Aileen Derieg

Geburtsjahr und Geburtsort?

Aileen Derieg: 1958, Tucson, Arizona, USA.

Seit wann lebst du in Linz?

Aileen Derieg: In Linz bin ich seit 1985, vorher in Innsbruck.

Welche kunst- und kulturbezogenen Aktivitäten und Funktionen übst du aus? Bitte auch an Gremien, Jurys und ähnliches mehr denken.

Aileen Derieg: Das ist vor allem mein Beruf als Übersetzerin, dass ich im Bereich Kunst und Kultur als Übersetzerin tätig bin. Bei maiz bin ich Obfrau, wiedergewählt, jetzt zum zweiten Mal, das heißt, ich bin seit 2009 Obfrau von maiz. Ich bin immer wieder beteiligt an verschiedenen Projekten oder längerfristigen Programmen wie zum Beispiel im Kunstraum Goethestraße xtd. Auch servus.at ist mir sehr wichtig. Beim Frauenkulturstammtisch bin ich auch immer wieder gerne dabei. Ich bin auch oft als Publikum dabei, was von der nächsten Generation gemacht wird. Das ist mir ganz wichtig. Es freut mich, dass ich immer wieder eingeladen werde und ich denke mir, Publikum gehört auch dazu.

Wenn dein Name wo aufscheint, was soll da noch angeführt werden? Ist es für dich in Ordnung: Übersetzerin und Obfrau von maiz oder soll noch etwas dabei stehen?

Aileen Derieg: Nein, das passt schon. Das ist genug.

Welche Zielgruppen werden deiner Meinung nach durch die Arbeit von maiz besonders angesprochen?

Aileen Derieg: Migrantinnen in Oberösterreich. Das ist ganz klar die Zielgruppe.

Und der geografische Wirkungsbereich, weil du sagst in Oberösterreich?

Aileen Derieg: Oberösterreich von Anfang an, aber es kommt auch immer wieder vor, dass Frauen auch von weiter weg zu maiz kommen, um Beratungen durchzuführen. Das kann von überall her sein.

Aus deiner Sicht, in welchen künstlerischen Disziplinen bzw. kulturellen Arbeitsfeldern ist maiz hauptsächlich tätig?

Aileen Derieg: Es gibt verschiedene Bereiche bei maiz. Da gibt es Beratung, Bildung, Kultur. Es gibt viel Projektarbeit. Das Ziel ist, dass in diesen Bereichen übergreifend gearbeitet wird, dass auch andere angesprochen werden, aber vor allem Frauen und Jugendliche mit migrantischem Hintergrund. Einiges wird auch im öffentlichen Raum gemacht, da gab es schon ein paar Aktionen, Gerade mit Kursteilnehmerinnen von den ganz jungen Frauen, die wirklich beeindruckend waren. Im Winter war so eine Aktion. Ein kleiner Zug durch die Stadt, eine Gruppe hat bei der Schaufensterausstellung angefangen und ist von dort zum Hauptplatz gezogen. Die jungen Frauen sind auf einem Schneehaufen gestanden und haben ganz laut gerufen: „Wir sind hier und wir bleiben hier.“ Diese Sprüche von maiz. Und dann sind wir gemeinsam durch die Unterführung zum Brückenkopf gegangen, wo diese Tafel an der Brücke steht und haben das neu umgeschrieben.

Jetzt ist maiz auf mehrere Standorte verteilt, mittlerweile drei, soweit ich das im Überblick habe?

Aileen Derieg: Ja, Klammstraße, Hofgasse und Badgasse.

Gibt es in Bezug auf die vorhandene räumliche und technische Infrastruktur aktuell einen Handlungsbedarf, d. h. den Wunsch nach quantitativer Erweiterung oder qualitativer Verbesserung?

Aileen Derieg: Oh ja. Da sind einige Probleme. Zum einen mit den neuen Vorschreibungen, die uns bevor stehen in Bezug auf Barrierefreiheit. Das ist unmöglich in der Klammstraße. Und es wäre auch ganz wichtig, es wäre wichtig, es wäre wünschenswert, aber finanziell undenkbar. Da wäre es natürlich eine unglaubliche Hilfe, wenn es möglich wäre, Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen oder dafür eine Unterstützung zu bekommen. Ich meine, wie kommen wir zu Räumlichkeiten in der Stadt, die wirklich zugänglich sind für die Frauen, die herkommen wollen? So eine niederschwellige Zugangsmöglichkeit ist extrem wichtig, dass die Frauen sich trauen, da reinzukommen. Die neuen Räumlichkeiten in der Badgasse sind sehr, sehr schön geworden, aber es war natürlich schwierig, die Umbauarbeiten. Es waren von vornherein einfach begrenzte Möglichkeiten, inwieweit ist das wirklich barrierefrei?

Und das ist dann eher gewachsen, so dass das jetzt drei getrennte Räumlichkeiten sind? Die Möglichkeit, das in einen Raum zu geben, wurde das bereits diskutiert?

Aileen Derieg: Das ist nie wirklich diskutiert worden oder ganz wenig, weil es einfach vollkommen unrealistisch ist. Zurzeit.

Wie viele Personen sind bei maiz insgesamt beschäftigt?

Aileen Derieg: 34, glaube ich.

In verschiedenen Arbeitsverhältnissen?

