Harald Gebhartl

Geburtsjahr und Geburtsort?

Harald Gebhartl: 1957 in Linz.

Du lebst in Linz?

Harald Gebhartl: Ich lebe in Linz.

Seit wann?

Harald Gebhartl: Gute Frage. Seit 1989, eigentlich seit der Gründung des Theater Phönix.

Welche kunst- und kulturbezogenen Aktivitäten und Funktionen übst du derzeit aus? Bitte auch an Jurys und Gremien denken.

Harald Gebhartl: Ich habe die künstlerische Leitung im Phönix über, ich bin auch Regisseur im Phönix, ich inszeniere Stücke, ich habe etwa 11 oder 12 Stücke geschrieben, die letzten 10 bis 15 Jahre, zehn davon sind uraufgeführt worden von St. Pölten bis Weimar usw., auch im Phönix zum Teil. Eigentlich komme ich von der Musik und deshalb sage ich: Theater muss Rocken. Das heißt, ich komme von der Musikseite und auch von der bildenden Kunst. Jurys und Gremien war ich beim Shakespeare-Festival oder bei Zündstoff. Was Linz betrifft, bei den Festivals hat das Phönix natürlich die Finger im Spiel und entsprechend bin ich dann meistens bei irgendwelchen Jurysitzungen. Dann war ich einmal im Bundesbeirat, wo bundesweit über Stücke und Gruppen entschieden wird, was die bekommen, sehr lange sogar, ungewöhnlich lange, sechs Jahre.

Wie würdest du die eigene Tätigkeit am ehesten bezeichnen? Wenn dann im Bericht steht: Künstlerischer Leiter des Theater Phönix und Regisseur, ist das ok?

Harald Gebhartl: Das ist ok, das ist total ok.

Welche Zielgruppen werden durch die Arbeit des Theater Phönix besonders angesprochen?

Harald Gebhartl: Ich würde sagen, alle oder im Grunde drei verschiedene. Erstens Jugendliche, wir haben sehr gute Schulkontakte und haben ein sehr gutes System, um Schulen anzusprechen. Stücke, selbst Uraufführungen, werden von Jugendlichen und Schulen goutiert und die kommen auch her. Je nachdem, ob es ab 14, ab 16, ab 18 Jahren ist. Das zweite sind alle Leute mittleren Alters, ich sage mal wie in meinem Alter. Die werden natürlich angesprochen durch bestimmte Stücke, die wir jeweils auswählen, um bestimmte Zielgruppen anzusprechen, aber lustigerweise kommen dann auch immer wieder Jugendliche zu diesen Stücken. Und letztendlich, das ist in der letzten Zeit stärker passiert, wollen wir Senioren ansprechen. Wir haben gute Kontakte zu Senioren, was Radio FRO zum Beispiel betrifft. Das betreiben wir ja – quasi was Geld betrifft – mit und da sind wir häufig zu Gast im Seniorenradio. Da kommen dann wirklich Senioren, zum Beispiel bei „Die Drei von der Tankstelle“, sehr viele Senioren und das gefällt mir total, dass in die Richtung etwas geht.

Auf welchen geografischen Wirkungsbereich zielt die Arbeit in erster Linie ab?

Harald Gebhartl: Mindestens Oberösterreich. Was passiert, es kommen sehr viele Wiener, durchaus dann in Gruppen, die kunst- und kulturinteressiert sind, natürlich auch viele alte und neue Bekannte, die durch das Phönix einfach integriert sind. Das heißt du hast Wien als Publikumspartner, Salzburg sowieso, Salzburg liebt die Alternative des Theater Phönix, weil Salzburg durch die Festspiele und den konservativen Anstrich geprägt ist – was nichts Schlimmes heißt, aber es ist so. Da kommen sehr viele Salzburger. Dann quer durch. Graz zum Beispiel. Von Graz kommen sehr viele Leute, um vielleicht einmal eine Produktion abzuschauen oder so. Was aber nicht heißen sollte … zum Beispiel Stuttgart. Also wir haben Partnerstädte, Stuttgart oder Weimar oder Saarbrücken oder München etc. Da geht viel, wo nicht nur die Künstler oder die Theaterleute kommen, sondern auch Publikum kommt, weil sie uns schon kennen. Da geht es rege zu, nicht erst seit der Kulturhauptstadt.

In welchen künstlerischen Disziplinen bzw. kulturellen Arbeitsfeldern ist das Theater Phönix hauptsächlich tätig? Da bitte auch an die Verschränkungen denken.

