in der Lage, diese künstlerischen oder kulturellen Tätigkeiten so offensiv zu leben, dass es auch für andere sichtbar würde. Oder man hat eh keinen und kann in Linz auch nicht bleiben. Das ist auch das Problem der freien Theaterszene, die sich über die Jahre immer wieder einmal verkleinert, weil die Leute keine fixe Anstellung haben und weg müssen, weil sie mit diesen kleinen Produktionen und den kleinen Unterstützungen nicht wirklich ihre Existenzen absichern können und ganz ähnlich ist es in der Literatur. Der Kaffeehausliterat, der privatisieren kann oder der bereits so wohlbestallt ist, dass er sich nur mehr im Kaffeehaus aufhalten muss und dort inspiriert wird, den Typus gibt es nicht mehr. Den gibt es in Wien vielleicht, mehr Kaffeehäuser und mehr Möglichkeiten, dass man als Autor oder Autorin im Kulturjournalistischen ein bisschen ein Zubrot verdient oder mit irgendwelchen Lehrveranstaltungen, Vorträgen und so. Aber da hat Linz einfach zu wenig Raum, um künstlerische Existenzen abzusichern, nämlich nicht im Wege der Förderung, weil Förderungen gibt es überall ähnliche, sondern als urbanes System, wo man Platz hat für solche Manifestationen.

Welche drei thematischen Schwerpunkte mit Kunst- und Kulturbezug werden zukünftig die größten Herausforderungen für die Stadt darstellen?

Petra-Maria Dallinger: Nach wie vor ist es, was Linz betrifft, für mich das zentrale Thema: Stadt. Also die Identität einer Stadt, was bedeutet das in der architektonischen Struktur, in der Raumordnung, tatsächlich in allen Disziplinen? Die Idee der Stadt, was kann das sein? Da glaube ich, hat Linz ein enormes Defizit, kein intuitives Gespür, aber auch kein intellektuelles Konzept und da könnte man – also wenn man sich nicht auf einer emotionalen Ebene da annähert – sich auch ganz bewusst damit auseinander setzen, glaube ich. Damit wahrscheinlich in Verbindung ist immer die Geschichte einer Stadt. Das ist jetzt ein sehr spannendes Thema, über das man lange und ausführlich reden sollte. Das zweite Thema, mit dem wir uns jetzt momentan auch beschäftigen, darum spielt es vielleicht eine Rolle, ist das Entgegengesetzte, Natur oder Landschaft oder Umland. Weil Linz war immer ein bisschen stolz darauf, dass man viele Grünflächen hat und dass man schnell draußen ist im Grünen. Aber diese Verbindung, hier urbanes Feld und rund herum bäuerliches Umland oder bis herein in die Stadt, wir haben ja sogar Stadtbauern, noch aktive Stadtbauern mit einer eigenen Stadtbauernsprache, mit einer eigenen dialektalen Färbung, wie unsere Sprachwissenschaftler herausgefunden haben, das ist ein hochinteressantes Thema. Auch die Idee, wie geht der Städter mit der umgebenden Natur, mit der Landschaft um? Oder was bedeutet das? Wie verschränkt sich das? Und was mich dann auch immer interessieren würde als Aspekt, ist die Geschlechtersymmetrie. Wie geht das? Sämtliche Genderfragenkomplexe, durch die Sparten durch und auch durch die Produktionsbedingungen durch, über das Sichtbarwerden. Werden Frauen in einer Stadt sichtbar oder nicht? Wie kann man das machen? Wie geht das zwanglos? Aber das sind halt schon sehr Metathemen. In der Praxis würde man sich wahrscheinlich bei so einem Gespräch überlegen, worauf will ich hinaus, was will ich erreichen und will ich in fünf Jahren ein bestimmtes Schwerpunktprogramm oder ein bestimmtes Zielprogramm entwickeln? Da würde ich dann wahrscheinlich wieder etwas weniger ferne Themen mir aussuchen.