Aileen Derieg: Genau. Aber das Ziel ist, möglichst sichere Jobs zu erhalten. Was natürlich sehr, sehr schwierig ist, wenn alles nur über Projektarbeit ablaufen kann. Und da ist natürlich das Ziel, dass es nicht so geht, dass jedes Mal, wenn ein Projekt abgelaufen ist, alle entlassen werden, sondern es wird immer wieder versucht, die Frauen noch einmal unterzubringen beim nächsten Projekt oder bei einem anderen Projekt. Was natürlich immer extrem kompliziert ist.

Wenn man in Dienstverhältnissen in dem Bereich tätig ist, was mit Prekarität wahrscheinlich zum Großteil verbunden ist, wo freiwillige Leistungen dann teilweise übergehen in Leistungen, die abgegolten sind, ist es schwierig, die nächste Frage zu beantworten, aber ich stelle sie trotzdem. Mich würde interessieren, ob es Personen gibt, die auf freiwilliger Basis, ehrenamtlich, tätig sind für maiz?

Aileen Derieg: Weniger. Es gibt immer wieder einen Aufruf dazu, aber das ist hauptsächlich im Vorstand. Unsere Möglichkeiten sind natürlich auch begrenzt. Aber gerade für Frauen, die sonst wirklich stark eingeschränkte Möglichkeiten haben in Bezug auf Arbeitsstellen, wird natürlich immer versucht, das möglichst nicht prekär zu gestalten. Das ist eben ein ganz wichtiges Ziel, aber das ist immer wieder ein Problem, immer wieder anstrengend.

Zum Hauptblock im Interview. Über die kulturelle Entwicklung, Situation und Zukunft von Linz. Ein kurzes Assoziationsspiel: Welche Begriffe fallen dir ein, wenn du an „Kulturstadt Linz“ denkst?

Aileen Derieg: Alle haben das Recht, Rechte zu haben. Das ist ein Slogan, der mir immer sehr gut gefällt. Die Slogans von maiz wie „Austria we love you, we will never leave you!“, die finde ich auch sehr schön. Alle haben das Recht, unterschiedlich zu sein, das gehört auch dazu, glaube ich. „No borders“. Nicht eingrenzen, nicht ausgrenzen, no borders.

Das heißt du würdest zum Slogan „Kulturstadt Linz“ diese anderen Slogans aus dem Bereich von maiz hinzustellen?

Aileen Derieg: Ja.

Wenn du die letzten zehn Jahre, also die Jahre 2000 bis 2010, betrachtest: Was lief deiner Meinung nach besonders gut in der kulturellen Entwicklung der Stadt Linz?

Aileen Derieg: Ja, neue Kollektive oder neue Initiativen, die entstanden sind, wo ich das Gefühl habe, es tut sich einmal was. Und es sind Ideen und andere Vorstellungen da, was ich sehr schön finde. Dann auch Kooperationen. Ich habe das gerade beim Crossing Europe stark gemerkt, wie viele zusammenarbeiten können, auf ganz unterschiedliche Art und Weise, was ich auch sehr gut finde. So von klein bis ganz groß, von bb15 bis Lentos. Dass sind ganz verschiedene, kleine Beiträge. Wenn etwas ist, so ein Ansiedlungspunkt, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, dass sich Initiativen bei Institutionen auch einbringen können. Das hängt sicher viel mit den Personen zusammen, aber das ist mir heuer noch einmal besonders aufgefallen bei Crossing Europe, wo das wirklich gut funktioniert und wie das gut gehen kann. Auch diese Vernetzung der local artists mit internationalen Künstlern und Kunstschaffenden, das funktioniert auch sehr gut, was ich schön finde.

Und mit welchen kulturellen Entwicklungen der letzten zehn Jahre bist du überhaupt nicht zufrieden?

Aileen Derieg: Immer diese Betonung auf Quantität über Qualität. Das finde ich einfach ärgerlich. Das ist keine Bemessungsgrundlage, wie viele Besucher irgendwo sind oder wie viele Leute angesprochen werden. Um das geht es nicht. Es geht um die Qualität und da gibt es ganz wichtige, schöne Sachen, die wirklich eine sehr hohe Qualität haben, auch wenn nur ein kleiner Kreis angesprochen wird. Es müssen nicht immer die Massen dazu bewegt werden, dass sie an irgendetwas teilnehmen. Das hat auch so einen Welleneffekt. Es geht was weiter, auch wenn es klein anfängt. Es müssen nicht immer Massen dabei sein. Aber das scheint immer noch der Fall zu sein. Es ist viel zu viel Betonung auf Besucherzahlen, Massenbewegungen, was vor allem von der Stadt kommt. Und das finde ich schade. Das war beim Lentos so, bei Linz09, beim OK das selbe jetzt.

Womit kann Linz deiner Meinung nach im österreichischen Städtewettbewerb punkten, vor allem im Vergleich zu ähnlich großen Städten wie Graz, Salzburg oder Innsbruck, oder in Deutschland Münster oder Kassel, alles was ungefähr in der Größe von Linz ist? Ist es dann nur die Ars Electronica oder ist das schon mehr?