Harald Gebhartl: Was wir machen, sind vorerst einmal Eigenproduktionen im Theaterbereich. Dazu ist das Phönix da, mit einem fixen Ensemble. Was wir natürlich an Querverbindungen haben, ist das Radio FRO. Wir beteiligen uns an diesem Radio, machen regelmäßig Sendungen. Was wir machen, sind Gastspiele, wo wir – Beispiel Rampe Stuttgart – Austauschprojekte machen, das heißt wir inszenieren etwas, schicken etwas hin, die haben etwas inszeniert und schicken es da her. Das gibt es mit mehreren Städten. Dann gibt es einen guten Draht zur Bruckneruniversität in Linz, wo wir immer wieder einmal drei bis vier Leute einladen, die ihre Abschlussprüfung mit einer großen Band oder sonst irgendetwas machen. Die zahlen auch nichts für den Raum und wir stellen die Ressourcen zur Verfügung, das heißt, da wird ordentlich Konzert gespielt und gleichzeitig ist das die Abschlussprüfung von denen. Es gibt also immer wieder das Bedürfnis, Musiker einzuladen ins Haus. In der Form ist es natürlich noch schöner, weil die haben etwas davon und wir haben etwas davon. Das ist auch immer voll. Oder jetzt Drumski zum Beispiel. Das heißt, wenn Musikgruppen auf der Bühne in Verbindung mit szenischem Drama auftreten, dann bin ich gerne bereit, die hereinzuholen. Es muss spannend bleiben für das Publikum. Das sind sicher auch Vernetzungen. Was haben wir noch? Wir sind jetzt, wo wir da sitzen, in der Comics-Ausstellung. Das ist normal unser Lokal, unser Vereinslokal, und jetzt wird gerade ein französischer Comic-Zeichner ausgestellt, der Schnitzler ins Bild gesetzt hat und das passt natürlich gut zu uns. Und der wunderbare Gottfried Gusenbauer hat ja das nextComic-Festival in ganz Linz gemacht und natürlich sind wir da dabei und haben quasi das ganze Haus für eine Ausstellung zur Verfügung gestellt. Eine Disziplin, die wir natürlich lieben. Bildwerk hat sehr viel zu tun mit Bühnen.

Gibt es in Bezug auf die vorhandene räumliche und technische Infrastruktur aktuell einen Handlungsbedarf, d. h. den Wunsch nach quantitativer Erweiterung oder qualitativer Verbesserung?

Harald Gebhartl: Das ist ganz konkret, den gibt es. Das Kino Phönix war ja damals friedlich besetzt und wir haben dann 14 Tage lange ein tolles Programm geboten mit Tabori und Peymann und mit Musikgruppen und Turrini und und und. Die sind gratis aufgetreten und haben gesagt, dieses Theater muss in Linz sein. Wir sind dann rauskomplementiert worden von der Polizei, wie wir es friedlich besetzt haben, zwar noch traurig, weil wir von den Politikern schon etwas versprochen bekommen haben, aber sie haben gesagt, das ist eine Schuhnummer zu groß für euch und schaut euch um etwas anderes um. Und wir waren traurig, sind ganz brav rausgegangen und haben dann entdeckt: Ok, das Kino Phönix wird um 6,5 Millionen Schilling veräußert. Dann haben wir uns zu sechst zusammengefunden, die Gründerväter quasi, und haben es um 6,5 Millionen mit einem privatem Kredit, den wir aufgenommen haben, gekauft. Dann sind wir zu den Politikern gegangen und haben gesagt: Ok, jetzt ist es soweit. Und die Medien waren natürlich völlig auf unserer Seite, das war in den 1980er-Jahrem, jetzt geht das nicht mehr. Es war spektakulär damals und dann haben wir es gekauft. Aber wenn du raus gehst, bei der großen Türe, dann ist links ein kleines Lokal drinnen. Das war ursprünglich im Foyer des Kino Phönix dabei, das heißt du hast unten eine viel größere Foyerfläche gehabt, wo du jetzt Gastronomie zum Beispiel oder sonst irgendetwas machen könntest, was natürlich viel besser wäre. Weil im ersten Stock funktioniert es nur über Getränke. Das ist im Grunde nur ein Wartesaal. Das könnte sein, dass wir es vielleicht irgendwann kaufen. Das hat schon seine 100 bis 120 qm, schätze ich einmal.

Wie viele Personen sind im Theater Phönix insgesamt beschäftigt?

Harald Gebhartl: Fix Angestellte sind es an die 30 Personen. Da gehören aber auch die Schauspieler dazu, weil die muss man anstellen. Fluktuierend sind es fast an die 50 Personen. Für alle, die fix dabei sind, auch für Schauspieler, gibt es einen Dienstvertrag, das heißt eine Anstellung mit 13. und 14. Gehalt usw. Den Rest hast du über Werkverträge geregelt. Das dürfen wir laut Gebietskrankenkasse, zum Beispiel Regie, Regieassistenz, Bühnenbildner.

Gibt es so etwas wie ehrenamtliche Tätigkeit im Theater Phönix?