Zu den einzelnen Themenbereichen. Zuerst zum Thema Gender Frauen und Geschlechtersymmetrie. Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach das Thema „Gender“ derzeit im kulturpolitischen Diskurs in Linz?

Petra-Maria Dallinger: Wahrnehmbar eine sehr geringe, würde ich sagen.

Nehmen sie es irgendwo wahr? In irgendeinem Zusammenhang?

Petra-Maria Dallinger: Ich meine, es gibt FIFTITU% und Vereinigungen, die das Thema schon irgendwie betreuen und wo man auch ein Bündel an Informationen bekäme, wenn man es möchte, aber in der allgemeinen Wahrnehmung habe ich das Gefühl, dass man sich spätestens mit der geschlechtergerechten Sprache, die bei Ausschreibungen halt jetzt berücksichtigt wird, mit der Ernennung einiger Babyoligarchinnen das ad acta gelegt hat. Es gab einmal vor vielen Jahren eine Kulturstudie, die sich mit dem Thema beschäftigt hat, wie viel Prozentanteil von Frauen in bestimmten Sparten ist, also wie viele Autorinnen, wie viele Bildhauerinnen etc. Man kann auch manches dann meiner Meinung nicht wirklich so abhandeln, dass man sagt, die Förderungen gehen zu 50 Prozent an Männer und zu 50 Prozent an Frauen. Ich habe nicht das Gefühl, dass es ein großes Thema ist momentan. Ich habe das Gefühl, dass man sich unter dem Eindruck ausruht, da ist die Welt eh halbwegs in Ordnung. Es gibt Künstlerinnen und die bekommen auch irgendwie Geld und bekommen auch Preise und die sind auch in Jurys vertreten und da muss man sich jetzt keine großen Gedanken mehr machen.

Auf den Trugschluss wollte ich gerade zu sprechen kommen. Vom heilen Kunst- und Kulturbereich ist dann vielleicht die Rede, wo das noch funktioniert.

Petra-Maria Dallinger: Ja, da geht es allen schlecht und da geht es halt Frauen auch nicht schlechter oder wie immer man das dann will. Ich meine, das klassische „Verzeihe, ich schreibe am Küchentisch“, wie Marlen Haushofer einmal geschrieben hat, das gilt halt nach wie vor und das ist nach wie vor ganz schwierig für Künstlerinnen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Aber auf der anderen Seite finden das, glaube ich, viele Leute irgendwie eine gemütliche Vorstellung. Die Kinder spielen, die Mama schreibt. Ich habe das Gefühl, dass das Bewusstsein vielleicht sogar noch geringer ist, wie in diesen harten ökonomischen Bereichen, wo man mittlerweile fragt: Quote ja oder nein? Einkommensschere? Wo man Fakten hat, die man wirklich gegeneinander stellen kann oder Benchmarking oder irgendetwas machen kann. Das geht ja in der Kunst deutlich schlechter.

Wo würden sie da den Finger noch drauf legen? Wo sind ihrer Meinung nach noch die Bereich, wo Frauen im Kunst- und Kulturbereich diskriminiert werden? Sie haben vorher gesagt, Babyoligarchinnen ist ihr Ausdruck, die Leitungsfunktionen, wo sich etwas getan hat, aber die Arbeitsbedingungen oder Produktionsbedingungen sind schlecht geblieben.