Aileen Derieg: Was mir besonders aufgefallen ist, wie ich nach Linz gekommen bin, habe ich gemerkt, das hat genau die richtige Größe, dass Leute sich wieder finden können und ich glaube, es stimmt schon immer noch, vielleicht nicht mehr so sehr. Aber im Prinzip glaube ich, stimmt es immer noch, was Wolfgang Preisinger einmal gesagt hat: „Linz ist zu klein um sich in verschiedene Disziplinen aufzuteilen.“ Deswegen ist Linz von vornherein disziplinlos. Das finde ich wirklich eine sehr schöne Vorstellung. Ich denke mir, was Linz interessant oder attraktiv macht für mich, ist zu einem gewissen Grad ein Fehlen einer Hochkultur oder von großen Institutionen, die alles besetzen. Im Unterschied zu Salzburg zum Beispiel. Ich stelle mir das extrem schwierig vor in Salzburg, etwas Neues zu machen oder etwas Informelles zu machen. Auch wie ich Innsbruck gekannt habe, wo ich dort studiert habe. Ich glaube, es macht sich schon bemerkbar in der Stadt, dass es keine große geisteswissenschaftliche Universität gibt. Es gibt punktuell immer wieder etwas, jetzt sogar an der Katholisch-Theologischen Universität, dieses „GleichGültig“-Kollektiv. Aber ich glaube, das spürt man schon, dass die Geisteswissenschaften einfach nicht vorhanden sind oder ganz minimal.

Inwieweit denkst du, dass Linz international als Kulturstadt wahrgenommen wird? Und welche geografische Reichweite hat die internationale Wahrnehmung deiner Meinung nach?

Aileen Derieg: Es ist die Frage, wo das wahrgenommen wird, wie das wahrgenommen wird. Ich schreibe für einen Blog mit Sitz in England. Ich schreibe auf Englisch über Linz und bin immer wieder überrascht, wie groß das Interesse ist. Das wird schon wahrgenommen auch, LiWoLi ist inzwischen sehr hoch anerkannt in den Kreisen, wo das zählt. Aber das ist wieder die Frage, von wem wahrgenommen? Für Leute, die Interessen an solchen Themen haben, ist LiWoLi durchaus eine sehr wichtige Veranstaltung.

Also in spezifischen Kreise würdest du sagen, durchaus?

Aileen Derieg: Ja.

Beschreib bitte dein Resümee von Linz09 anhand von drei Punkten. Was war Linz09 für dich?

Aileen Derieg: Als erstes muss ich dazu sagen, mir ist es extrem schlecht gegangen in dem Jahr, persönlich, aus ganz anderen Gründen. Und das trübt natürlich auch meine Wahrnehmung. Was ich mitbekommen habe, war schon begrenzt. Ich habe zum Schluss gedacht, ich bin froh, wenn das vorbei ist, weil das so nervig war, dass bei jeder Veranstaltung, bei jedem Projekt, das Gefühl da war, als erstes die Frage im Raum gestanden ist, war das jetzt ein Plus oder ein Minus für Linz09? Und ich habe gedacht, die Frage ist einfach langweilig und bringt nichts und ich war froh, dass wir die Frage nicht mehr stellen mussten. Vieles hat mich geärgert. Es war ein Zugang zu Kultur und zu Kunst zu spüren, mit dem ich einfach nicht einverstanden bin, von vornherein nicht und das ist nicht besser geworden. Es sind auch schöne Sachen passiert, sicher, keine Frage. „See This Sound“ im Lentos, eine der besten Ausstellungen, die ich je gesehen habe. So toll, extrem wichtig. Das wurde auch von anderen, internationalen Gästen bestätigt und natürlich war eine solche Ausstellung nur auf Grund der zusätzlichen Finanzierung von Linz09 möglich. Teilweise war es auch komplizierter, wie alles, wo zusätzliche Mittel von Linz09 gekommen sind, da sind auch Komplikationen mit gekommen.

Ist irgendetwas geblieben? Auch wenn es noch sehr nahe liegt das Ereignis, aber siehst du schon etwas, wo etwas geblieben ist von Linz09?

Aileen Derieg: Ein schöner Katalog zu „See This Sound“. Sonst nicht wirklich. Vielleicht habe ich etwas übersehen, aber alles was mir wichtig war, war aus nachher.

Wie schätzt du den Stellenwert von Hochkultur – Subkultur oder Alternativkultur- Volkskultur in Linz ein?

Aileen Derieg: Hochkultur in Linz ist meiner Wahrnehmung nach sehr, sehr stark unterentwickelt. Es gibt aus meiner Sicht einfach zu wenig Publikum dafür. Finde ich auch nicht weiter problematisch. Volkskultur habe ich kaum Erfahrungen. Ich finde es immer wieder befremdend, wenn irgendwelche Blasmusikkapellen oder Goldhaubengruppen irgendwo auftauchen. Ich habe das Gefühl, ich weiß nicht, woher die kommen. Die werden von irgendwo her kommen, aber das weiß ich nicht. Ich habe einfach keinen Kontakt damit. Die Alternativ- oder Subkultur ist einfach mein Umfeld, eh schon immer gewesen in Linz und da fühle ich mich ganz wohl. Ich habe schon das Gefühl, dass immer noch etwas möglich ist. Ich meine, früher hat man von den Stahlstadtkindern gesprochen. In letzter Zeit haben einige Leute von den Stadtwerkstattkindern gesprochen. Es gibt auch Kinder, die in diesem Umfeld tatsächlich aufgewachsen sind. Ein bisschen macht mir Sorgen, dass es auch andere Gruppierungen gibt, im Umfeld von Social Networks, dass es Leute gibt, die das zu wenig mitbekommen, vor allem jüngere Leute, die zu wenig mitbekommen, was ist Kultur anderes als so kommerzielle Plattformen. Das ist viel zu kritiklos. Die das viel zu kritiklos annehmen und verwenden. Ja, kann man auch verwenden, aber es fehlt irgendwo ein Bewusstsein dafür, dass es auch etwas anderes gibt und geben kann. Es gibt zum Beispiel eine erstaunlich lebhafte Twitter-Community in Linz, wo ich ganz andere Leute wieder kennen gelernt habe.