Harald Gebhartl: Eigentlich nicht. Ich meine, wir sind ein Verein, du hast den Verein an sich, du hast dann einen Vorstand, der aus vier Leuten besteht und du hast die Theaterleitung, die aus zwei Leuten besteht, das ist die künstlerische Leitung, in dem Fall ich, und der Geschäftsführer.

Kurzes Assoziationsspiel: Welche Begriffe fallen dir ein, wenn du an „Kulturstadt Linz“ denkst?

Harald Gebhartl: Da würde mir einmal der Spruch einfallen, auch wenn er böse ist: Kultur wird in Linz in m3 Beton gemessen. Irgendwann wurde das erfunden. Das stimmt für mich immer noch, weil Linz ein kleines … Linz müsste kein Problem mit Kultur haben. Ich glaube, wenn man es versteht, ist es gut, dann ist Linz super. Nur irgendwie wird da eben kompensiert zwischen Salzburg und Wien, Salzburg eben Festspielstadt und Wien eben Großstadt und dann sind wir in der Mitte und da müssen wir ganz viel bauen und große Häuser machen, statt dass wir sagen: Wir sind es, wir machen was.

Wien finde ich immer schwierig zu vergleichen, aber Salzburg, Graz, Innsbruck, also ähnlich große Städte wie Linz oder im deutschsprachigen Raum Saarbrücken oder Regensburg. Inwieweit kann da Linz punkten? Ist das nur die Ars Electronica oder ist da mehr?

Harald Gebhartl: Linz könnte punkten, wenn es ein Vertrauen zur – was wir als Theater Phönix gar nicht mehr so richtig sind – Freien Szene hätte. Das heißt, es schlummert im bildnerischen Sektor und im Bühnensektor viel Potenzial in Linz. Da brauche ich nur die ganzen Autoren aufzählen oder einen Gerhard Haderer erwähnen oder einen Thomas Baum oder keine Ahnung. Da kannst du irrsinnig viele bildende Künstler aufzählen, mit denen kann man durchaus „hausieren“ gehen und kann zeigen, wie toll eine Stadt sein kann. Das ist für mich modern, wenn man den abgeklatschten Begriff verwenden will. Man setzt auf Persönlichkeiten in der Stadt. Oder die Ausstrahlung der Stadt. Jetzt ist es für mich sehr bautenlastig und da weiß ich nie, ist das jetzt ein Deal gewesen oder ist das jetzt wirklich toll? Wenn ich zum Beispiel höre, alle Stände am Weihnachtsmarkt sollen gleich sein oder sonst irgendetwas. Da muss ich sagen: Leider Kinderkram. Aber wenn man auf etwas anderes setzen würde, wäre das intelligent. Auf jeden Fall komme ich wieder zum Schluss: Kultur in m3 Beton stimmt sicher für Linz – vielleicht weil so viel Schottergruben rund um Linz sind.

Wenn du die letzten zehn Jahre, also die Jahre 2000 bis 2010, betrachtest: Was lief deiner Meinung nach besonders gut in der kulturellen Entwicklung der Stadt Linz?

Harald Gebhartl: Es funktioniert wieder über Persönlichkeiten. Es hat immer wieder – das ist gut in der Stadt Linz – Ermöglicher gegeben und es geht auch in der Kunst- und Kulturszene letztendlich darum, in der Stadt etwas zu ermöglichen. Wo man vielleicht über Grenzen geht und sagt, diesem oder jenem Projekt vertraut man. Das war zum Beispiel dann letztendlich für mich auch ein Grund zum Ausstieg, was Linz09 betrifft, weil die Stadt halt, glaube ich, ein bisschen leichtfertig jemanden engagiert hat, der letztendlich das Vertrauen nicht erfüllt hat. Was ich mitbekommen habe, haben auch die Stadtväter oder -mütter nicht ganz vertraut auf das ganze Projekt. Aber wieso ziehst du es dann durch? Mir fehlen dann letztendlich die Konsequenzen, wo man sagt: Linz ist nicht nur definiert über Bauwerke, sondern Linz definiert sich über inhaltliche Kultur, über Kunst. Was kann die arme Stella Rollig dafür, wenn sie das riesige Lentos dauernd bestücken muss, nur weil es hübsch, an der Donau und groß ist und bunt leuchtet? Ich bin oft fertig, wenn ich rüber fahre – ich wohne in Urfahr – in der Früh, wenn es noch finster ist und da leuchtet es rosa und hellblau, aber wozu? Das heißt, wenn du inhaltlich etwas hinstellst, das architektonisch auch toll ist, dann braucht das nicht zu leuchten und das braucht sich nicht aufdringlich herumspielen an der Donau. Wenn das inhaltlich super ist, dann kommen die Leute von Wien, von Salzburg oder sonst wo von alleine her. Ich gehe immer vom Inhalt aus und nicht von der Hülle. Fülle statt Hülle wäre vielleicht gut.