Petra-Maria Dallinger: Die Produktionsbedingungen sind sicherlich oft für Frauen dann noch einmal schwieriger oder schlechter, weil halt diese Doppelbelastung zwischen Haushalt und Familie und beruflichen Verpflichtungen im Kunst- und Kulturbereich dramatischere Formen annimmt. Ich sage immer, die Literatur ist eine Disziplin, wo man wenige Produktionsmittel braucht und wenn es einem gegeben ist, genügt tatsächlich der Zettel und der Bleistift und ein bisschen Zeit und man kann das umsetzen. Also man ist nicht so ortsgebunden wie vielleicht als Schauspielerin oder als Interpretin im Musikbereich, wo man auch in ein System eingebettet ist und dem vollkommen unterworfen ist und es sich nicht aussuchen kann, mache ich das jetzt oder mache ich das später? Aber selbst als Autorin ist man beispielsweise gezwungen zu Lesereisen oder zu bestimmten Terminen und das wirkt sich dann halt für Frauen mit irgendeiner sozialen Verantwortung auch aus. Es ist schwierig, weil auch die Branche ökonomisch schwach ist, das heißt, man kann weder als Schauspielerin noch als Autorin sich sehr viel Hilfe dazu kaufen, um sich von Verpflichtungen, die man vielleicht gegenüber Kindern oder in der Familie hat, frei zu kaufen. Das müsste man wahrscheinlich jetzt im Detail genauer noch ansehen, aber wenn jemand jetzt in einem Job ist, wo man ein regelmäßiges Einkommen hat, dann kann man auch planen, dann kann man sagen, ich leiste mir ein Putzfrau und ich leiste mir eine Babysitterin für dies und das. Wenn man in einem sehr ausgesetzten Geschehen tätig ist und auch in gar keiner Weise die Existenz planbar ist, weil man nicht weiß, wie viele Auftritte, wie viele Projekte, wie viel verkaufte Exemplare, wie viele Lesereisen usw., macht natürlich sofort die Ökonomie das dann nochmals schwieriger, das Produzieren, oder das Leben als Frau, als Mutter, was auch immer. Ich glaube, dass da die Geschlechterfaktoren in vielerlei Hinsicht sich niederschlagen. Von der Rezeption und von der anderen Seite jetzt einmal gar nicht zu reden.

Welche Maßnahmen sollte die Stadt Linz setzen, um eine Gleichberechtigung der Geschlechter im Kunst- und Kulturbereich voranzutreiben?

Petra-Maria Dallinger: Es ist irgendwie sehr schwierig, weil ich denke, auf der einen Seite hat es lange Zeit die Hoffnung gegeben, dass Frauen Vorbilder für Frauen sein könnten. Es hat sich aber schon für mich irgendwie auch gezeigt, dass manche Frauen in dem Betrieb, sobald sie halt irgendeine Leitungsfunktion zum Beispiel haben, sich sehr stark an die Regeln des Betriebs, die immer noch eher vom männlichen Blick und von der männlichen Sicht ausgehen, anpassen. Also dass auch die Hoffnung, dass Vorbilder jetzt etwas ändern können, nicht immer aufgeht. Trotzdem glaube ich, dass das ein ganz ein wichtiger Schritt wäre, viele Frauen sichtbar zu machen in ihrem Tun, weil damit gibt es dann zumindest eine Vielfalt an Möglichkeiten. Ich glaube auch, dass eben solche Vereine wie FIFTITU% eine ganz wertvolle Möglichkeit wären, die man unterstützten sollte, weil dort diese ganze Thematik von „Ich suche einen Job, ich suche eine Babysitterin, ich möchte mich informieren über spezifische Förderungsprogramme.“, weil da so ein Bündel angeboten wird und auch durch diese Selbstorganisation immer engagierte neue Frauen dazu kommen mit viel Informationen, aber auch mit sehr viel eigener Emotionalität und Gesprächs- und Begegnungsmöglichkeit. Weil ein Frauenbüro in allen Ehren, aber wenn man dort keine Möglichkeiten hat, also weder finanzielle noch andere Ressourcen anbieten kann, dann ist da jetzt nicht so viel gewonnen, sondern vielleicht der Frustrationsgrad sogar relativ hoch, während ich mir von so einer Organisation wie FIFTITU% ja nicht erwarte, dass die jetzt etwas für mich tun können. Aber die können mir vielleicht Wege zeigen. Das glaube ich tatsächlich.

Zweiter Themenbereich. Schule und Bildung, Wissenschaft. Wie schätzen Sie das Interesse von Linzer Schülerinnen und Schülern am bestehenden Kunst- und Kulturangebot ein?