Aber die Verbindung fehlt dann zu einer kritischen Reflexion des ganzen Social-Media-Bereichs?

Aileen Derieg: Ja.

Wenn du einzelne künstlerische Disziplinen wie Malerei und Grafik, Tanz, Theater, Musik, Literatur, Film, Fotografie usw. betrachtest: Wo würdest du meinen, wäre in der Stadt noch besonderes Entwicklungspotenzial vorhanden?

Aileen Derieg: Gerade in letzter Zeit war schon sehr auffallend, wie gesagt bei Crossing Europe, dieser Bereich der local artists. Es gibt so wahnsinnig viel in dem Bereich. Es gibt so eine unglaubliche Bandbreite, dass ich mir viele Filme angesehen habe und das verfolgt habe, was alles dazu gehört, wo was gemacht wird. Wo ich gedacht habe, eine Jury soll das alles aufnehmen? Da habe ich gedacht, das ist extrem schwierig. Was auch alle bestätigt haben, die in einer Local-Artist-Jury tätig waren. Aber ich denke mir, das ist ein Bereich, wo es offensichtlich so viele Leute gibt, die auf diesem Gebiet alles Mögliche machen, was mit Filmkunst zu tun hat. Vor allem Filmkunst. Wo ich das Gefühl habe, das ist überraschend, weil mir eigentlich wenig bekannt ist, dass das irgendwo gefördert oder wahrgenommen wird. Das ist wie bei allem anderen. Sobald man ein paar Leute kennt, merkt man, da ist ein ganzer Kreis dabei, die sich alle gegenseitig helfen oder vielfach helfen. Und das sieht man auch bei den Credits, wenn man sich die Filme ansieht. Welche Namen überall vorkommen und ich denke mir, da ist schon sehr viel Potenzial da und ich denke mir, das wundert mich eigentlich, dass die Stadt das nicht wahrgenommen hat, meines Wissens.

Sonst noch etwas, wo du in den letzten Monaten gesagt hättest, eine Disziplin, wo du genauso überrascht warst?

Aileen Derieg: Die Medienkunst ist für mich persönlich wichtig. Ich habe das Gefühl, ich habe irgendwo den Faden verloren und es passiert hier und da und dort etwas, aber da fehlt mir eine Vernetzung. Da habe ich das Gefühl, das ist ein Bereich, wo alle immer noch zu sehr abgekapselt sind und zu wenig voneinander mitbekommen, was es auch sonst noch gibt. Und das fehlt mir.

Auch die Plattform vielleicht?

Aileen Derieg: Ja, die Plattform, mehr noch die gegenseitige Wertschätzung. Ich weiß nicht, es ist schwer zu sagen, was fehlt.

Welche drei thematischen Schwerpunkte mit Kunst- und Kulturbezug werden zukünftig die größten Herausforderungen für die Stadt darstellen?

Aileen Derieg: Das erste Thema: Räumlichkeiten, Räumlichkeitsbedarf, Zugang zu Ressourcen. Wo gibt es Ressourcen wie Werkzeuge, Arbeitsmöglichkeiten, Werkstätten, Geräte? All diese Dinge, die sehr teuer sind. Wo sind sie? Wie können sie besser genutzt werden? Und geistige Räume für Reflexion. Nicht nur die physischen Räume, die wir brauchen, sondern wo gibt es diese Möglichkeit zur Reflexion, zum Austausch? Nicht direkt zielgerichtet, nicht, wo immer wieder irgendwelche Ergebnisse nachher präsentiert werden müssen, sondern einfach, es passiert etwas, wenn Leute ganz zwanglos zusammen kommen können. Es ist natürlich immer stärker ein Problem geworden, wer hat Zeit dafür, wenn alle prekär beschäftigt sind? Es lässt sehr, sehr wenig Raum für solch einfache, geistige Räume, Reflexionsräume, die wir alle brauchen. Aber die sind ganz dringend notwendig, glaube ich.

Zu den Themenbereichen. Zu Arbeitsbedingungen, Arbeitsverhältnisse, Soziale Lage. Wenn du dein näheres kulturelles bzw. künstlerisches Umfeld betrachtest: Welche Arbeitsverhältnisse (Vollzeit, Teilzeit, Freie Dienstverträge, …) dominieren hier?

Aileen Derieg: Prekär, Freischaffend, Einpersonenunternehmen, projektbezogene Anstellungen. Oder Vollzeitstellen, wo Leute vollkommen überfordert werden und nebenbei gar nichts mehr machen können.