Mit welchen anderen Entwicklungen bist du überhaupt nicht zufrieden in der Stadt?

Harald Gebhartl: Das ist, glaube ich, in allen Städten Österreich so, weil Politiker grundsätzlich nicht ganz kapieren, was Kunst und Kultur oder Kultur im Sinne der Kunst überhaupt soll. Was ich ganz schlecht finde, wie in den letzten zehn Jahren – und da schließe ich alle Parteien mit ein, weil die ja schließlich verantwortlich sind, um Künstlergruppen oder Kunst zu unterstützen und sie auch zu versorgen in irgendeiner Art – umgegangen wird mit Künstlern und Kulturschaffenden. Da meine ich nicht einmal mich selber, mit dem Theater Phönix sind wir ja schon ein dickes Ding im Grunde, das ist nicht so tragisch. Zwar wird das schlimmer in den nächsten Jahren, aber ich meine, mit der Freien Szene. Das ist die Quelle der Kultur für die Stadt, umso eckiger, kantiger das auch manchmal ist und mühsam vielleicht, aber das macht im Grunde das Profil der Stadt aus. Und da komme ich wieder auf den Vergleich. Das wird mit Personen genauso manchmal gemacht. Wir machen jetzt auf dem Hauptplatz alle Stände gleich, wir wollen eine Kultur, wo alle Personen nicht lästig sind, sondern gleich, und ich bin kein Weihnachtsmarktstand und das sind sicher die Künstler und Kulturschaffenden in Linz auch nicht. Das finde ich einfach ein bisschen frech, dass das immer wieder passiert, immer wieder. Eigentlich kann ich aber gar nicht sagen, dass sich das gesteigert hat, weil das war eh nie anders. Zuerst dagegen sein, und dann wenn es gar nicht geht, weil die Medien vielleicht schon aufzeigen …

Beschreib mir bitte dein Resümee von Linz09 anhand von drei Punkten.

Harald Gebhartl: Erstens, dass sie uns beinahe nach Afrika geschickt hätten, die Leitung von Linz09. Was aber heißt, wir hätten das Haus aufgeben müssen, wir hätten Entlassungen vornehmen müssen, also vollkommen unbedacht von der Leitung. Zweitens falsche Informationen von der Leitung von Linz09, nämlich bezüglich Nachhaltigkeit und so. Ich sehe im Gegenteil, dass überhaupt keine Nachhaltigkeit da ist. Für den Tourismus vielleicht, ist ja auch ein Tourismusfest in Wirklichkeit gewesen. Das heißt aber, dass die kleinen Künstler und die Freie Szene so etwas von daneben geschaut hat, unter den Tisch gefallen ist muss man sagen, die tun mir jetzt noch leid. Was da an Versprechungen gemacht und dann nicht eingehalten worden sind. Das Phönix hat es sich leisten können, auszusteigen, aber das kann sich irgendein Einzelkünstler oder eine freie Gruppe nicht leisten in Wirklichkeit. Die brauchen die Kohle für tolle Projekte, die sie entwickelt haben. Und drittens … das sage ich so, weil Martin Heller, glaube ich, ein paar Baustellen bedient hat, also erstens seine Geschichte, seine Firma, die er noch mit eingebracht hat in die Linz09-Arbeit und seine Mitarbeiter. Drittens, wie Projekte letztendlich abgesagt wurden, wo ich fast den Verstand verliere. Wie kann er das wichtigste Projekt, das Pöstlingberg-Projekt, das Wahrzeichen absagen? Und zwar mit der Begründung, dass man mit dem Geld nicht auskommt und sich das Geld aufheben muss oder sonst irgendetwas. Tatsache ist letztendlich, dass Geld übrig geblieben ist.

Inwieweit denkst du, dass Linz international als Kulturstadt wahrgenommen wird? Wiederum: Ist das nur die Ars Electronica oder mehr?

Harald Gebhartl: Da funktioniert ausschließlich die Ars Electronica, die funktioniert, aber sonst null. Also Bruckner … oder der Posthof, da sind wir Österreichweit und über die Grenze, im deutschsprachigen Raum, gut unterwegs, aber das hat mit Linz nichts zu tun. Wenn du in Deutschland jemanden fragst oder sagst, ich komme aus Linz, dann sagt er: Linz am Rhein? Ich glaube, soweit ich herumgekommen bin, dass Linz keine Sau interessiert.

Wie schätzt du das Verhältnis von Hochkultur – Subkultur – Volkskultur in Linz ein?