Petra-Maria Dallinger: Gering, ganz gering. Da haben wir immer den direkten Vergleich mit Wien, wenn wir beispielsweise Ausstellungen, die wir von Wien übernehmen, vergleichen, was dort an Schülerzahlen zu verzeichnen sind. Wir hatten einmal eine Schnitzler-Ausstellung, legendär. Thomas-Bernhard-Ausstellungen, die sind in Wien tatsächlich, da konnte ich mich selber mehrfach überzeugen, einfach voll mit Schülern und Schülerinnen.

An was liegt das?

Petra-Maria Dallinger: Ich würde wiederum sagen, an der Urbanität. Wir haben ein ganz ein homogenes Schulwesen in Linz. Also es gibt eine Waldorf-Schule, aber es gibt kaum irgendwelche, trotz aller Schwerpunktpolitik … jede Schule soll ihr eigenes Profil entwickeln. Es gibt im Grunde genommen überall die Regelschule, mit den Problemen, welche die Regelschule hat, meiner Meinung nach. Uns wurde einmal auf unsere Frage vom Fachinspektor gesagt, es sei alles so kompliziert für die Lehrer mittlerweile mit Stundenzusammenlegungen, deswegen machen die prinzipiell in den höheren Schulen immer weniger Lehrausgänge. Das kann ich jetzt für meinen großen Sohn auch bestätigen. In der Volksschule funktioniert es noch über Lehrermotivation. Weil da genügt eine Lehrkraft, die sagt, ich suche mir einen Elternteil und rücke aus. Unsere Entdeckungsreisen für Volksschülerinnen und Volksschüler, die sind immer bummvoll. Da schreibt man halt alle Schulen an und hat dann, je nachdem, 20 bis 40 Schulen, die kommen wollen und unsere didaktischen Unterlagen an AHS-Unterstufe oder AHS-Oberstufe, je nach Thema, da haben wir jetzt einen ganz einen anderen Faktor in der Interessenslage. Da habe ich das Gefühl – man wird das jetzt nicht nur auf unengagierte Lehrkräfte schieben können, schieben dürfen – dass es eben nicht diese Form des Bewusstseins gibt: „Das ist unsere Stadt, wir müssen die Möglichkeiten in der Stadt nützen.“ Es gibt nicht die unterschiedlichen Schulen, für Hochbegabte, alternative Schulen, unterschiedliche pädagogische Modelle, die sich dann irgendwie der Möglichkeiten in der Stadt bedienen, sondern es gibt einfach einen Regelschulbetrieb und wenn es da nicht mehr vorgesehen ist, dass man zwei Stunden in eine Ausstellung geht, dann geht man einfach nicht. Dann ist es das Schlechtwetterprogramm beim Ausflug und dabei bleibt es. Und das ist irgendwie schade.

Welche Verbesserungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Kunst und Kultur fallen Ihnen ein, wenn Sie an den außerschulischen Bildungsbereich für Kinder und Jugendliche denken, zum Beispiel an Jugendzentren oder Musikschulen?