Und wie würdest du die Arbeitsbedingungen beschreiben, unter denen du arbeitest oder unter denen dieses Umfeld arbeitet?

Aileen Derieg: Unter Druck, mit Unsicherheit. Ich meine, es ist eine Sache, wenn man es mit 20 Jahren macht. Ab 40 oder 45 Jahren, ab 50 Jahren überhaupt, ist es dann bedrohlich. Das habe ich auch gemerkt. Ich hätte das dringend gebraucht, dass ich in Krankenstand gehen könnte oder auf Kur. Aber wenn man alles selber organisieren muss, weil man freischaffend oder als NPO arbeitet, dann gibt es einen Punkt, wo man das einfach nicht mehr schafft. Und das ist wichtig. Eine Zeit lang geht es, aber auf Dauer wird es problematisch.

Das ist ja jetzt wohl nicht nur etwas Linzspezifisches. Mich würde aber interessieren, ob es irgendetwas Linzspezifisches vielleicht auch gibt? Das kann von Stadt zu Stadt, von Region zu Region, von Land zu Land unterschiedlich sein, oder? Mich würde interessieren, wie deine Einschätzung ist, ob es da Linzspezifische Unterschiede gibt, was den Bereich betrifft?

Aileen Derieg: Das weiß ich nicht.

Kann die Stadt überhaupt Maßnahmen setzen, um dem entgegen zu wirken, um die Arbeitsbedingungen und die soziale Lage für Kunst- und Kulturschaffende zu verbessern?

Aileen Derieg: Zum Teil schon. Wenn ich mir das überlege, die Bestrebungen bei maiz, sinnvolle Arbeitsplätze zu erhalten, dass die Leute die Sicherheit haben, mit allem, was dazu gehört. Warum macht das die Stadt nicht auch? In den Einrichtungen der Stadt gibt es genau so unmögliche Arbeitsplätze. Ich denke, es müssen keine Beamtenstellen sein, auch Teilzeitstellen, die ordentlich bezahlt und abgesichert werden, wo man sich darauf verlassen kann. Das wäre schon eine Hilfe, aber so weit ich das mitbekomme – vielleicht hat sich schon etwas verbessert – gibt es in vielen Einrichtungen genauso prekäre Arbeitsplätze, nur auf Vertragsbasis oder immer nur auf Abruf. Immer auf Abruf arbeiten zu müssen, ist anstrengend auf Dauer und ich denke mir, die Stadt kann sehr wohl schauen, dass alle, gerade die größeren Einrichtungen in der Stadt, auf die Arbeitsbedingungen schauen müssen. Ich weiß, das ist umstritten, das ist nicht so einfach, zu sagen, dass es so sein muss, aber einfach da mit machen, weil es möglich ist, Leute auszubeuten, das ist zu wenig.

Interkulturalität, Migration und Integration. Wie schätzt du die Entwicklung der migrantischen Kulturarbeit in Linz in den letzten zehn Jahren ein?

Aileen Derieg: Es gibt schon verschiedene Vereine, Minderheitengruppen, Minderheitengruppenvereine, die teilweise nicht unproblematisch sind. Natürlich gibt es einen Bedarf, dass Leute, die einiges gemeinsam haben, die Möglichkeit haben, zusammen zu kommen, wo man nicht alles erklären muss oder nicht alles in mehreren Sprachen erklären muss. Das kenne ich auch. Feiertage, besondere Anlässe, gemeinsam Feiern, ohne irgendetwas erklären, irgendetwas darstellen zu müssen. Für solche Sachen sind so kleine Vereine schon sehr wichtig, glaube ich. Das ist aber nicht alles. Ganz wichtig ist auch eine Öffnung für unterschiedliche Talente, Bedürfnisse, Begehren, Möglichkeiten. Wenn wir Leute aus der zweiten und dritten Generation haben, die immer noch als Migranten, als nicht dazu gehörig wahrgenommen werden – „Du bist zuständig für migrantische Fragestellungen, die aufkommen.“, wenn sie vielleicht ganz etwas anderes machen wollen – ist das nach wie vor problematisch. Das heißt nicht Integration, sondern das heißt, dass Leute einfach unterschiedlich sind. Ein viel besseres Gespür für diese Unterschiedlichkeiten wäre sehr, sehr wünschenswert. Nicht alle Menschen mit dunkler Hautfarbe haben alles gemeinsam. Die schauen nicht alle gleich aus, haben verschiedene Sprachen, ganz unterschiedliche Talente und Bedürfnisse. Mit den Maßnahmen, die es gibt, mit den Angeboten, die es jetzt gibt, mit der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, so wie ich das sehe, wird immer noch in diesen Schemen gedacht. Schwarzafrikaner, Balkan, Osteuropäer oder Asiaten, in diesen Gruppierungen. Und das stimmt nicht. Es geht nicht darum, die Leute noch einmal untereinander aufzuteilen und dann dem Bereich Österreicher und Österreicherinnen gegenüber zu stellen, weil das stimmt auch nicht. Es gibt Goldhaubenvereine, aber es gibt auch etwas anderes. Das hat nichts mit der Herkunft zu tun und das zu ermöglichen, dass es eine größere Mischung geben kann, dass es gleichzeitig respektiert werden muss, dass Menschen ganz unterschiedliche Bedürfnisse haben, wie und wo und mit wem sie sich austauschen wollen oder was sie feiern wollen oder ganz andere Bedürfnisse haben.