Harald Gebhartl: Linz versucht Hochkultur zu machen, eben in Kompensation zwischen Salzburg und Wien und schafft es nicht. Linz ist aber bemüht, so eine Art von „Mediumkultur“ zu machen, wo ich wieder sagen muss, da könnte ich nicht einmal schimpfen, das machen sie ok. Der Versuch ist da, außer sie bauen dann wieder irgendein Haus, das wir nicht brauchen. Also LinzFest, Posthof, Pflasterspektakel usw., das finde ich grundsätzlich ok. Volkskultur in dem Sinn ist ja eigentlich auch ok, weil es von der Bevölkerung angenommen wird. Ich meine, das Phönix ist von meiner Idee her auch ein Volkstheater, auch wenn wir irrsinnig viele Uraufführungen machen usw. Das heißt, von der künstlerischen Idee oder der Kulturidee her finde ich das von Linz gar nicht schlecht, auch wenn es mir manchmal auf die Nerven geht, wenn ich einkaufen gehe und dann ist das Pflasterspektakel. Aber das bin halt ich und nicht tausend Andere. Der Posthof ist eine gute Einrichtung, das Brucknerhaus ist eine gute Einrichtung – ist natürlich alles sehr, wie soll man sagen, besitzerhaft gemacht, nämlich, dass das unter der LIVA steht und da gibt es so eine Art Vorsatz oder Auflage, wo ich mich frage, wie weit darf man da in einen Spielplan oder sonst irgendetwas eingreifen. Das Theater Phönix selbst ist noch immer ein Privathaus im Gegensatz dazu, und die sind wirklich Stadtmechanismus und völlig abhängig von der Stadt, also das Brucknerhaus, der Posthof und so. Das ist eine Beamtenverwaltung, die da passiert, bei uns nicht. Subkultur wird in Linz einfach nicht gerne gesehen. Es gibt sie und sie ist sehr toll, weil sie nicht gerne gesehen wird. Eine Subkultur entwickelt sich immer am besten, wenn eine Kommune oder Stadt sagt, das soll nicht so sein. Gut, geben wir ihnen ein bisschen etwas, damit sie gerade noch überleben können. Ich glaube, so entwickelt sich dann eine Kunst oder eine Kultur, die außergewöhnlich ist. Aber das macht Linz nicht vorsätzlich. Es gäbe, glaube ich, keine Attwenger ohne dass Linz gesagt hätte, machen wir nur die Bauten, aber Subkultur mögen wir nicht, siehe frühe Stadtwerkstatt oder was weiß ich. Das war ja viel aggressiver und da war – keine Ahnung, wer das genau gemacht hat – die Stadt Linz relativ clever. Stadtwerkstatt, wie das Haus noch unten an der Donau gestanden ist, ganz früher, das war wirklich ein Punkt, der war echt klasse. Dann ist es übersiedelt nach oben und da haben sie ihnen – um das dumm zu sagen – einen goldenen Käfig gebaut, das muss ich schon sagen. Obwohl sie gut funktioniert, also ich liebe die Stadtwerkstatt, ich gehe immer wieder hin, es ist toll, aber man hat das wirklich Subversive kleiner geschraubt und das tut mir manchmal leid. Aber gut, ich bin auch schon ein alter Herr. Und zur traditionellen Volkskultur muss ich sagen, da muss ich Linz wieder loben, weil wenn ich höre, dass die FPÖ mittlerweile bundesweit fast gleichauf mit der SPÖ ist, dann wissen wir auch, was bestimmte Menschen unter Volkskultur meinen. Dann denke ich mir schon: Ok, dann ist es noch immer gut, und zwar so etwas von gut, ein Pflasterspektakel und sonst irgendetwas zu machen oder auch von mir aus ein Kronefest am Hauptplatz. Weil sonst … das wäre dann Sterblichkeit und das ist dann Volkskultur, wo ich sage: Ok, Gebhartl, du wanderst aus, geh auf eine Insel. Es ist unvorstellbar und furchtbar und grauenhaft, aber es ist mehr, als man denkt. Ganz persönlich, auf diese Volkskultur kann ich nicht nur verzichten, sondern von der renne ich davon oder arbeite dagegen.

Wenn du einzelne künstlerische Disziplinen wie Malerei und Grafik, Tanz, Theater, Musik, Literatur, Film, Fotografie usw. betrachtest: Wo wäre in der Stadt noch Entwicklungspotenzial vorhanden? Du hast vorher bereits die bildende Kunst und die freien Theaterschaffenden genannt. Mich würde also interessieren, wo besonderes Potenzial liegt, wo du in der Reflexion und in der Diskussion der letzten Monate gedacht hast, da sind viele junge Talente da, das würde zur Stadt passen, dass diese Disziplin entwickelt wird?