Petra-Maria Dallinger: Ich glaube, da ging es schon mal darum, dass man mehr Wissen haben müsste, könnte, sollte, weil die Musikschule ist als Einrichtung mit einem eindeutigen Träger identifizierbar. Wenn man sagt: „Wir wollen mit Musikschülerinnen, -schülern etwas machen.“, da wüsste man, wo gehe ich hin. Aber schon bei, ich weiß nicht, Studentenwohnheimen, Jugendzentren, Pfadfindern, Jungschargruppen, keine Ahnung, fehlt in vieler Hinsicht, glaube ich, das Wissen. Wen müsste man da anschreiben? Gibt es eine Dachorganisation? Was bietet man denen an? Damit ist das quasi gar nicht im Blick. Prinzipiell sind diese Verbindungen wahrscheinlich nicht vorhanden. Ich glaube, dass das auch mit dieser Immobilität im Denken zu tun hat. Man denkt von einer Einrichtung zur anderen und je institutionalisierter, hier Land, hier Stadt, desto eindeutiger und desto leichter ist es. Weil dann gehe ich auf eine Homepage und dann habe ich das aufgelistet und dann weiß ich, wer ist zuständig und dann ist es erledigt. Das zweite, was ich glaube, ist, dass manche dieser Einrichtungen eher dem Sozialbereich zugehörig sind oder dem religiösen Spektrum zugeordnet werden, aber dass man nicht das Gefühl hat, das hat jetzt etwas mit Kunst und Kultur zu tun oder man könnte umgekehrt da einen Beitrag leisten. Das glaube ich, ist ja auch bei der Verbindung zu Migrantinnen und Migranten immer das große Problem, dass bei uns zum Beispiel sehr wenig diesbezüglich umgesetzt wird. Es wird immer wieder angedacht und geplant, aber es ist dann eher ein Kommunikationsprojekt und nicht so sehr ein literarisches oder gar ein literaturwissenschaftliches Projekt. Weil da geht es dann um Schreibversuche von Menschen, die eine neue Sprache sich erschreiben und das hat halt eher etwas vielleicht Therapeutisches oder Identitätssuchendes, aber wird nicht wahrgenommen als literarische Arbeit oder literarische Tätigkeit. Und ich glaube, dass es bei Jugendlichen auch sehr häufig so ist, dass man das Gefühl hat, wenn sie in ein Gymnasium gehen, dann müssen sie sich für Stifter zwangsläufig interessieren. Da werden sie vorgeführt, da müssen sie sich dafür interessieren. Wenn sie jetzt in der Freizeit in einem Jugendzentrum sind, da gibt es dann vielleicht Streetworker oder Betreuer, die mit ihnen Facebook oder Eminem oder irgend so etwas diskutieren, aber was tun wir da mit unserem letztlich Hochkulturangebot oder was sollen wir denen anbieten? Das ist sicherlich dumm, dass man da so Schubladen schafft, aber manches verschwindet einfach aus dem Blick und dann ist die Schublade zu, zum allgemeinen Schaden. Wir werden nächstes Jahr wahrscheinlich eine Jugendliteraturausstellung machen in unserem Programm und ich bin neugierig, was die Kollegen aus Wien uns da anbieten werden, weil bei ganz vielen Sachen ist es ja so, dass das Traditionelle uns zwar interessiert, wahrscheinlich weil wir einfach auch schon fortgeschritteneren Alters sind, aber dass wir das, was das Gegenwärtige ist, egal ob das Comic ist oder Fantasy-Romane sind, da sagt man dann: „Ja, Tolkin. Da lesen wir doch gleich einmal den kleinen Hobbit.