2. Interkulturalität leben

Die Zukunft der Kultur in Linz liegt in ihrer Vielfalt. Die Prosperität des kulturellen Lebens einer Stadt wird aus unterschiedlichsten Quellen gespeist: den einzelnen künstlerischen Disziplinen und ihrer Vernetzung, den zahlreichen Institutionen und Vereinen oder den unterschiedlichen sozialen Gruppen, welche die Menschen dieser Stadt repräsentieren. Eine dieser Bevölkerungsgruppen sind die in den letzten Jahrzehnten zugewanderten Menschen mit oder ohne österreichische Staatsbürgerschaft. Ein wichtiges Ziel muss es daher sein, diese Gruppen stärker in das kulturelle Bewusstsein der Stadt zu holen und sie als selbstverständlichen Teil der Vielfalt zu verstehen.

Mit dem Konzept der Interkulturalität* verfolgt die Stadt Linz im Kulturbereich einen Ansatz, der einer urbanen Lebensrealität gerecht wird und die Bevölkerung mit Migrationshintergrund nicht einseitig nur unter dem Aspekt der Integration* begreift. Interkulturalität* meint eine „Kultur des Dazwischen“ und richtet sich folgerichtig an alle Menschen einer Stadt. Sie versteht ethnische und religiöse Vielfalt als Normalzustand unserer Gesellschaft und hat das Potenzial, in der „Zwischen-Kultur“ neue Formen der Kunst und Kultur und des Miteinanderumgehens zuzulassen. Anders- und Fremdsein werden dabei nicht als Bedrohung, sondern als Chance und Bereicherung verstanden. Das interkulturelle* Programm setzt sich zum Ziel, die Vielfalt einer Stadt als Selbstverständlichkeit wahrzunehmen und zu leben. Sie grenzt nicht aus, sondern anerkennt die Diversität und Heterogenität einer Stadtbevölkerung.

Davon ausgehend ist ihr Anspruch, eine Politik für alle zu entwickeln, welche die unterschiedlichen Anliegen und Ansprüche der gesamten Linzer Bevölkerung reflektiert und fördert. Dabei stehen die Bedürfnisse und Lebensrealitäten von Individuen, Generationen und sozialen Gruppen im Vordergrund. In Summe wird ein konsequent verfolgter interkultureller* Ansatz wesentlich zur Stärkung der kulturellen Vielfalt von Linz beitragen und deren öffentliche Wahrnehmung verbessern. Damit verbunden sind die verstärkte respektvolle Wahrnehmung anderer Kulturen, die Vermehrung des Wissens über das vermeintlich Andere und Fremde sowie die Förderung eines nicht diskriminierenden Verhaltens in einer urbanen Gesellschaft. Dadurch werden auch die Auseinandersetzung, der Dialog und die Kooperation unterschiedlicher Kulturen einer Stadtgesellschaft wesentlich bestärkt.

Interkulturalität* ist als Teilaspekt der Gesellschaftspolitik zu verstehen. Verabschiedet wird damit gleichzeitig die Vorstellung von der Existenz einer homogenen Mehrheitsbevölkerung, eine Vorstellung, die längst nicht mehr den Realitäten einer individualisierten Gesellschaft entspricht. Davon profitieren nicht nur die Zugewanderten, sondern die gesamte Bevölkerung von Linz.

Um diesen Zielen im Kunst- und Kulturbereich gerecht werden zu können, sind die interkulturelle* Öffnung der Kulturinstitutionen und die Förderung der Selbstorganisation von MigrantInnen wesentliche Voraussetzungen. Damit gesellschaftliche Teilhabe für alle möglich wird, ist es notwendig, die Gesamtstruktur von Institutionen im Hinblick auf Interkulturalität* zu überarbeiten. Dies erfordert nicht nur Änderungen in der Programmierung der einzelnen Kulturhäuser, sondern auch einen schrittweisen Umbau der Personal- und Organisationsstruktur. Um das Ziel einer gesellschaftlichen Teilhabe aller zu erreichen, gilt das übergeordnete Prinzip der Barrierefreiheit sowie der Genderparität*, das auf allen Ebenen – von der Durchlässigkeit im Personal- und Organisationsmanagement bis zur Programmplanung – wirksam werden muss
[siehe Kapitel „Kunst und Kultur barrierefrei machen“ und „Gendergerechtigkeit erreichen“]. Erst dadurch ist gesichert, dass die unterschiedlichen Sichtweisen und Lebenspraxen in den Normalbetrieb einer Institution Eingang finden und nach außen sichtbar werden.

Weiters ist – analog zum Gender-Mainstreaming* – ein Prozess in Gang zu setzen, der Mainstreaming* im Sinne der Interkulturalität* auf allen Ebenen der Kulturverwaltung installiert. Dies gilt sowohl für die Besetzung von Gremien und Jurys im Kulturbereich als auch für interkulturelle* Inhalte in den verschiedenen Kultureinrichtungen. Projekte mit Persönlichkeiten aus dem Kunst- und Kulturleben der Herkunftsländer von zugewanderten Menschen oder mehrsprachige Initiativen sollen dabei sukzessive als gegebener Bestandteil der Kultur einer Stadt verstanden werden.