Harald Gebhartl: Das ist ganz schwierig zu sagen. Ich kann das nur über Beispiele erzählen, was ich im kleinen Kosmos Phönix mache. Wir arbeiten zum Beispiel jetzt zusammen mit der Pädagogischen Akademie, wo wir Lehrer ausbilden, das heißt wir haben quasi einen Lehrauftrag im Phönix bekommen. Das ist ein Lehrgang, der an der Pädak stattfindet, wo Lehrer ausgebildet werden, um Theater zu machen, Schultheater zu machen, mit Schülern besser Theater zu machen, wo wir Ressourcen zur Verfügung stellen. Das ist ein langsamer Vorgang, weil nicht jeder Lehrer im Theater so drinnen ist, dass er wirklich weiß, wie das eigentlich daher kommt von unten. Und genau in so einer Aufbauweise müsste man ohne Rücksicht auf das eigene Klientel ein Pouvoir vergeben, da meine an ich die Freie Szene, wo man sagt: Mach einmal ein großes Projekt, du hast Potenzial. Oder mit Institutionen wie der Kunstuniversität mehr zusammenarbeiten, anders, größer zusammenarbeiten. Das ist jetzt natürlich ein bisschen frech, aber wieso haben die nicht das neue AEC geplant? Wieso muss du man da immer jemanden herholen, der angeblich irrsinnig gut ist. Wieso nicht das Potenzial von Linz nutzen und da meine ich nicht klein, klein, klein, sondern groß. Das ist ein Fehler, das ist ein absoluter Fehler. Ich glaube, Linz vertraut seinen KünstlerInnen nicht oder schöpft das Potenzial null aus. Wieso, jetzt komme ich wieder auf Linz09 zurück, muss ein Martin Heller kommen? Da gibt es so tolle Leute in Linz. Damit meine ich sicher nicht mich. Das meine ich nicht in der Tradition des Begriffes, dass das nur Linzer oder Oberösterreicher wären, aber da gibt es so viel, das besser dazu passt zu Linz. Das ist einfach eine Instinktlosigkeit, die unglaublich ist. Weil das Potenzial ist da, 100-prozentig. Man muss überhaupt nichts kompensieren, man muss nichts kompensieren über Bauten und große Gebäude, sondern man kann … aber das ist leider oft nicht ablesbar, also Produkte wie ein Theaterstück, die sind nicht ablesbar, das ist nichts, was du angreifen kannst und da tun sich Politiker schwer, weil sie wollen ja ein Paket aufmachen und da ist dann etwas drinnen: Super.

Welche drei thematischen Schwerpunkte mit Kunst- und Kulturbezug werden zukünftig die größten Herausforderungen für die Stadt darstellen?

Harald Gebhartl: Erstens geht es immer – das betrifft auch die Kultur – um die Kohle. Du musst ein sehr cleverer, weitsichtiger Mensch sein, der jetzt für die Kultur die Finanzen macht, um etwas aufzuteilen. Das wichtigste ist Ermöglichen. Klar tun sich die Politiker und Stadtväter dann immer schwer, etwas zu ermöglichen, weil sie dann Jurys brauchen und Beiräte, aber das ist ok. Ein Beirat ist gar nicht schlecht, also ich finde das Beiratssystem nicht schlecht. Aber die fetteste und dickste Überschrift ist „Ermöglichen“, das Wichtigste wäre, in einer neutralen Idee zu ermöglichen, mehr kann man nicht sagen, Ermöglichen einfach. Was geht, das geht, aber das passiert überhaupt nicht, da wird jeder abgeblockt, weil man die eigenen Interessen durchsetzen will. Ermöglichen heißt aber auch wieder, wie setzt man persönlich den Stellenwert der Kultur im Sinne der Kunst ein? Nachdem ich vermute, dass ganz wenige Politiker etwas mit Kunst und Kultur am Hut haben, sondern eher andere Sachen verwirklichen wollen, denke ich mir, das klappt nicht. Also „Ermöglichen“ ist das Hauptwort für mich. Da muss man aber auch ein bisschen loslassen von diesen alten, versteinerten, blöden, dummen … dass man sagt: Geh‘ raus aus deiner eigenen Subjektivität und mache etwas nach vorne. Und dazu noch: Kommunikation, aber ohne 17, 15 oder 10 Lagen, sondern direkte Kommunikation, Wahrheit.

Zu den einzelnen Themenbereichen. Publikum, Zielgruppen, altersspezifische Kulturangebote. Die Kulturpolitik in Linz ist seit vielen Jahren durch das Schlagwort „Kultur für Alle“ geprägt. Inwieweit denkst du, dass Linz diesem Anspruch gerecht wird?