“ Aber was da jetzt passiert und was zeitgenössisch Jugendliche interessiert, das ist zum Teil nicht kanonisiert, kennt man nicht, zum Teil ist es wirklich Trash, also Schundhefterl und Klumpert, zum Teil findet man keinen Zugang, also Mangas, die man verkehrt herum lesen muss, das schaffe ich fast nicht. Mit bestem Willen ist mir das dann auch nicht schlüssig genug, dass ich den Dialogen da in die falsche Leserichtung folge. Und ich glaube, dass es da tatsächlich ein größeres Umdenken geben müsste. Darum interessiert mich der Bereich auch sehr, weil bis jetzt macht man es so und da ist man schon ganz stolz, dass man sagt, wir bieten das, was wir tun, an und brechen es runter auf kindgerechte Erfahrungsstationen, auf selber Tun usw., also ganz auf Montessori, und schöne Namen und jeder probiert irgendetwas. Einfach, dass man tatsächlich in die zum Teil ja auch sehr stark kommerziell orientierten Literaturbereiche für Kinder und Jugendliche rein geht und sich anschaut, was verkauft sich denn da so gut und warum und wie kann man da irgendwie eine Schnittstelle finden, wo wir es gerade noch vertreten können und wo man doch etwas anbietet, was nicht zu groß daher kommt und zu kanonisiert daherkommt? Das wäre, glaube ich, ein ganz ein wichtiger Punkt. Das sehe ich bei meinen beiden Söhnen, der große ist 15, der kleine sieben und der Große hat jetzt zum Beispiel Hermann Hesse zu lesen, „Unterm Rad“, erschienen 1906, ist sicherlich immer noch lesbar. Literatur wird ja nicht so schnell alt, aber auf der anderen Seite denke ich, müsste es vielleicht irgendetwas geben, wo man noch mal anders daherkommt. Umgekehrt habe ich mich in der Unterstufe zum Beispiel jedes Jahr geärgert, dass nicht Literatur gelesen wird, sondern immer nur Jugendromane und irgendwelche themenbezogene Literatur, also Kinderarbeit im Vietnam oder solche Dinge, wo ich dann gesagt habe: „Mensch, das ist ja auch alles so immer mit Zeigefinger und immer so themenspezifisch. Man kann doch einfach Literatur lesen.“ Aber die Frage ist, wo treffe ich jemanden? Bei der Literatur ist es ja emotional notwendig, dass eine Bindung entsteht zwischen dem Leser und dem Buch, weil man sonst die zeitliche Dauer nicht durchhält. Bei der bildenden Kunst ist es doch auch viel einfacher, weil der Blick ist ein schneller, der kostet nicht viel Zeit, man geht an den Bildern vorbei und entweder sie bewirken etwas oder sie bewirken nichts, aber es ist schnell wieder vorbei. In der Literatur braucht es sozusagen eine gewisse Ausdauer. Darum ist da die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen noch einmal vielleicht ein bisschen anders wie beim Theater oder bei der bildenden Kunst. Ein weites Feld.