Einen wesentlichen Schritt in diese Richtung stellen Dialogpartnerschaften und Kooperationen dar, die zunächst über eine Neuausrichtung des Förderpreises „Stadt der Kulturen“ initiiert werden. Ziel ist die Annäherung zwischen städtischen Kulturinstitutionen und interkulturellen* Vereinen, Initiativen oder Einrichtungen. Dabei sollen langfristige und gleichberechtigte Partnerschaften entstehen, die mit hoher Professionalität einen Know-how-Transfer rund um interkulturelle* Kunst- und Kulturangebote zwischen den KooperationspartnerInnen garantieren.

Als Ergänzung dazu müssen auch die Linzer Stadtteile verstärkt im Sinne der Interkulturalität* in den Fokus rücken, sei es durch einen interkulturellen* Ansatz in den geplanten Stadtteilzentren, durch entsprechende Angebote und Projekte der Pflichtschulen, der Musikschulen, der Volkshochschule und Stadtbibliothek oder durch eine bedarfsgerechtere Bespielung der Linzer Volkshäuser.

Alles in allem sind mit der Zielsetzung Interkulturalität* mittel- und langfristige Herausforderungen verbunden, die bei allen Beteiligten viel Engagement für kontinuierliche Weiterentwicklungen voraussetzen. Am Ende des Prozesses sollen nicht nur eine gerechtere Stadt, sondern mehr Lebensqualität, mehr Chancengleichheit und mehr Respekt vor den individuellen Lebensentwürfen aller Menschen stehen.
Maßnahmen:

  • Die Personalplanung der städtischen Kultureinrichtungen und von Linz Kultur erfolgt bei Nach- und Neubesetzungen im Sinne des interkulturellen* Personalmanagements der Stadt und unter Einhaltung des Oö. Objektivierungsgesetzes.
  • Die städtischen Kultureinrichtungen und Linz Kultur nominieren genderparitätisch* auch ExpertInnen mit Migrationshintergrund bei der Besetzung von Beiräten, Kommissionen, Jurys und anderen Beratungs- und Entscheidungsgremien.
  • Die städtischen Kultureinrichtungen und Linz Kultur zeigen verstärkt zeitgenössische Kunst aus den Herkunftsländern der nach Linz zugewanderten Bevölkerung. Beispielhaft setzt das Linzfest auf neue Formen der Weltmusik, die traditionelle Rhythmen und Volksmusik mit internationalen populärmusikalischen Trends kombinieren. Das Festival 4020. mehr als Musik präsentiert alte und neue Musik aus in musikalischer Hinsicht bislang wenig bekannten Weltregionen.
  • Kultureinrichtungen und Kulturformate setzen sowohl für Linz-BesucherInnen als auch für Zugewanderte zielorientiert Mehrsprachigkeit in der Vermittlungs- und Öffentlichkeitsarbeit oder bei ausgewählten Veranstaltungen ein.
  • Städtische Kultureinrichtungen und Linz Kultur fördern Dialogpartnerschaften und Kooperationen zwischen Kulturinstitutionen und Vereinen, Einrichtungen, Kollektiven und Initiativen sowie Kunstschaffenden zu interkulturellen* Themen, die auf Diversität Bezug nehmen. Dabei agieren alle PartnerInnen gleichberechtigt.
  • Linz Kultur entwickelt „Stadt der Kulturen“ zu einem Förderpreis für interkulturelle* Dialogpartnerschaften und Kooperationen und zur Anerkennung interkultureller* Projekte in pädagogischen Einrichtungen weiter. Umsetzung ab 2012: Linz Kultur schreibt den Preis „Stadt der Kulturen“ bestehend aus einem Förderpreis der Stadt Linz für Interkulturalität mit einer Summe von Euro 10.000,- und Anerkennungspreisen für herausragendes interkulturelles Engagement in pädagogischen Einrichtungen mit einer Gesamtsumme von Euro 3.500,- aus.
  • Städtische Kultureinrichtungen – insbesondere die Zweigstellen der Stadtbibliothek, Volkshochschule und Musikschule –, Linz Kultur und Kulturinitiativen fördern mit Projekten eine aktive Nutzung des öffentlichen Raums, um die kulturelle Vielfalt widerzuspiegeln und Bewusstsein für interkulturelles* Leben zu schaffen. Diese Anstrengungen geschehen in Kooperation mit den neu entstehenden Stadtteilzentren und bereits vorhandenen Begegnungsstätten wie Stadtcafés, Volkshäusern etc.
  • Der Wissensturm verstärkt seine Beratung zur Nostrifizierung* von ausländischen Berufsund Bildungsabschlüssen und unterstützt Menschen mit informell erworbenem Wissen durch geeignete Anerkennungsverfahren.
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