Harald Gebhartl: Nur über sehr banale Mittel, also das Kronefest am Hauptplatz und dann Pflasterspektakel und so weiter für alle, also alles für alle, was an sich ja gedacht gut ist, im Sinne von Volkskultur, weil dann Eltern mit Kinder und Opa, Oma sich das auch anschauen können. Aber das hat mit Kunst nichts zu tun, sondern das hat nur mit Kultur etwas zu tun. Das ist eine schöne Kultur, aber das könnte ich auch anders nach draußen lassen, wie ich mache jetzt das Kronefest und ich mache jetzt dieses Spektakel und jenes Spektakel. Es muss nicht immer Spektakelkultur sein. Ich kann, glaube ich, wunderbar alle Altersgruppen auch bedienen, indem ich sie heranziehe und erziehe zu einem qualitativ hochwertigen Projekt, Produkt, von mir aus Kunst im öffentlichen Raum, sonst irgendetwas. Das muss nicht immer der Kasperl sein.

Wie würdest du eine stärkere Fokussierung von kulturellen Angeboten auf einzelne Zielgruppen beurteilen, auch wenn dies unter Umständen auf Kosten anderer Zielgruppen geht? Also wenn die Stadt Linz zum Beispiel sagt, in den nächsten Jahren fokussieren wir nur auf Kinder und Jugendliche, auch wenn die Erwachsenen und Älteren darunter leiden würden, oder wir fokussieren auf die Älteren, dafür leiden die anderen darunter? Man könnte auch sagen, Kultur nur für bestimmte Zielgruppen.

Harald Gebhartl: Ich sage nur eine Hausnummer jetzt, ich könnte mir vorstellen, das man beim LinzFest sagt, es gibt – da meine ich nicht Bereiche – definitiv etwas für Senioren, es gibt definitiv etwas für mittleres Alter und definitiv etwas für Jugendgruppen, ohne Einschränkung, also ohne Grenze. Du weißt einfach, wo das passiert, was da passiert, das finde ich super. Ich meine, es gibt auch, wenn wir von Volkskultur sprechen nicht nur Idioten, was Volksmusik zum Beispiel betrifft, was nicht nur traditionelle Blasmusik für mich jetzt ist. Grundsätzlich kannst du auch einmal irgendeine Volksmusikgruppe einladen, aber einfach ein bisschen feiner so etwas produzieren und hinstellen und eben, wie gesagt, dass man das einfach sichtbar und vermittelbar für jede Altersgruppe macht. Das würde ich hochinteressant finden, weil das funktioniert. Und vermischen, also da muss man ein Konzept erarbeiten, das auch vermischt, weil die Alten gehen dann sicher zu den Jugendprogrammen und die Jugend geht zu den Altenprogrammen. Das heißt, es gibt eine absolute Vermischung, aber vielleicht kann man das mehr fokussiert hinstellen und projizieren durch ganz Linz. Ich weiß nicht, ob das funktioniert. Das müsste man gut überlegen, aber das kann man noch ganz anders programmieren. Grundsätzlich würde ich fragen, was heißt das, Senioren, Jugend und Mitte? Das heißt, besser kuratieren, besser offensichtliche Vermischungen zulassen, dass da irgendwie Verbindungen geschaffen werden, weil wenn du Überschriften machst, wo du sagst, da gibt es das Programm, dieses, jenes, das sind verschiedene Altersgruppen und die können sich dann letztendlich vermischen, das finde ich lustig, nicht immer so den Einheitsbrei.

Kinder und Jugendliche. Was geht dir in Linz ab, wenn du an Kunst und Kultur für Kinder und Jugendliche denkst?

Harald Gebhartl: Mit Andreas Baumgartner ist das Theater des Kindes echt exzellent, das muss ich sagen. Wir haben eine Freundschaft, aber schon alleine die Arbeit, die ist sehr gut. Auch John F. Kutil macht eine tolle Arbeit, glaube ich, auf jeden Fall, das Landestheater, sie machen durchaus gute Arbeit in dem Sinn. Das heißt, ich glaube, was Theater betrifft, da ist für Kinder und Jugendliche gut gesorgt. Mindestens ein- oder zweimal im Jahr machen wir auch Sachen, die ab 12, 13, 14 Jahren funktionieren. Was insgesamt das Programm für Jugendliche anbelangt …

Das muss dir in letzter Zeit irgendwo in einer Reflexion oder Diskussion untergekommen sein, wo du gesagt hättest, eigentlich …