Ich hätte noch zwei Fragen zum dritten Themenbereich Stadtteile, Stadtrand, Region. Wie schätzen Sie das Verhältnis von Stadtzentrum zu Stadtrand in Linz ein, wenn Sie an die kulturellen Aktivitäten in der Stadt denken?

Petra-Maria Dallinger: Mehr oder weniger katastrophal. Auf der einen Seite gibt es diese Kulturzonen, da ist eh was, aber halt ein Programm, das gemacht wird, von jemanden in der Hoffnung, dass man dafür ein Publikum findet. Dann gibt es den Hauptplatz, der bespielt wird von der Tourismusmesse bis zur Blasmusik oder was auch immer. Das ist ein klassisches Hauptplatzthema, muss wohl auch so sein. Aber die Idee, dass man selber als Linzerin jetzt Stadtteile besuchen würde, weil dort irgendetwas ist, das gab es tatsächlich nur 2009. Das hat mich eben so fasziniert, dass man da auf diese Einhausung, Bindermichl-Gebiet, dass in dieses Gelbe Haus gefahren worden ist und wo hin gekommen ist, weil dort halt etwas war, was woanders nicht war. Das gab es immer wieder einmal in Einzelprojekten, dass halt im Franckviertel in einem Tröpferlbad etwas war oder unter irgendeiner Donaubrücke, es gab immer wieder einmal Projekte, wo man in Gebiete gekommen ist, die üblicher Weise nicht als kulturelle Orte bespielt waren. Oder die Theaterleute haben sich immer wieder einmal etwas gesucht, das UKH, bevor es abgerissen wurde, als Spielort. Da gab es schon immer wieder Versuche, aber das ist, glaube ich, etwas, was in Linz relativ aufwändig ist, auch von den Genehmigungen her und was viele Leute einfach scheuen, weil sie die Energie und die Zeit nicht haben oder auch nicht auf einen großen Erfolg hoffen können, dass man jetzt sagt, ich möchte in dem Abbruchgebäude spielen oder ich möchte ein öffentliches Frühstück unter der Eisenbahnbrücke machen oder was auch immer. Das wäre etwas, was ich glaube, dass der Stadt unheimlich gut täte, wenn es möglichst niedrige Schwellen gäbe und auch dieses One-Stop-One-Shop-Prinzip, dass ich bei einem Beamten relativ schnell erfahre, geht das oder geht das nicht? Das erleben wir ja selber, wenn wir im öffentlichen Raum irgendetwas aufstellen wollen, hat man natürlich relativ lange bürokratische Wege, verständlicher Weise, und das muss dann alles geprüft sein, ob das sicher genug ist und man muss als Institution die Haftpflichtversicherung haben und man braucht eine verkehrstechnische Genehmigung und der Bürgermeister muss sich das ansehen, ob ihm das gefällt und ob das nicht stört und der Eigentümer muss natürlich zustimmen und und und. In vielen Fällen ist das bestimmt berechtigt, das will ich jetzt gar nicht in Zweifel ziehen, weil es soll natürlich nichts wohin kommen, wo es dann jemanden erschlägt oder durch Vandalismus gleich ruiniert wird, aber in vielen Fällen könnte man es auch ein bisschen einfacher machen und insofern servicieren, als es halt da jemanden gibt, zu dem man geht und der sagt, die Theateraufführung kann man dort einreichen und ich kümmere mich um den Rest. Oder ein temporäres Geschäftslokal. Es gibt ja jetzt ansatzweise so Dinge, wie zum Beispiel das Spirali, das ist zwar gerade kein Kunstprojekt, aber trägt sehr zu einer urbaneren Atmosphäre bei, wo man das Gefühl hat, jetzt ist einmal nicht mehr die zentrale Frage, sind getrennte Toiletten von dort und dort begehbar, sondern da gibt es halt so ein winziges Ding wie in Berlin meinetwegen und das ist witzig und wird frequentiert und bis jetzt ist noch keiner durch irgendwelche Sanitätsprobleme zu Schaden gekommen. Das umgelegt auf einen Kunst- und Kulturbereich hielte ich für sehr brauchbar. Aber so lange bei jeder Veranstaltung alles angezeigt werden muss, ist es halt für kleinere Geschichte schwierig. Das glaube ich, ist witzig, weil das haben wir mit dem Wohnwagen gesehen, das waren vier Standorte und da war zuerst die Idee, exklusiv der Autor und ich, oder man konnte das gewinnen, dann haben die Herren den Wohnwagen ganz entzückend hergerichtet. Und die zweite Idee war, der Wohnwagen steht irgendwo, wo normalerweise keine Literatur ist. Ich habe immer gesagt, so ein bisschen wie das Volksstimmefest, also man ist irgendwo und aus dem Gemeindebau schauen die dann runter und denken sich: „Was ist da los? Aha, da liest jemand, aha, da gibt es Bier, da stelle ich mich dazu und höre mir das an.“ Und so etwas gefiele mir ganz gut, wenn in den Stadtteilen eine zwanglose Art von Belebung da wäre und nicht das Volkshaus, wo halt dann hin und wieder die Laientheatergruppe spielt, weil sie woanders keine Möglichkeit hat. Das hat auch einen Charme, aber sozusagen ein bisschen einen alten.

Letzte Frage. Was könnte getan werden, um die Zusammenarbeit zwischen der Stadt Linz und den umliegenden Gemeinden bei kulturellen Aktivitäten zu verbessern?