Was würdest du dir von der Stadt erwarten in diesem Zusammenhang? Also welche Maßnahmen könnte sie setzen, diese Interkulturalität zu fördern?

Aileen Derieg: Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Wie kann man das positiv formulieren? Kategorien aufweichen. Wie können Vorurteile abgebaut werden? Nicht mit Stereotypen arbeiten. Immer wieder, wenn Bilder von der Stadt auftauchen. Wie wird Linz dargestellt? Einfach nicht nach Quoten das zu machen, sondern schauen, wer hat was zu sagen? Egal, wie sie aussehen oder wo sie herkommen. Die Selbstdarstellung der Stadt könnte anders aussehen, rein optisch. Das wäre auch wünschenswert.

Wie würdest du die Verbindungen zwischen den verschiedenen migrantischen Kultureinrichtungen in Linz beschreiben? Und wie würdest du die Verbindungen zwischen diesen migrantischen und den nicht-migrantischen Einrichtungen aus dem Kunst- und Kulturbereich in Linz sehen?

Aileen Derieg: Ich glaube, es entstehen Verbindungen, wo die politische Orientierung oder gesellschaftskritische Orientierung gemeinsam ist. Einrichtungen der Stadt, die eher auf Aufteilungen in Gruppierungen fokussieren, ob das Schulklassen oder Altersgruppen oder sonstige Gruppen sind, würden natürlich mehr mit Migranten oder Minderheitenvereine zusammen arbeiten, die so eine Gruppierung darstellen können. Die Art von Zusammenarbeit gibt es schon eher, wo die Gruppierungen nachvollziehbar sind oder irgendwie lesbar sind, diese Schwerpunktsetzung. Vielleicht verstellt das teilweise einen Blick darauf, dass es auch anders gehen kann, weil nicht alle sich wohl fühlen in diesen Minderheitenvereinen. Es gibt auch eine andere politische Orientierung und da ist es nicht so leicht, glaube ich, die Verbindungen her zustellen. Eben auch wie gesagt auf Grund des Problems, dass man nicht immer von Migranten sprechen will, wenn man irgendwo auftaucht, sondern manchmal für sich ganz etwas anderes zu sagen hat. Erstens gehört ein Bewusstsein dazu, dass aufzunehmen, dass Leute dazu kommen können. Wo kann überhaupt irgendwer Zugang finden zu anderen Gruppierungen? Von der Freien Szene zum Beispiel. Wie kommt man eigentlich dazu? Wie kommt man da rein? Und wenn das noch einmal eine Hürde ist, wie kommt man da rein, wenn man nicht unbedingt gleich dazu gefragt werden will, wie es mit migrantischen Fragestellungen aussieht?

Nächster Themenbereich. Netzwerke, Kooperationen, Zusammenarbeit. Wie sieht die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen in Linz aus? Gibt es Grenzen der Zusammenarbeit?

Aileen Derieg: Theoretisch glaube ich schon, aber praktisch ist es eine Frage der Zeitressourcen, der Energien, der persönlichen Kontakte. Es gibt immer wieder kleinere Aktionen, Schaufensterausstellungen, das ist natürlich ein Aufgabengebiet für uns im Vorstand. Das gehört zu unseren Zielen: Wie können wir das ausbauen, um das zu vermitteln oder dass mehr Leute das mitbekommen? Es gibt eine Schaufenstergalerieeröffnung und es ist erwünscht, dass mehr Leute kommen. Es ist nicht schwer hinzugehen. Das ist mitten in der Altstadt, das dauert nicht lange, fängt meistens spät an. Es kann jeder und jede hingehen und es wäre natürlich schön, mehr Leute zu sehen. Wir versuchen jetzt – zumindest das ist mein Ziel im Vorstand – überall darauf hinzuweisen, wo es interessante Veranstaltungen, Diskussionsmöglichkeiten gibt. Auch wenn es nicht spezifisch migrantische Fragestellungen sind: Wo sind Bereiche, wo gerade die Frauen, die mit maiz zu tun haben, was zu sagen hätten, Erfahrungen haben? Im Bildungsbereich, im Pflegebereich. Diskussionen oder Veranstaltungen wie zum Beispiel diese Vorschau mit dem Film über Pflegedienste in Deutschland in der AK. Wir wollen von unserer Seite darauf hinarbeiten. Das ist schon unser Ziel. Aber gleichzeitig ist es natürlich schwer, die Zeit zu finden. Es passiert immer mehr in Linz. Das war auch etwas, das mich im Kulturhauptstadtjahr ein bisschen genervt hat, dass es zu viel war. Und das Gefühl: „Ja, ich kann nicht überall sein, ich werde mir das aussuchen.“ Aber das Gefühl, ich gehe irgendwo hin und ich kenne Leute und es sind andere Leute da, das hat sich geändert, meinem Gefühl nach. Die Leute sind viel mehr aufgeteilt. Einerseits ist der Wunsch, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen von anderen Kulturschaffenden in Linz, aber gleichzeitig mit dem Wissen, wir teilen uns alle auf, wir können nicht alle überall sein, bei jeder Veranstaltung, bei jeder Ausstellungseröffnung. Wie entscheidet man sich? Das ist ein Punkt, der auch ausgebaut werden muss.