Harald Gebhartl: Da kann man nur sagen, man darf Jugendliche und Kinder nie unterschätzen. Ich glaube, was die Kulturpolitik in Linz betrifft, denken die wieder nur in Hüpfburgen. Ein bisschen mehr ist drinnen. Jugendliche sollen nicht nur beschäftigt sein, sondern Jugendliche sollen auch mitgenommen werden. Sie sollen etwas erleben können, was nicht nur die Hüpfburg betrifft, sondern was das Mehr ist, in dem Sinn, im besten Sinn dazulernen. Und da gibt es Möglichkeiten und Tools, dass du sagst: „Wow, das habe ich aber noch nie gesehen, das wäre aber geil.“ Das wäre ja eigentlich bildende Kunst, das ist bildende Kunst, jetzt blöd gesagt, oder das ist Theater, das ist nicht nur irgendein Kasperl, sondern das ist Theater auf einem guten Niveau. Das wird unter Umständen gemacht mit dem Shakespeare Festival, das ist ok, wobei das ja eher vom Land ausgeht. Aber so etwas ist gut und das kommt bei den Kindern, Jugendlichen und auch den Erwachsenen immer gut an. Ich glaube, dass Linz viel zu sehr Wert legt auf … klar, Kultur funktioniert über Wählerstimmen, wobei das ist nicht immer wahr. Mit einer guten Kultur oder einen guten Kunst, die inhaltlich toll ist, da triffst du viele Leute. Da muss ich wieder sagen, ich glaube, dass die Linzer Politiker die Intelligenz der Leute unterschätzen, der Bevölkerung. Wobei ich mir nicht sicher bin, weil so wie Thomas Bernhard gesagt hat: „98 Prozent der Menschheit sind blöd und zwei Prozent sind gefährdet.“ Er hat schon irgendwie Recht gehabt damit, aber trotzdem würde ich sagen, die Politiker haben auch einen pädagogischen Auftrag für die Kultur. Das heißt, es muss etwas angeboten werden, um dazu zu lernen. Das ist natürlich fast ein romantischer Gedanke. Aber dazu müssten die Politiker erstmals wissen, was Kunst und Kultur ist, weil die gehen ja nicht einmal ins Theater.

Was mich auch interessiert, ist der demographische Wandel. Für die Erwachsenen passiert natürlich viel, das Angebot für Kinder und Jugendliche wird immer wieder eingefordert, da gibt es auch kein Gegenargument, wenn man dann sagt, das ist unsere Zukunft, da kommt man schwer herum, etwas dafür zu tun. Aber es gibt einen demographischen Wandel und es gibt ganz viele ältere Menschen. Mich würde interessieren, wie du die Situation des kulturellen Angebots für ältere und alte Menschen in Linz einschätzt? Es gibt ein Theater des Kindes, aber kein Theater der Senioren.

Harald Gebhartl: Lustigerweise, wie gesagt, das Theater Phönix und ich sind sehr gut … mit dem Seniorenprogramm vom Radio FRO rede ich sehr oft und die kommen auch dauernd und da haben wir schon ein bisschen eine Struktur aufgezogen. Ich stehe irrsinnig drauf, also ich kann nur vom Phönix reden natürlich. Ich meine, die „Drei von der Tankstelle“ war jetzt nicht komplett auf das hin programmiert, aber da habe ich irrsinnig viel Kontakt mit alten Leuten und Seniorengruppen gehabt und habe denen das erzählt und da hat es Interviews gegeben. Die sind so darauf gestanden, wenn du dich bemühst um sie. Ich liebe es, wenn da irgendwelche Seniorenbanden einfallen ins Phönix, die benehmen sich ja genauso wie die Jugendlichen. Das ist lustig, wenn sie in Gruppen zusammen sind und im Lokal, natürlich übertrieben gesagt, aber es gibt kaum einen Unterschied. Also auf jeden Fall als Zielgruppe ein Muss. Das macht Linz vielleicht auch ein bisschen, immer Neu, Neu, Neu. Ich weiß nicht, ob man das überhaupt so sagen kann, „Linz macht das“, aber egal. Es gibt da schon dieses Abschieben und eigenartige Berührungsängste, aber im Phönix gibt es das überhaupt nicht. Von was wir profitieren, da kommen jetzt zum Beispiel die Senioren zu Uraufführungen, wo dann auch 70- oder 75-Jährige oder noch ältere dabei sind, die dann nicht sagen: „Das ist mir zu modern.“, sondern die lassen sich da wirklich darauf ein. Unglaublicherweise ohne dass wir sie da erziehen zu etwas. Man kann das Alter durchaus schätzen. Was das Phönix betrifft, es geht sich aus. Ich haue mich da wirklich ab, weil wenn ich da bin, ich bin oft auch am Abend da, und die ganze Bude mit Senioren voll ist, das ist super. Wie gesagt, sie sind genauso lustig und kokett mit dem, was sie sehen und behandeln den Stoff wie irgendwelche jungen Leute, nur anders halt, also von der Idee her. Ich habe jetzt zum Beispiel bei „Drei von der Tankstelle“ viele E-Mails von Senioren bekommen, die gesagt haben, es war Spitzenklasse und sie lieben es und so schön, dass das irgendwer macht. Zwar auch auf so eine Art und Weise, du könntest es ja auch konservativ machen, aber das mache ich natürlich nicht. Aber die haben das total genossen, auf das stehen wir auch im Phönix. Und Linz sollte auch darauf stehen, ehrlich gesagt. Da haben sie eine zunehmende Zielgruppe.

Danke für das Interview.

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