Petra-Maria Dallinger: Ich glaube, das Problem der Gemeinden ist, dass sie zwar jetzt sehr groß sind, also viel Geld, viele Einwohner, viel Fläche haben, aber dass sie vielleicht trotzdem gerade im Kulturbereich zuwenig Infrastruktur in der eigenen Verwaltung haben. Weil das ist natürlich schon etwas anderes, ob ich in der Stadt Linz eine Kulturdirektion habe mit angeschlossenen fixen Einrichtungen oder ob ich in einer Gemeinde eine Verantwortliche habe als Kulturmanagerin für Alles und die muss dann spartenunabhängig vom Diavortrag eines Bergsteigers bis hin zu einer Literaturveranstaltung alles machen oder ich weiß nicht, ob die auch einen Keramikmarkt haben. Jedenfalls hat die dann alles, was da reinkommt, zu managen und zu betreuen und ich glaube, dass das einfach ganz schwierig ist. Umgekehrt sind wahrscheinlich die Städte dann doch wieder selbstbewusst genug, jetzt sich nicht von Linz etwas liefern zu lassen und zu sagen: „Freunde, wir wären dankbar, macht uns ein Programm.“ Abgesehen davon, dass natürlich auch die Frage ist, ob Einrichtungen in Linz das überhaupt noch zusätzlich zu den Aufgaben wahrnehmen können. Weil wir zum Beispiel wurden immer wieder mal gebeten, uns zu engagieren, aber rein auf Grund der Größe ist es nur möglich, dass wir beraten, dass wir vielleicht externe Namen nennen, die man dann kontaktieren könnte für Kuratorentätigkeiten, aber dass wir nicht das liefern können, was man vielleicht dort bräuchte und gerne hätte, nämlich ein fixes Paket, das wir dann dort wie das Picknick im Grünen auch abwickeln. Ob da seitens der Stadt Linz ein fliegender Kulturbeauftragter, der dann die Umlandgemeinden beglückt, die Lösung wäre? Ich würde jetzt einmal brutal sagen, die müssen sich überlegen, ob sie einen eigenen kulturellen Auftrag wahrnehmen und annehmen wollen, über ein paar Fixpunkte im Gemeindeleben hinaus oder ob sie sich halt als Schlafstätte mit bester Wohnlage und Sonnenhängen definieren und die Kultur und das breite Angebot auslagern, was ja auch etwas für sich hätte. Linz hat ja, finde ich, kulturell eine Infrastruktur, die für eine halbe Million Leute durchaus tragfähig wäre. Und insofern, so wie es bei der Feuerwehr kurios ist, wenn jeder seinen eigenen Spritzenwagen braucht, denke ich mir einmal, ist es jetzt nicht unbedingt gesagt, dass man in jeder Gemeinde ein Theater braucht. Hat eh auch etwas für sich, wenn man sagt, es bleibt ein bisschen etwas einer Landeshauptstadt vorbehalten. Diese Idee, dass Linz dieser ungeliebte Ort ist, wo man in die Arbeit fährt und man möchte eine Brücke noch und möglichst schnell möchte man durch und möglichst kostenlose Parkplätze möchte man, aber wohnen tut man dann außerhalb. Das schadet ja der Stadt ganz unglaublich, meiner Meinung nach. Ich finde, eine Stadt müsste so Selbstbewusstsein sein, zu sagen: „Wir sind Stadt und wir lassen uns die Stadt nicht verhunzen durch die Pendler oder durch die Mentalität derer, die hier nicht wohnen wollen, sondern wir haben das Selbstbewusstsein: „Wir sind Stadt und das ist gut.“ So Wowereit-mäßig. Nein, weil es ist interessant, es gibt Städte die sagen, wir machen eine Stadtmaut, wenn jemand rein will, dem muss das etwas wert sein und Linz hat immer noch diese Orientierung „Weg!“. Ich habe ja früher auch gerne gesagt, das Beste an Linz ist die Fluchtperspektive, weil ich sofort draußen und sofort weg bin. Und das stimmt natürlich auch für den Erholungsfaktor, den man als Städter vielleicht wo anders sucht, aber die ständige Pendelbewegung tut der Stadt nicht gut und dieses ständige: „Ah ja, da gibt es eh noch eine große Stadt und da auch.“ Wir sind Landeshauptstadt und wir haben halt etwas, was die anderen nicht haben. Die müssen das auch nicht haben, denke ich. Die müssen kein StifterHaus haben.

Ich bedanke mich für die Antworten.

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