Wie beurteilst du die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Kultureinrichtungen und NGOs/NPOs bzw. Einzelpersonen aus dem Kunst- und Kulturbereich in Linz?

Aileen Derieg: Sehr unterschiedlich. Bei Crossing Europe ist mir das aufgefallen, es kann wirklich sehr, sehr gut funktionieren. Mir ist aufgefallen, dass die Ars Electronica nichts angeboten hat oder nicht involviert war, obwohl das extrem nahe liegend wäre. Filmgeschichte hat sehr viel mit elektronischer Medienkunst zu tun. Das sind sehr wichtige Stränge, die zusammen gehören. Und da habe ich gedacht, das ist meiner Wahrnehmung nach ein Problem mit der Ars Electronica, dass das einfach so groß und wichtig und ganz separat ist. Vielleicht ist mir etwas entgangen, aber an dem Punkt ist mir das besonders aufgefallen, wo ich mir gedacht habe, das wäre nahe liegend, das wäre wünschenswert. Ich denke, dass es wichtig wäre, dass die größeren Einrichtungen auch mit Einzelpersonen, mit kleinen Gruppierungen zusammenarbeiten, aber es gehört eine gegenseitige Wertschätzung dazu. Und das ist, glaube ich, nicht immer gegeben. Ich glaube nicht, dass wir so große Institutionen in Linz haben, wo diese Vorurteile von … nein, ganz anders … was will ich damit sagen? Diese Trennung gibt es nicht. Es gibt einen großen Graubereich. Es gibt keine zwei Seiten. Es gibt größere Institutionen, mittelgroße, kleinere, ganz kleine und Einzelpersonen und ich glaube, dass ist viel durchlässiger. Ich glaube, es wäre wichtig, das wahrzunehmen, wie durchlässig das ist und wie gegenseitige Wertschätzung anders zum Ausdruck gebracht werden könnte.

Zwischen welchen künstlerischen Disziplinen in Linz könnte die Zusammenarbeit noch optimiert werden?

Aileen Derieg: Tanz und Performance, da habe ich das Gefühl, das würde ich gerne in anderen Zusammenhängen sehen. Das gibt es auch in Linz. Wieso nicht in der Stadtwerkstatt? Oder im OK? Andere Möglichkeiten für Auftritte, für einmalige Performances, etwas auszuprobieren. Räumlichkeiten werden immer gefragt. Das wäre auch ein Bereich. Und wie gesagt, die Frage der Ressourcen. Wer hat Zugang zu welchen Ressourcen, die von anderen auch verwendet werden könnten?

Wo man Synergien nützen könnte bei den vorhandenen Ressourcen, so etwas wie gemeinsame Materialpools?

Aileen Derieg: Genau.

Das funktioniert ja meistens so: Wenn man aus dem freien Bereich kommt und Zugang hat zum OK oder zum AEC, dann bekommt man die Sachen irgendwie.

Aileen Derieg: Ja genau. Wenn man jemanden kennt, dann bekommt man das irgendwie. Ich glaube nicht, dass es wirklich funktioniert, zu sagen, das muss für alle offen sein, weil dann kommen sicher bestimmte Regelungen: Was heißt hier alle? Wer darf Zugang haben? Ich würde das eher von der Seite sehen, wie lernt man die Leute kennen, durch die man an die Sachen rankommt? Das auszubauen wäre mir wichtiger und wäre auch effizienter.

Letzter Themenbereich. Neue Medien, Freie Medien, Open Source, Open Commons. Im alten Kulturentwicklungsplan sind „Neue Medien und Technologien“ als einer der Hauptschwerpunkte der kulturellen Entwicklung festgeschrieben. Inwieweit ist deiner Meinung nach die Stadt Linz diesem Schwerpunkt gerecht geworden?

Aileen Derieg: Das ist schwer zu sagen. Einerseits gibt es schon einiges, was sehr gut ankommt. Ich meine, ich höre das immer wieder von Leuten, die in Linz zu Besuch sind, diese Hotspots überall in der Stadt, die werden sehr geschätzt. So etwas ist natürlich gut. Wobei ich das immer noch ein bisschen wenig finde, wenn die Stadt das einfach zur Verfügung stellt, ohne dass es wirklich mehr Möglichkeiten gibt oder dass es mehr ins Bewusstsein kommt. Was heißt das, einfach ins Internet zu gehen? Einfach jeden Windowsrechner einschalten und alles Mögliche runterladen und raufladen ist zu wenig. Mit dieser Open-Commons-Geschichte, das geht gerade ein bisschen bei mir vorbei. Ich habe es ein bisschen mitbekommen, aber ich habe mich nicht wirklich damit beschäftigen können, was wirklich damit gemeint ist. Ich bin sehr, sehr skeptisch geworden, wie ich dieses Buch damals gelesen habe, „Freie Netze. Freies Wissen“. Mit teilweise sehr guten Anleitungen zu der Problematik, zu der Thematik, sehr gut aufbereitet, aber mit Projektvorschlägen, wo ich gedacht habe: Welche Stadt soll das sein? Es gibt schon einiges hier, aber da ist meine Befürchtung, dass die Stadt Linz sich groß darstellen will, jemanden darstellen, weiß ich nicht, damit angeben will ohne sich wirklich damit zu beschäftigen.

Weil es zu viel ist für eine Stadt wie Linz?

Aileen Derieg: Ja. Wenn man sich wirklich eingehender damit befassen will. Es ist nicht genug, einfach Open Everything zu sagen, ohne zu verstehen, um was es geht. Alleine die Unterscheidung zwischen Open Source und freier Software ist eine wichtige Unterscheidung. Es geht nicht nur um Kosten, es geht um den Umgang damit. Das heißt, das ist nicht nur etwas, das man groß auf die Fahnen schreiben kann, das heißt auch, Verantwortung zu übernehmen. Und mir fehlt das Gefühl dafür, dass die Stadt wirklich Verantwortung übernimmt. Das heißt nicht Kontrolle, Überwachung, sondern Verantwortung im Umgang damit.

Wo liegen die Stärken im Bereich „Neue Medien“ in Linz? Und wo die Schwächen?

Aileen Derieg: Es ist immer ein Punkt gewesen, wichtige Leute in die Stadt zu bringen, Gäste herzubringen. Was ich mir wünsche, wäre, dass Leute, die in Linz etwas lernen, in Linz etwas machen, auch anderswo hingehen können und sagen: „Ich komme aus Linz.“ und alle sagen: „Super.“ Das geschieht nicht von alleine, wenn von der Stadt keine Anerkennung dafür kommt, was wirklich gemacht wird. Ich glaube, es funktioniert immer noch so, dass man erst dann Anerkennung bekommt, wenn man irgendwo anders im Ausland, in anderen Städten Anerkennung findet, dann bekommt man das auch in Linz. Aber umgekehrt wäre es besser. Diese Anerkennung zuerst in Linz zu haben und darauf aufzubauen. Wir haben so viele gute Leute da. Dass nicht alle weggehen müssen oder auch Möglichkeiten hätten, zurück zukommen, wenn sie weggehen, das wäre wünschenswert.

Welches Entwicklungspotenzial siehst du im Bereich der Freien Medien in Linz? Wie ist deine Einschätzung der Situation? Ist das alles oder ist da mehr Potenzial vorhanden?

Aileen Derieg: Es ist sicher genug Potenzial vorhanden, aber es ist wieder eine Frage der Anerkennung. Ich habe das Gefühl, von der Stadt wird das immer noch stiefmütterlich behandelt: „Ja, es gibt eine kleine Gruppe von Verrückten und sie sollen ihre Sandkiste haben und dort irgendwelche freien Medien machen, wenn sie so wollen, aber das ist nicht wichtig, das ist nicht, was die meisten oder die Masse der normalen Menschen lesen wollen.“ Das ist verkehrt, glaube ich. Das ist grundsätzlich verkehrt. 1999 war eine Medienkonferenz in Linz, mit dieser Linzer Erklärung. Die ist mir neulich in die Hände gefallen und ich habe das noch einmal gelesen und habe mir gedacht: „Ja, es stimmt eh noch alles und es ist genau in die falsche Richtung gegangen.“ Die Stadt hat sehr wohl eine sehr, sehr wichtige Verantwortung dafür, freie Medien zu unterstützen. Alles nur auf freie Marktbasis oder auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu reduzieren, das geht nicht. Das geht auf gar keinen Fall. Kommerzielle Sender, Zeitschriften, was auch immer kann es schon geben, aber dass die von der Stadt gefördert werden, weil die als Meinungsmacher gehandelt werden, das ist falsch. Meinungen werden nicht nur von den Medien gemacht, aber sie werden natürlich gefüttert und es muss schon eine größere Vielfalt da sein. Das ist sehr wohl eine politische Verantwortung, glaube ich.

Ich danke für die ausführlichen Antworten. Willst du irgendetwas noch mitteilen? Ist dir irgendetwas noch abgegangen?

Aileen Derieg: Ich möchte gerne noch einmal unterstreichen, das beim neuen Kulturentwicklungsplan anders zu denken. So in Dirmoser’scher Art zu denken, nicht Gender und Migration als separate Bereiche, sondern ineinander verwoben.

Ich würde das auch sehr begrüßen. Die Zeit ist, glaube ich, längstens reif dafür. Gibt es sonst irgendetwas noch, wo du mir einen Tipp geben würdest, wenn es um den partizipatorischen Prozess geht, auf was wir achten sollten?

Aileen Derieg: Sagen wir einmal, es interessiert sich jemand dafür. Ich denke da zum Beispiel an ein paar von den jungen Frauen bei maiz. Es interessiert sich jemand dafür. Sie geht zum ersten Mal hin, kennt niemanden und viele scheinen sich zu kennen und kennen die Spielregeln und es läuft alles wie gehabt ab. Ich denke, es wäre wichtig, auf persönliche Kontakte zu schauen, Leute einzuladen, aber auch, dass jemand sagt, ok, ich schaue auf diese Einladung, die und die und die Leute habe ich eingeladen oder aus diesem Bereich und ich schaue auf diese Leute, dass sie sich wohl fühlen, dass sie das Gefühl haben, sie sind wirklich willkommen.

Persönlich begrüßt werden, persönlich eingeführt werden zum Beispiel?

Aileen Derieg: Ja.

Danke.

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